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Samstag, 28. März 2020

"Die Zögerlichen": Wie Hamburg den Vorsprung gegen das Corona-Virus verspielt.


EIN HAMBURG DIGITAL STATEMENT
von Landeskorrespondent Gerd Kotoll


Wahlkampfplakat der Hamburger SPD zur Bürgerschaftswahl 2020.
Grafik: SPD Hamburg

Hilflose Appelle an die menschliche Vernunft, deren Halbwertszeit beim Anblick leerer Klopapier-Paletten im Discounter und zugleich gefüllter Strassencafés bereits abgelaufen ist. Eine völlig unverständliche und damit verantwortungslose Salami-Taktik bei der Kommunikation und Umsetzung der notwendigen Maßnahmen: In Hamburg ist man nicht Vorreiter, man schleicht feige den anderen Bundesländern hinterher und macht bestenfalls nur das, was die bereits machen. Handeln aus eigener Erkenntnis oder gar Überzeugung? Nee, lieber nicht. Landeskorrespondent Gerd Kotoll spricht Tacheles:

So versucht man sich in Hamburg durch die Corona-Krise zu lavieren


Angeführt von einem Bürgermeister, bei dem man eigentlich hätte erwarten können, dass etwas mehr Sachverstand vorhanden wäre; immerhin ist er Mediziner. Sekundiert von einer amtsmüden Gesundheitssenatorin, die sich von Journalisten auf der Pressekonferenz erstmal auf den aktuellen Stand bringen lassen musste, dass am Vorabend Italien komplett mit einer Ausgangssperre belegt wurde. Willkommen in Hamburg.


Gesundheitssenatorin Cornelia Prüfer-Storcks:
Die 20.00 Uhr Tagesschau immer fest im Blick.
Foto: Senatskanzlei Hamburg

Als würden Nachrichten heute immer nur um 20.00 Uhr zur Verfügung stehen - vor allem die Tagesschau aus Lockstedt, die Leib- und Magensendung des gepflegten Senatsmitglieds an Alster und Elbe. Die Nutzung digitaler Medien könnte einer Situation wie dieser … aber vielleicht ist das auch zu viel verlangt. Kurz vor der Rente wird in Hamburg wie im Bund die unausweichliche Entscheidung lieber hinausgezögert.

Und dann ist da noch der Bildungssenator, der bei Exponentialfunktionen lieber bei anderen abguckt und deswegen anderen Bundesländern bei Schulschließungen den Vortritt lässt, um sich dann, weil es ja nun alle machen, doch noch zu bewegen. Das war vor gut einer Woche, in der Zwischenzeit wurde die Schulschließung spontan von Ende März auf den 19. April verlängert. Dass dann die Schule wieder Präsenzunterricht machen können wird, glaubt in Hamburg nur einer: der Präses der Schulbehörde.

Übrigens ging die Nachricht der Schulschließungsverlängerung abends über einen regionalen TV-Sender auf die Reise. Schulleitungen und Kollegien wurden erst am nächsten Tag informiert, was an anderer Stelle mit dem berechtigten Feierabend des Pressesprechers begründet wurde. Gut, dass wir keine Ausnahmesituation in der Stadt haben - Helmut Schmidt würde sich bei dieser Art Amtsauffassung im Grabe umdrehen.

Man stelle sich vor, ein Senator würde anweisen, dass die Homepage der eigenen Behörde auch noch nach 17.00 Uhr unter Missachtung jeglicher behördlicher Arbeitszeiterfassung auf den neuesten Stand zu bringen sei. Womöglich noch aus dem Home Office, Gott bewahre. 


Schulsenator Ties Rabe und seine Schulschließungen.
Foto: Senatskanzlei Hamburg

Nein, das wäre wirklich schier unerträglich und überhaupt unvorstellbar. Der Feierabend muss auch digitaler Freiraum sein können. Echt jetzt? Genau diese Haltung ist es, die die digitale Entwicklung der Stadt verzögert. Smart City entsteht aber nur durch smart decisions - by smart people. Okay, also wird das erstmal nichts mit der smarten Stadt. 

