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Mittwoch, 12. Juni 2019

HANSESTATEMENT: Digitalisierung? Kein Thema mehr für die Hamburger CDU?

Ein HAMBURG DIGITAL STATEMENT
von Gerd Kotoll


Wissenschaftsexperte und Blockchainspezialist Carsten Ovens.
Foto: HANSEVALLEY

Schockwellen nach der Europawahl, Erdbeben in der SPD – da kann die CDU Hamburg nicht untätig bleiben ... und sorgt an Alster und Elbe ebenfalls für durchschlagene Erschütterungen. Das Epizentrum der strategischen Verwerfung ist der Kreisverband Eimsbüttel, genauer gesagt, der Ortsverband Niendorf. Ein Hamburg Digital Statement aus dem inneren Zirkel der bürgerlichen Opposition Hamburgs.

"Hamburg besser machen" war und ist das Motto meiner politischen Arbeit. Dennoch werde ich mich nicht erneut um ein Wahlkreismandat bewerben, um Lokstedt, Niendorf und Schnelsen auch in der kommenden Legislatur in der Hamburgischen Bürgerschaft zu vertreten." Mit diesen Worten verabschiedet sich der Hamburger Digitalpolitiker Carsten Ovens in seinem Blog am Dienstag von der politischen Bühne.

Was war da wirklich los? Der Niendorfer Ortsvorstand hat mit 13:3 Stimmen beschlossen, dass der einzig sprechfähige CDU-Kopf im Elbvalley zu Fragen der Digitalisierung, zur Blockchain und zu KI nicht mehr auf dem sicheren ersten Platz der Wahlkreisliste zur Bürgerschaftswahl im kommenden Frühjahr gesetzt werden soll. Basta! 


Nachdem schon die - sagen wir mal - etwas sehr "unbeholfene Reaktion" der Bundes-CDU auf ein "Influencer"-Video eines blauhaarigen YouTube-Comedians für Kopfschütteln sorgte, steht der Kopf auch bei dieser Entscheidung entgegen aller Versuche einfach nicht still.

Carsten Ovens organisiert regelmäßig Veranstaltungen mit dem Startup-Bundesverband in Hamburg, pflegt einen engen Austausch zur lokalen Gründerszene und gibt nicht nur Floskeln zu Technologie-Themen zum Besten. 


Der 37-jährige Hamburger betreibt ernsthaften inhaltlichen Austausch. Bislang ist in der Hamburger CDU niemand in Erscheinung getreten, der über vergleichbares Know how verfügt. Von den guten Verbindungen ins Startup-Land Nr. 1 - Israel - ganz zu schweigen. 

Die Personalauswahl – noch so ein Schwachpunkt der CDU

An dieser Stelle wird erneut deutlich, wie dünn die Personaldecke der Hamburger Christdemokraten ist: 


Während sie Bürgermeister Tschentscher partei-intern (zu Recht) als Dritte Wahl in der Scholz-Nachfolge titulierten, nachdem Andreas Dressel und Melanie Leonhard aufgrund persönlicher Befindlichkeiten abwinkten, konnte auch die CDU mit Marcus Weinberg erst im dritten Versuch einen Spitzenkandidaten finden (wenn auch mit dem Unterschied, dass gesundheitliche Gründe bei zwei vorher gehandelten Personen den Ausschlag gegeben haben, nicht anzutreten). 

Ob ein Kandidat, der als ehemaliger Landesvorsitzender vor rd. zehn Jahren eine Halbierung des Wahlergebnisses mitzuverantworten hatte (von dem sich die Partei immer noch nicht wieder erholt hat), der richtige Kandidat ist, den mittlerweile noch tiefer im Dreck steckenden Karren wieder flott zu machen, kann man dahingestellt sein lassen. 

War der personelle Aderlass der Fraktion - durch Rücktritte und Verschiebungen der Prioritäten weg von der Politik - seit dieser Zeit bereits schmerzhaft, wird sie künftig durch die Entscheidung eines Ortsvorstands nochmals geschwächt - personell wie fachlich. 

Lieber formales Quorum als inhaltliche Kompetenz

Eine Partei, die mangels zugkräftiger Themen und Köpfe, potentiell darum kämpft, nicht in der politischen Bedeutungslosigkeit zu landen, macht sich obendrein mit einer realitätsuntauglichen Quorums-Vereinbarung selbst das Leben noch schwerer, als ohnehin schon.

