HAMBURG DIGITAL INTERVIEW
10.000 PC-Arbeitsplätze, 1.900 WLAN-Access-Points, mehr als 100 Fachanwendungen. Beeindruckende Zahlen aus einem IT-Großbetrieb: dem Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf. Mit elektronischer Patientenakte auf Rädern und Touchscreen-Internet-PC am Patientenbett hat HANSEVALLEY im November 2017 das UKE als beispielhaftes Klinikum kennengelernt.
IT-Chef und IT-Stratege des UKE: Marco Siebener. Foto: UKE |
Lieber Marco Siebener: Sie sind Leiter des Geschäftsbereichs IT mit 5 Abteilungen und zugleich als CIO verantwortlich für die IT-Strategie am UKE. Geben Sie uns einen Überblick: Wie groß ist Ihr Geschäftsbereich und wo liegt der Schwerpunkt ihres Tagesgeschäfts?
Der Geschäftsbereich IT ist der zentrale IT-Dienstleister des UKE und damit für den operativen Betrieb der IT- Infrastruktur und Anwendungen eines digitalisierten Uniklinikums verantwortlich. Zudem ist die IT ein wichtiger strategischer Erfolgsfaktor in der bisherigen und auch in der zukünftigen Fortentwicklung des UKE.
Der Geschäftsbereich IT ist mit seinen über 130 Mitarbeitern der größte Geschäftsbereich am UKE - mit einem recht starken Fokus auf die IT-Systeme in der medizinischen Versorgung, von der elektronischen Patientenakte, über die Diagnostiksysteme in der Radiologie oder auch den Laboren bis hin zu Logistik oder auch Abrechnungssystemen. Dem stärksten Wachstum unterliegt aber derzeit der Bereich der Forschungs-IT. Hier sind wir im Aufbau einer medizinischen Forschungsplattform für unsere Wissenschaftler/innen.
Ihr Klinikum hatte im Jahr 2016 insgesamt 430.000 Patienten, davon rd. 95.000 stationäre Patienten. Wieviele Datensätze müssen Sie verwalten und wieviele Mitarbeiter aus medizinischer Versorgung, pflegerischer Betreuung und kaufmännischem Management greifen auf Ihre Systeme zu?
Das UKE hat über 10.000 Mitarbeiter und ist damit einer der größten Arbeitgeber in Hamburg. Für diese große Anzahl von Mitarbeitern stehen auch fast 10.000 IT-Arbeitsplätze zur Verfügung. Wir betreiben mehrere Hundert unterschiedliche IT-Anwendungen in 2 Rechenzentren auf über 1.900 Servern. In unserer elektronischen Patientenakte liegen über 30 Mio. Datensätze.
Das Universitätsklinikum gilt eine der modernsten Kliniken in Sachen IT zu sein. Bei Ihnen in Eppendorf läuft kein Patient mehr mit einer Krankenakte unter dem Arm zum Röntgen. Wo setzt das UKE besondere Schwerpunkte im Kontext fortschrittlicher Technologien und Systeme?
Live-Einsatz in der UKE-Hautklinik: Die elektronische Patientenakte auf Rädern. Foto: HANSEVALLEY |
Ja, wir sind eine sehr fortschrittliche Klinik bei der Digitalisierung und es gibt diese Krankenakte nur noch elektronisch. Damit können alle an der Behandlung beteiligten Ärzte/innen und die Pflege jederzeit und auch parallel auf alle relevanten Informationen zugreifen und auch dokumentieren. Auch im Falle von erneuten Behandlungen sind diese Daten verfügbar und müssen nicht erst mühsam aus einem Archiv gesucht werden. Das ist für die Qualität und auch die Sicherheit der Versorgung ein wichtiger Beitrag, den die IT hier leisten kann.
Besondere Schwerpunkte im Sinne von Technologien setzen wir derzeit im u. a. im Bereich des sogenannten Asset Trackings, also dem Orten von z. B. medizintechnische Geräten über unser nahezu flächendeckendes WLAN sowie im Bereich Unified Communications - für Video- bzw. Online-Konferenzen u. a. im Bereich der Fall- bzw. Tumorkonferenzen. Ebenfalls ein wichtiges Thema sind für uns die Entscheidungsunterstützungssysteme (Clinical Deciscion Support), die auf Basis von Algorithmen bzw. Regelwerken die medizinischen Informationen z. B. Laborwerte prüfen und Hinweise und Warnungen für Risiken geben.
Bereits im Einsatz und üblich sind diese Systeme z. B. bei den Interaktionsprüfungen hinsichtlich Nebenwirkungen von Medikamenten. Zudem beschäftigen wir uns mit der Anwendung von NLP (Natural Language Processing) auf die medizinische Dokumentation, also dem Erkennen und Verstehen von häufig nicht strukturierten, medizinischen Texten. Ziel ist es, diese in strukturierte Informationen umzuwandeln und damit für die weitere Nutzung u. a. für die Forschung zu erschließen.
Sie arbeiten mit dem Siemens Klinik-System "Soarian Clinical" und einer elektronischen Patientenakte auf Basis von "Soarian Health Archive". Vor mehr als 6 Jahren wurde das UKE durch die Bundesbehörde BSI für ihre Sicherheit ausgezeichnet. Wie kann man bei verteilten genutzten Daten wirklich sicher sein?