Kurz wurde der Senator doch noch einmal mutig. "Die Abiturprüfungen werden stattfinden!“, verkündete er von der Kanzel, somit sei sichergestellt, dass alle Abiturientinnen und Abiturienten ihr Studium pünktlich beginnen könnten. Die Bildungsministerin von Schleswig-Holstein und Exil-Hamburgerin Karin Prien legte noch einen drauf: Sie wollte so eine Art "Durchschnitts-Abi" für alle. Und wurde damit von der Kultusministerkonferenz vom gemeinsamen Schul-/Hof gejagt.

Währenddessen sind die Schulleitungen und Lehrer hoch engagiert dabei, den Kindern auf allen möglichen digitalen Wegen das notwendige Wissen zu vermitteln. Übrigens: Eduport - die hauseigene Bildungsplattform der Schulbehörde BSB - ist es seit der zunehmenden Nutzung in der vergangenen Woche oft-immer wieder-fast täglich ... nicht. 


Hamburgs Datenschutzbeauftragter Johannes Caspar mag kein Skype.
Foto: HmbBfDI

Was den Hamburger Datenschutzbeauftragten nicht davon abhält, auf die Datenunsicherheit von Skype-Konferenzen hinzuweisen und ein 20-seitiges Pamphlet zur sicheren Internetnutzung herauszugeben. Skype würde ja - so Johannes Caspar - einen Einblick ins Private ermöglichen, was unbedingt verhindert werden müsse. Es fällt schwer, an dieser Stelle keine Wortspiele mit dem Namen des Mannes zu machen. 

Wenn Sonderwege zu Irrwegen werden

Ist es einfach deutsche Dummheit oder Überheblichkeit, die unsere Regierungen im Land wie im Bund mal wieder Sonderwege gehen lassen? Sind die anderen europäischen Länder allesamt doof und von Unfähigen regiert, weil sie relativ konsequent – und vor allem: früher als wir - die Grenzen geschlossen und umfangreiche Ausgangsverbote beschlossen haben?

Warum schauen wir nicht auf die Maßnahmen, die in anderen asiatischen Ländern getroffen wurden? Damit ist nicht das chinesische Zuschweißen der Wohnungstüren bei Infizierten gemeint, sondern zum Beispiel die konsequenten Massentestungen (und bedarfsweisen Isolationen) etwa in Südkorea, mit denen die Neuansteckungsrate wirksam verlangsamt werden konnte.

"Wir können die Grenzen nicht schließen!“ hieß es stattdessen mantraartig aus dem Kanzleramt. Diese seit fünf Jahren behauptete “Alternativlosigkeit" ist nichts anderes als eine Lüge, wie wir mittlerweile wissen: natürlich können wir unsere Grenze schließen - aber unsere Regierung wollte das nicht.

Stattdessen bleibt jetzt, als Ultima Ratio, die Ausgangssperre. Anstatt rechtzeitig das Land abzuschotten, müssen wir jetzt jeden einzelnen Menschen abschotten. Ultima Ratio Ausgangssperre? Nein! Es hätte auch einen anderen Weg gegeben: Testen. Testen, Testen, Testen, Testen!! Massiver Einsatz von Tests mit konsequenter medizinischer Isolation positiv Getesteter. Und Quarantäne der Hochrisikogruppen.

Wie im Bund, so im Land - oder der Stadt

In Hamburg getestet werden? Probieren Sie das mal aus. Wenn Sie nicht fiebern und husten und nicht aus einem Risikogebiet kommen und/oder mit einem Infizierten Kontakt hatten … dann, ja, dann wird sich das mit dem Test für Sie leider etwas verzögern, so die Rückmeldung aus Hamburger Arztpraxen.

Gut, in Hamburg machen Bürgermeister und Gesundheitssenatorin ja auch noch Werbung für den Impfpass auf Papier. Dass es längst intelligentere und praktischere digitale Lösungen der Krankenkassen gibt, war nicht Bestandteil der Impf-Werbeaktion. Wir sind ja in Hamburg ...