Wenn das Geschlecht - wie offiziell verkündet - mehr Bedeutung hat, als thematische Kompetenz und damit inhaltliche Relevanz, dann gibt die Partei ihre Zukunftsfähigkeit zugunsten einer von anderen definierten Beliebigkeit vor der Wahlkabine ab. 
Eine Kapitulation vor dem Zeitgeist ist aber das Letzte, was der Wähler wirklich will. 

Da ist es intelligenter, in den Wettbewerb "Unser Dorf soll schöner werden" einzutreten, wenn der politische Gegner als Idee lediglich aufbietet, die Stadt zum Dorf zurück entwickeln zu wollen. 
Damit muss man den Gegner aber erstmal stellen (wollen).

Das ist auch bei den Hamburger Liberalen angekommen. FDP-Fraktionschef und Digitalexperte Michael Kruse stellte zu den Aktivitäten in der CDU gegenüber HANSEVALLEY fest: "Carsten Ovens ist ein anerkannter Experte im Bereich Digitalpolitik. Ich glaube nicht, dass die CDU zu viele derartig profilierte Digitalpolitiker hat.“

Wie notwendig in Digitalisierungsfragen fachlich kompetente Politiker wären, zeigt sich, wenn – unabhängig von Parteifarben – in typischer politischer Sonntags-Reden-Manier von Hamburg als "Blockchain-Hauptstadt" fabuliert wird: 


Tatsächlich gibt es in Hamburg nach aktueller Zählung im Auftrag von HANSEVALLEY 38 Blockchain-Companies an Alster und Elbe. Das sind rd. die Hälfte allein der deutschen Blockchain-Startups mit Sitz in der Startup-Hauptstadt Berlin - von etablierten Blockchain-Nutzern und -Dienstleistern ganz abgesehen.

Wer soll eigentlich Carsten Ovens Listenplatz für die Bürgerschaft einnehmen? Und vor allem: warum?

Dass in Parteien, erst recht wenn es um bezahlte Politik geht, personeller Wettbewerb herrscht, gehört zur Natur der Sache. Das wird auch Carsten Ovens bewusst sein, der beruflich begründet seit einiger Zeit mehr in Berlin als in Hamburg ist. 
Dass die neue Nr. 1 in Niendorf eine Frau ist, ist heutzutage ein Zeitgeist-Vorteil. Eine Qualifikation ist es nicht. 

Es ist auch kein Qualifikationsausweis, dass sie eine - wenn auch indirekte - Mitarbeiterin außerhalb des Politikbetriebes des Kreisvorsitzenden und Bundestagsmitglieds Rüdiger Kruse ist. 

Dass sie sich als engagierte und erfolgreiche Kommunalpolitikerin in der Eimsbüttler Bezirksversammlung einen Namen gemacht haben soll, ist nun das inhaltliche Argument, wie man aus dem Umfeld hört. Bei der Wahl im Mai haben zwei andere CDU-Mitglieder mehr Personenstimmen bekommen, als sie. 


Die CDU selbst hat nur in Hamburg-Mitte noch weniger Stimmen als in Eimsbüttel eingefahren. Wie und warum diese Kompetenz nun vor Ort nicht mehr genutzt werden, sondern stattdessen die Bürgerschaftsfraktion aufwerten soll, wurde nicht erklärt.

Erst das Land, dann die Partei, dann die Person: Das scheint keinen Wert mehr zu haben und auch nicht Bestandteil der Überlegungen in Niendorf gewesen zu sein, wo die Kirchtürme offenbar nicht nur bei den Gebäuden die niedrigsten sind. 


Wer sich in einer Zeit drängender digitaler Herausforderungen für "PDF" statt "ICO" entscheidet - und damit auch eine Chance vergibt, die grün-rote Koalition im Rathaus anzugreifen (deren digitaler Firniss sehr durchsichtig ist), darf sich nicht wundern, wenn er von käuflichen YouTube-Boys vorgeführt und vom Wähler nicht mehr als regierungsfähig angesehen wird. 

Oder wie formulierte HANSEVALLEY-Chefredakteur Thomas Keup - über 16 Jahre selbst CDU-Mitglied - in einem Brief an die Hamburger CDU-Parteispitzen Heintze, Trepoll, Weinberg:

"Zukunft wird aus Mut gemacht. Mut erfordert Angstfreiheit. Eine Partei gewinnt Profil, wenn Sie bereit ist, aus ihrer Komfortzone herauszutreten und die entscheidenden Themen anzupacken. Ich sehe bei Ihnen im Moment weder Mut, noch zukunftsweisende Themen, noch ein eigenständiges Profil." 