Geschlossener Kreislauf der medizinischen Unterstützung am UKE. Grafik: UKE |
Ein konkretes Beispiel, wie wir die Patientendaten schützen ist die Tatsache, dass Sie hier im UKE an einem klinischen Arbeitsplatz keinen direkten Zugang zum Internet haben, nichts herunterladen können, nichts installieren und auch keine USB-Sticks verwenden können. Wir haben den Bereich der Krankenversorgung technisch getrennt von den Verwaltungsnetzen oder auch den Forschungsbereichen.
Seit 2016 sind Sie kommissarischer Leiter der UKE-IT, seit diesem Jahr hauptverantwortlich für alle Bits & Bytes auf dem UKE-Campus an der Martinistraße. Welche persönlichen Schwerpunkte bzw. Akzente setzen Sie als CIO und IT-Chef in Strategie und operativem Betrieb?
Meine persönlichen Schwerpunkte liegen neben dem sicheren, effizienten und zuverlässigen Betrieb unserer IT-Services vor allem in der strategischen Weiterentwicklung der IT am UKE. Besondere Schwerpunkte sind hierbei der bereits genannte Ausbau der Forschungs-IT und der weiteren Verbesserung und Ausweitung unseres Leistungsangebotes durch E-Health - bis hin zur direkten Einbindung des Patienten in unsere Versorgungsprozesse, egal wo der Patient sich gerade befindet.
Das Uniklinikum hat eine elektronische Patientenakte, ihre Krankenhaus-Apotheke arbeitet weitgehend digital vernetzt und Sie kooperieren u. a. mit der Techniker Krankenkasse mit dem Ziel einer gemeinsame Patientenakte. Wie gut ist das UKE für die digitale Zukunft aufgestellt?
Unsere elektronische Patientenakte ist sozusagen unsere sehr gute Basis für die weitere digitale Zukunft der Gesundheitsversorgung in Hamburg. Die Digitalisierung endet aber heute leider meist noch an den Grenzen unseres Campus in Eppendorf. Leider wird hier häufig dann doch wieder ausgedruckt oder auch gefaxt in der Kommunikation mit anderen Kliniken und Niedergelassenen. Wir haben zwar hier auch Kooperationspartner mit denen wir elektronisch kommunizieren, aber leider ist dies heute noch die Ausnahme.
Hier sind dann für uns Partner wie die Techniker Krankenkasse wichtig, die mit ihrer Initiative einer elektronischen Gesundheitsakte für ihre Versicherten weitere "digitale Brücken" bauen und vor allem den Patienten bzw. Versicherten involvieren. Wir sehen in dieser Initiative einen wichtigeren weiteren Schritt in der Digitalisierung des Gesundheitswesens in Deutschland und freuen uns darauf, bald den ersten TK-Versicherten Patienten-Dokumente in ihre persönliche Akte übermitteln zu können.
Sie kooperieren mit der Technike Krankenkasse und dem TK-Accelerator, schauen sich neue E-Health-Startups an und starten gemeinsame Projekte. Wie wichtig sind für Sie innovative Startups und was ist besonders wichtig bei der Zusammenarbeit?
Eine der modernsten Kliniken in Deutschland: Das UKE Foto: HANSEVALLEY |
Dafür sind die Anforderungen und auch das Risiko, die durch Fehler passieren können zu groß, um mal eben schnell eine - entschuldigen Sie bitten diesen Ausdruck - "Bastellösung" zu installieren und zu nutzen. Mit einzelnen Startups haben wir diesen Weg in die Klinik aber bereits gemeistert und wir sind davon überzeugt, dass dies auch in einem gegenseitigen Nutzen ist.
Die exklusive HANSEVALLEY Hamburg-Frage:
Sie sind langjähriger IT-Experte, u. a. bei den Hamburger Asklepios-Kliniken und seit 2015 am UKE engagiert. Was läuft in der Digitalsierung des Gesundheitswesens in Hamburg richtig gut? Und wo haben Sie Wünsche, z. B. an die Gesundheitsbehörde, das Branchencluster oder Krankenkassen?
Wir haben in Hamburg starke Akteure im Gesundheitswesen, sowohl auf der Klinik-Seite, den Krankenkassen und Versicherungen als auch der Industrie. Alle beschäftigen sich aktiv mit der Digitalisierung und es gibt eine Vielzahl von einzelnen Initiativen, auch auf Seiten der Stadt. Mein Wunsch wäre hier eine weitere Bündelung dieser Initiativen und einen gemeinsamen Rahmen für "E-Health (in) Hamburg“ zu schaffen, um hieraus auch gemeinsame Ansätze und Projekte für das zukünftige „digitalere“ Gesundheitswesen zu schaffen.
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Herzlichen Dank für die offenen Worte!
Das Interview führte Thomas Keup.
Hamburg Digital Background:
Informationstechnologien am UKE:
www.uke.de/organisationsstruktur/gesch%C3%A4ftsbereiche/informationstechnologie/%C3%BCber-uns/index.html
E-Health an Norddeutschen Krankenhäusern (ab S. 8):
http://docplayer.org/53372946-Digital-vernetzt-wie-krankenhaeuser-und-krankenkassen-kuenftig-das-e-health-potenzial-ausschoepfen-wollen.html
Kooperationsportal LSN Xchange:
www.lsnxchange.de/
Unternehmensdatenbank eHDa Hamburg (im Aufbau):
www.ehealth-hamburg.de/kontakt-und-service/ehda-die-unternehmensdatenbank/