Peter Tschentscher ist um die Gesundheit der Hamburger bemüht.
Foto: Senatskanzlei Hamburg

Aber wenn Sie nicht getestet werden, sind Sie in guter Gesellschaft. Oder: zumindest nicht allein. Denn in Hamburg werden auch die Menschen nicht getestet, die aus einem Flieger mit Abflug im Iran oder anderen Risikogebieten aussteigen. Die werden vielleicht beim Zoll gefilzt, aber danach: Herzlich Will… röchelräusperhüstel…kommen in der Freien und Viren-… ääh… Ansteckungs- - pardon - Hansestadt Hamburg.

Oh, ich höre schon, wie sich jetzt einige “Hanseaten” ohne zu zögern(!) darüber echauffieren werden, wie ich denn so etwas schreiben könne. Denen antworte ich: Sehen Sie sich die Steigerungsrate der Infizierten, der Behandlungsbedürftigen und der Intensivpatienten an. Und dann warten Sie eine Woche und schauen Sie sich das nochmal an. Wenn Sie das dann immer noch nicht verstanden haben, dann dürfen Sie sich auch weiter so richtig “gut regiert” fühlen.

Liebe Ischgl-Rückkehrer: Da nich für ...

Ja, ich weiß: Hanseaten halten zusammen. Dieser beinahe inzestuöse, in jedem Fall so arrogant wie dämliche, Slogan einer Hamburger Oppositionspartei wurde am letzten Ferienwochenende auch umgesetzt, nur anders: Alkoholselig lagen sich die Rückkehrer aus den Ski- und jetzt Risikogebieten mit den Daheimgebliebenen in den Armen und feierten auf dem Kiez ihr Wiedersehen.

Dass es auch andernorts sog. Corona-Partys gab, weil man als Angehöriger der jungen Generation ja vermeintlich nicht betroffen ist, zeigt nicht nur, wie wirkungslos Appelle an den gesunden Menschenverstand sind. Das bringt uns auch zu der Frage, wie weit es denn mit dem Verantwortungsbewusstsein der Generation her ist, die sich vor kurzem noch in schulschwänzender Weise Freitags (nicht in den Ferien!) aufschwang, der älteren Generation den Klima-Moral-Spiegel vorzuhalten. 

Diverse Äußerungen von "Klima-Luise" & Co. zeigen, dass sie diesbezüglich nichts verstanden haben – und erst recht nicht, was eine Exponentialfunktion ist. Mathe war wohl immer freitags ... Exponentiell dumm ist übrigens auch dieser "Lasst-die-Alten-doch-verrecken"-Sketch vom WDR.

Ganz Deutschland liegt also im politischen Entscheidungsunfähigkeitsfieber. Moment! Nicht das ganze Deutschland. Immerhin zeigen die Bayern, dass es auch anders, evtl. besser, in jedem Fall schneller gehen kann: Schulschließungen, Grenzkontrollen, Ausgangssperren. Jedes Mal waren die Bayern schneller als der Rest der Republik. Und weisen damit dem Kabinett Merkel den Weg, wie man's richtig machen kann.


Bürgermeister Peter Tschentscher auf der Corona-PK im Rathaus.
Foto: Senatskanzlei Hamburg



Das Hamburgs Erster sich öffentlich in bester Kanzlerkandidaten-Manier ohne zu zögern über den vermeintlichen Alleingang der Bayern empörte, zeigte nur, dass er nicht das ganze Land im Blick hat/te. Als Norddeutsche kann man da nur feststellen: Deiche taugen halt nicht als Feldherrenhügel.

Ein löchriges Hamburger Rettungsschirmchen 

Hinter der Handelskammer, also: im Rathaus, gibt man sich zaghaft und zögerlich. Zwar präsentierte die Troika Dressel, Brosda und Westhagemann die Rahmenbedingungen für einen Hamburger Rettungsschirm für Unternehmen und Kulturschaffende. Aber die drei Musketiere hatten kaum Pulver im Rohr und kamen nicht nur wegen der miserablen Tonqualität mehr als Ritter der traurigen Gestalt rüber.