Das letzte Wort möchten wir gern dem Abgeordneten und Digitalexperten Carsten Ovens geben:

"In einer kleinen Fraktion ist jedes Mitglied als Fachpolitiker gefordert. Bei mir sind dies Wissenschaft und Digitale Wirtschaft als Fachsprecher unserer CDU-Fraktion. Dazu liegen mir die internationalen Beziehungen Hamburgs sehr am Herzen. Wir sind Deutschlands Tor zur Welt. Diesem Anspruch müssen auch wir Abgeordneten gerecht werden. Wer Hamburg besser machen will, der sollte ohnehin regelmäßig seinen eigenen Horizont erweitern und über die Grenzen des eigenen Stadtteils hinaus denken."


*  *  *

 Hamburg Digital Autor Gerd Kotoll: 

Gerd Kotoll vernetzt Entrepreneure mit potentiellen Partnern und Kunden - und berichtet von ausgewählten Events und Entwicklungen im Ökosystem der Hamburger Startup-Szene. 

Als unabhängiger Makler berät und betreut Gerd Kotoll er Vereine, Verbände und Unternehmen in Fragen der betrieblichen Absicherung. Besonderen Fokus legt er auf junge Unternehmen und Startups. 

Gerd Kotoll ist Freier Autor des Hamburg Digital Magazins.

Die inhaltliche Verantwortung des Autorenbeitrags liegt beim Urheber.

 Hamburg Digital Background: 

CDU-Abgeordneter Ovens verzichtet auf Kampfkandidatur:
welt.de/regionales/hamburg/article195082563/Buergerschaftswahl-2020-CDU-Abgeordneter-Ovens-verzichtet-auf-Kandidatur.html

Freitag, 18. November 2016

HANSEPOLITICS: Eine aktuelle Diskussion um Startups.

Carsten Ovens, MdHB
Foto: CDU Hamburg
Carsten Ovens, Abgeordneter der Hamburger CDU und Landesvorsitzender der Jungen Union, hat einen aktuellen Redebeitrag zu Startups in Hamburg vor der Bürgerschaft auf seiner Facebook-Seite veröffentlicht.

Seine Empfehlung für ein einzelnes Startup-Netzwerk und die aus unserer Sicht nicht vollständig klaren Argumente haben uns dazu bewogen, dem Fachsprecher für Digitale Wirtschaft der CDU-Fraktion einige Fragen zu stellen:

  • Kann eine Stadt Startups besser vermarkten, als Unternehmer?
  • Wieviel Vernetzung braucht die Hamburger Szene noch?
  • Und macht die Förderbank nicht bereits genug?

Carsten Ovens hat uns auf Facebook geantwortet. Wir nehmen den Ball auf, veröffentlichen seine Antworten und haken nach, verbunden mit Hinweisen und Anregungen unsererseits.

Thema 1: Vermarktung und Förderung.

Carsten Ovens: Staat und Stadt sollen Rahmenbedingungen für die Wirtschaft setzen, nicht selber Wirtschaft spielen. Zu den Rahmenbedingungen gehört auch die Wirtschaftsförderung, bzw. die Vermarktung des Standorts. Dazu muss die Stadt aber nicht alles selbst machen und das Rad neu erfinden, sondern sollte eng mit erfahrenen Playern zusammenarbeiten. Wenn es um die Vermarktung der Startup-Szene Hamburgs geht bietet sich beispielsweise Hamburg Startups als Partner an.

HANSEVALLEY: In Hamburg gibt es viele engagierte Netzwerke rund um die Startup-Szene, wie 12min.me, Betahaus, Digital Mesh, gamescity:Hamburg, nextMedia.Hamburg, Software Alliance Hamburg, Startup Guide Hamburg oder Startupdock. Wäre es nicht sinnvoll, alle relevanten Player an einen Tisch zu holen, die vielfältige Arbeit zu orchestrieren und gemeinsam voranzubringen, anstatt einen einzelnen, kommerziellen Player mit Fördermitteln versorgen zu wollen? In der von Ihnen zitierten HWWI-Studie wird genau dies im Handlungsfeld 1 mit der gemeinschaftlichen Weiterentwicklung des regionalen Gründerökosystems gefordert.


Thema 2: Vernetzung und Internationalität.