So sollten zunächst nur Unternehmen unter dem löchrigen Schirm Schutz finden, die direkt von den Allgemeinverfügungen betroffen sind. Allen anderen wurde ernsthaft der Weg zum Sozialamt gewiesen. Erinnern Sie sich noch an den Wahlkampfslogan, dass man “die ganze Stadt im Blick” habe? Nicht mal einem Monat nach der Wahl will im Senatsgehege lieber niemand daran erinnert werden. Wir haben mal das Plakat als Beitragsmotiv ausgesucht. 

Ebenso wenig will man übrigens an die zahlreichen Versprechen zum digitalen Ausbau der Stadt erinnert werden, der jetzt bitter fehlt, weil er zu spät begonnen und dann nie umgesetzt wurde und wird. Wir sind gespannt, was das dynamische Duo IFB & Dataport mit Freischaltung des Online-Formulars für die Sofort-Hilfe abliefert. In Berlin warteten am Auftakt-Freitag 132.000 Hilfesuchende, dass es weiter geht - eventuell nächste Woche, nächsten Monat oder so.

"Hamburg hilft", so ist die Pressemitteilung unseres Senats überschrieben. In Wahrheit muss es heißen: Hamburgs Finanzsenator heuchelt. Und zwar bis zur Landespressekonferenz am Freitag, als die Bundeshilfen beschlossen wurden. Wir sind mal ganz mutig und tippen beim Beantragen der Sofort-Hilfe auf a) die Webseite der IFB bricht zusammen, b) man bietet ein PDF zum ausdrucken an und c) verzichtet man Schluss auf alle Formalitäten, wie es die Bundesagentur für Arbeit macht. 

Norddeutsch, ja, klassisch hanseatisch zurückhaltend, war man, als es um konkrete Zahlen zur Sofort-Hilfe ging: Während sich die Künstler der Stadt zur Verteilung von 25 Mio. € anstellen dürfen, wird das Schälchen für die Wirtschaft mit sagenhaften ... Achtung, Trommelwirbel! ... 10 Mio € (in Worten: zehn Millionen Euro) gefüllt. Damit will Hamburg die laut Kanzlerin “größte Herausforderung seit Ende des zweiten Weltkrieges” angehen. So, so.

Damit sind für Solo-Selbständige, sofern betroffen und auch nur dann, unglaubliche 2.500,- € vorgesehen. Einmalig. Logisch. Ist ja so vieles einmalig in “Hamburch”. Tja, liebe Solo-Selbständige, in anderen Bundesländern wärt ihr mehr Wert. In Thüringen zum Beispiel 5.000,- €, in Berlin werden ebenfalls 5.000,- € geboten (aus einem 100 Mio. €-Topf!) und in Bayern sogar bis zu 20.000,- €. Aber wir sind ja in ... richtig! - "Hamburgch"!

Eine süddeutsche Zeitung wirbt übrigens gerade: „An der Elbe wird man nur mit Substanz zur Instanz.“

Genau: Substanz. Nicht Zögern.

* * *

Mittwoch, 15. Januar 2020

HANSESTATEMENT: Die Digitalisierung wartet nicht auf Hamburg.

HAMBURG DIGITAL WAHLSTOLPERSTEIN
- von Landeskorrespondent Gerd Kotoll -

Das Hamburger Rathaus: Die Heimat der Hamburgischen Bürgerschaft.
Foto: HANSEVALLEY


Anhand der Wahlprüfsteine hätten wir gerne eine eindeutige Wahlempfehlung für das Thema Digitalisierung und Wirtschaft ausgesprochen. Am Ende sehen wir aber davon ab. Warum?

In allen Antworten auf unsere Fragen kommen von allen Bürgerschaftsparteien wohlklingende Formulierungen und Ketten nahezu unendlicher Absichtserklärungen vor. Weder in der realen Politik der noch laufenden Legislatur, noch in den Haushaltsansätzen der kommenden Jahre finden sich diese Absichten jedoch wieder.

Schlimmer noch: Anstatt eine eigene Vision und ein eigenes Bild von einem digitalen Hamburg zu entwerfen, wird verstohlen auf mehr oder weniger interessante Initiativen andernorts geblickt und diese als leuchtendes Vorbild für Hamburg angesehen. Das Hamburg der neue digitale Stadtmaßstab werden könnte, ist nicht einmal vorstellbar.

Konsequenter Weise fehlen deswegen auch Überlegungen, welche Rolle Hamburg in der Metropolregion und in Deutschland spielen kann, spielten sollte. Ebenso wenig wird angedacht, wie eine mögliche und u. E. notwendige Rolle Hamburgs innerhalb Europas aussehen könnte.

Hamburg 2020: Leuchttürme ohne Licht

Es wird deutlich, dass wir in der Hamburger Politik einen Fachkräftemangel haben: es mangelt an Menschen, die IT- und Digital-Know how im täglichen Leben anwenden und weitergeben. Das merkt man nicht nur beim regelmäßigen digital-politischen Buzzword-Bingo, sondern auch in der Umsetzung von Bürgerschaftsbeschlüssen und Senatsinitiativen: 'Alles so'n büsschen* ... aber nichts wirklich richtig.

Das ist einfach zu wenig. Erst Recht in einem Bereich, in dem nicht die Großen die Kleinen fressen, sondern die Schnellen die Langsamen. Hamburg ist langsam. Die vermeintlich digitalen Leuchttürme, die Hamburg geschaffen zu haben glaubt, ragen kaum über die Deichkrone hinaus und bieten daher auch keine Orientierung.

Allzu oft haben sie noch nicht mal Licht, das weit strahlen könnte, sondern eine (finanziell) "kleine Funzel" - siehe die halbherzige Prototypen-Förderung aus der Abteilung Spielgeld für die Games-Branche als jüngstes Beispiel.

Hamburg ist eben nicht die smarteste Stadt Deutschlands, auch wenn das in zahlreichen Reden auf den diesjährigen Neujahrsempfängen freudig erregt gern behauptet wird. Längst haben andere deutsche Städte wie Köln und selbst Karlsruhe die Hansestadt überholt.

Aber das kann und möchte man in Hamburg nicht sehen, weil nicht sein kann, was nicht sein darf. Die jüngste OECD-Studie mahnt, dass zur Abschottung reichender Selbstgefälligkeit kein Anlass besteht. Andere Bundesländer sind da schon weiter, haben die Notwendigkeit erkannt und sich auf den Weg gemacht – und das überaus erfolgreich, wie ein Blick in die schleswig-holsteinische Nachbarschaft zeigt.

Die Digitalisierung wartet nicht auf Hamburg

Wer Digitalisierung und Innovationen ernst nehmen will, muss mehr liefern, als wohlfeil klingende, jedoch inhaltsbefreite Absichtserklärungen. Dazu gehört aber eine nachhaltige Änderung im politischen Mindset: Wer ernsthaft immer noch in Wettbewerb zwischen Hochschulen und deutschen Städten denkt, anstatt kollaborativ Chancen zu entwickeln, wird üher den Tellerrand des eigenen politischen Unvermögens nicht hinauskommen.


*  *  *

 Hamburg Digital Statements: 

Digitalisierung und Stadtentwicklung
HANSESTATEMENT: Klimaschutz-App in Hamburg - auf dem chinesischen Weg?
hv.hansevalley.de/2020/02/hansestatement-klimaschutz-chinaloesung.html

Digitalisierung und Bildung
HANSESTATEMENT: Wenn Du einen toten Gaul durch die Schule reitest ... steig' ab!

Digitalisierung und Wissenschaft
HANSESTATEMENT: Das digitale Wolkenckuckucksheim. Wer hat hier die letzten 5 Jahre eigentlich regiert?
HANSESTATEMENT: Rot-Grün: Digitalstrategie? Echt jetzt?

Digitalisierung und Wirtschaft
HANSESTATEMENT: Die Digitalisierung wartet nicht auf Hamburg.