Carsten Ovens: Mehr Vernetzung ist immer gut. Für Hamburg gilt das insbesondere im internationalen Bereich. So beschäftigen unsere Startups bundesweit am wenigsten ausländische Mitarbeiter (Startup-Monitor 2016). Zu den großen Hightech-Regionen der Welt gibt es nur eingeschränkte (offizielle) Beziehungen. Der rot-grüne Senat meint beispielsweise, Israel sei kein regionaler Schwerpunkt seiner Wirtschaftspolitik. Damit verschenken wir in Hamburg viel Potential.

HANSEVALLEY: Die Unterstützung Hamburger Startups bei der SXSW in Austin durch die Kreativgesellschaft, das intensive Engagement von US-Wirtschaftskonsul Michael Grey, das Netzwerkevent “Hamburg meets Israel” kommende Woche im Mindspace und das neue “Silicon Valley Desk” von Hamburg@Work sind qualifizierte Initiativen. Wir glauben, dass eine abgestimmte, internationale Standortwerbung erfolgversprechend sein kann. Wollen Sie lieber tausende ungelernter Praktikanten und Junior-Marketer in ”Hühnerställen” (Zitat eines Samwers) haben, wie es Rocket Internet in Berlin betreibt?


Thema 3: Förderung und Risikokapital.

Carsten Ovens: Die Investitions- und Förderbank bietet sicherlich eine gute Beratung und teilweise eine gute Förderung für Gründer. Dennoch reicht das nicht, wie u.a. die HWWI-Studie zum Startup-Standort im Auftrag der Wirtschaftsbehörde festgestellt hat. Deshalb haben wir auch den Innovations- und Wachstumsfond in der Bürgerschaft mitbeschlossen, der eine Lücke füllen soll. Mehr als 10 Monate später können SPD und Grüne jedoch immer noch kein Fonds-Konzept vorweisen, Zusagen von Investoren sind ebenfalls nicht bekannt.

HANSEVALLEY: Einen 100-Millionen-Fonds aufzusetzen, ist sicher eine Herausforderung, wenn private und öffentliche Partner zusammenarbeiten sollen. Es ist Ihre Aufgabe als Oposition, die Execusion beim Senat einzufordern. Aus unserer Sicht sollten vor allem die Stiftungen an Elbe und Alster motiviert werden, einen Teil ihrer Investments in die Assetklasse Venture Capital zu investieren, wie es im Handlungsfeld 4 der HWWI-Studie mit der Förderung regionaler Finanzierungen empfohlen wird. Dies ist eine Aufgabe für den Senat und die Vertretungen der Familienunternehmer.


One more thing:

Ihr Antrag für eine “Lange Nacht der Startups” hat bei uns Fragezeichen hervorgerufen: Das Event in Berlin ist eine private Initiative unter Führung der Telekom Innovation Labs - in diesem Jahr zusammen mit Deutscher Bank, Eon, Microsoft und VW - unterstützt von Berlin Partner und der IHK. Aus unserer Sicht bedarf es einer gemeinsamen, privaten Anstrengung, um ein vergleichbar interessantes Festival in Hamburg zu realisieren - kein öffentlich initiiertes.

Aus unserer Recherche der Hamburger Startupszene ergeben sich an Elbe und Alster eigene Stärken und Chancen für Gründer, Entwickler und Marketer: Im Vergleich zu Berlin ist Hamburg substanzieller und geschäftsorientierter. Das blinde Übernehmen Berliner Ideen und Initiativen ist für uns weniger sinnvoll, denn die Berliner Szene profitiert von einem globalen Image-Hype, unerfahrenen Expats und Risikokapital, dass dem Licht folgt.
Wir laden Sie herzlich ein, den Dialog fortzusetzen - gern in größerem Rahmen mit den Digital-Sprechern aller Parteien, den Vertretern des Senats und vor allem den Promotoren für ein digitales, zukunftsweisendes Hamburg - inkl. Hamburg Startups. Wir übernehmen als politisch und wirtschaftlich neutraler Partner gern die qualifizierte Moderation.

* * *

Hinweis in eigener Sache:

Als Hamburg Digital Magazin ergreifen wir keine Stimme für eine einzelne Partei, den Hamburger Senat oder die Opposition in der Bürgerschaft. Wir loben und kritisieren Aktivitäten, die aus der digitalen Sicht auf die Stadt erfolgversprechend oder optimierungswürdig sind. Dies ist der Rahmen für unsere Meinung.


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