 Hamburg Digital Wahlprüfsteine: 

Digitalisierung und Stadtentwicklung
HANSEPOLITICS: Die stadtentwicklungspolitischen Wahlprüfsteine zur Hamburger Bürgerschaftswahl 2020
https://hv.hansevalley.de/2020/02/hansepolitics-stadtentwicklung-hamburg-2020.html

Digitalisierung und Verwaltung
HANSEPOLITICS: Die verwaltungspolitischen Wahlprüfsteine zur Hamburger Bürgerschaftswahl 2020

Digitalisierung und Bildung
HANSEPOLITICS: Die bildungspolitischen Wahlprüfsteine zur Hamburger Bürgerschaftswahl 2020
HANSEPOLITICS: Die forschungspolitischen Wahlprüfsteine zur Hamburger Bürgerschaftswahl 2020

Digitalisierung und Wirtschaft
HANSEPOLITICS: Die wirtschaftspolitischen Wahlprüfsteine zur Hamburger Bürgerschaftswahl 2020


Dienstag, 28. Mai 2019

HANSESTATEMENT: MOIAs Mobilitäts-Märchen - eine Zeitreise ganz besonderer Art.


Hamburg Digital Statement


Viele Hamburger wünschen sich ein weiteres Feld:
"Welche MOIA Fahrt?"
Screenshot: HANSEVALLEY

Fast 2.000 Leser über unsere Media-Outlets HANSEVALLEY.de und MEDIUM.com. Unzählige Netzwerkpartner an Alster und Elbe, die von ähnlichen Erlebnissen in ihrem Freundes- und Bekanntenkreis berichten. Und unsere Informanten bestätigen: Das Chaos bei "Moia" in Hamburg geht weiter: Fahrgäste, die durch die halbe Stadt kutschiert werden, um neue Mitfahrer abzuholen.  

Vor allem aber: Reihenweise Anfragen, die selbst mit stadtweit diskutierten Tricks für die App nicht bedient werden - und ein Pressesprecher, der Märchenstunde macht. Zeit für eine ganz besondere Zeitreise des Hamburg Digital Magazins - mit einem Mobilitäts-Märchen aus Wolfsburg, das zum Gespött Hamburger Innovatoren und Multiplikatoren zu werden droht. Gerd Kotoll ist Protagonist:

Üblicher Weise beginnen Märchen mit: „Es war einmal …“. Im Falle eines Wolfsburger Mobilitätsanbieters lautet der Einstieg ausnahmsweise „Es wird einmal …“.  Dabei wäre „Es hätte wirklich was werden können…“ der bessere Beginn unseres Märchens gewesen. Vor allem: der wahre. Von allen Mobilitätsanbietern in Hamburg ist "Moia" der Auffälligste: das liegt zum einen an den völlig überdimensionierten VW-Kleinlastern aka "E-Crafter", zum anderen an der mit Abstand auffälligen Langsamkeit, wofür offenbar eine unausgereifte Softwareplattform die Ursache zu sein scheint. 


Schaut man sich den Neuling an, ist es gar nicht innovativ und schon gar nicht service-orientiert, Menschen an virtuellen Haltestellen abzuholen, anstatt vor der eigenen Haustür. Zum anderen schafft es wirklich jeder Taxifahrer in Hamburg, mich exakt dorthin zu fahren, wo ich hin will, oft sogar ohne Navi - die heute vor allem den Weg durch Stau und Baustellen-Wirrwarr leiten und nicht etwa die mangelnde Ortskenntnis des Fahrers beheben sollen. 


Das Hauptptoblem von "Moia": Zu wenige Fahrer.
Foto: HANSEVALLEY

Anders bei Moia: hier wird auf Weisung der Software mit der einen oder anderen Runde um den Block noch eine Landeschleife gedreht, bevor der Fahrgast zumindest ungefähr dort abgesetzt wird, wo er wohl hinwollte. Vielleicht wird vorher aber noch ein anderer Fahrgast eingesammelt, was zumindest im Moment aber noch eher die Ausnahme als die Regel ist, denn ein Großteil der bronzierten Crafter transportiert nur einen Gast. 

Dabei sollte Ridesharing die öffentliche Mobilität eigentlich revolutionieren. Dieses Märchen wird aber nicht wahr - jedenfalls bisher nicht. Welch' innovative Disruptoren in Hamburg aber tatsächlich unterwegs sind (vermutlich ohne es zu wissen), kann man an den Fahrgastzahlen des HVVs ermessen: Schließlich ist Ridesharing – also: Fahrgemeinschaften bilden – dort ehernes Prinzip, denn in Bus & Bahn fahren Sie immer mit mehreren Fahrgästen in einem Fahrzeug. Und das übrigens regelmäßig schneller und günstiger als mit Moia ...



"Moia"-Pressesprecher Christoph Ziegenmeier wiegelt ab:
"Wir haben festgestellt, dass das Frontend schon sehr stabil läuft ...
und dass es keine größeren Schwierigkeiten gab."
Foto: HANSEVALLEY

'Aber sie fahren mit Strom', heißt es von standfesten Verteidigern des Corporate-Innovation-Startups. Stimmt. Das machen viele andere aber auch. Und auch nicht erst seit diesem Jahr. Hinzu kommt, dass man begründete Zweifel daran haben kann, dass elektrische Fortbewegung jenseits von Bahnen eine sinnvolle Energieverwendung ist. Hamburgs Wirtschaftssenatoren - von Frank Horch bis Michael Westhagemann - denken da schon weiter.

Ganz sicher ist es aber sinnfrei, mit einem Crafter  - ursprünglich als Transporter für Handwerker entwickelt - ein sehr viel schwereres Fahrzeug einzusetzen, dessen Kapazität zumindest bislang kaum benötigt wird. Denn der Verbrauch wird hier eben auch sehr viel höher sein, als bei einem E-betriebenen PKW als normales Taxi – das ja zusätzlich auch noch weniger Zeit benötigt, wie wir dank diverser Pressetests lernen durften.

Wir wollen an dieser Stelle nicht hinterfragen, warum ein Unternehmen mit einem derart holprigen Konzept eine Stadt als Werbefläche mißbrauchen darf, während man parallel mit Durchfahrverboten  - die ihren Ursprung letztlich beim gleichen Unternehmen aus Wolfsburg haben - versucht, die Luft sauberer zu machen. Trifft sich hier die vereinte Sinnfreiheit an Alster und Elbe? Oder wird der Bock mal wieder zum Gärtner?

Mein Fazit: An Moia ist nichts wirklich innovativ und schon gar nicht ausgereift. Mobilität schaffen andere besser und schneller. Auch das snobistische Interieur der Moia-Flotte wiegt das nicht auf. So ist dieser Dienst bestenfalls eine Stadtrundfahrt, leider als Stummfilm. Happy End geht aus meiner Sicht anders. Erst Recht, wenn es märchenhaft sein soll. 


*  *  *

 Hamburg Digital Autor Gerd Kotoll: 

Gerd Kotoll vernetzt Entrepreneure mit potentiellen Partnern und Kunden - und berichtet von ausgewählten Events und Entwicklungen im Ökosystem der Hamburger Startup-Szene. 

Als unabhängiger Makler berät und betreut Gerd Kotoll er Vereine, Verbände und Unternehmen in Fragen der betrieblichen Absicherung. Besonderen Fokus legt er auf junge Unternehmen und Startups. 

Gerd Kotoll ist Freier Autor des Hamburg Digital Magazins.

Die inhaltliche Verantwortung des Autorenbeitrags liegt beim Urheber.

 Hamburg Digital Background: 

HANSETECHTEST: MOIA - Versuchtskaninchen für Bananen-Software.
https://hv.hansevalley.de/2019/05/hansetechtest-moia-hamburg.html

Donnerstag, 23. Mai 2019

HANSESTATEMENT: Die DIN-Norm - ein "Jodeldiplom" für Startups. Im Ernst jetzt?

Ein HAMBURG DIGITAL STATEMENT 
von Gerd Kotoll


DIN-Institut in Berlin: Hauptgeschäftszweck: Normen erstellen und vermarkten.
Foto: DIN

Eine neue Idee geistert durch die Republik: eine deutsche DIN-Norm für Startups. Ein Konsortium aus Wissenschaftlern, Beratern und Unternehmen plant mit der "SPEC 91354" Jungunternehmen zu regulieren. Das Hauptargument: Mit der Spezifikation sollen die hohen Ausfallquoten bei Startups verringert werden. 

Die Diskussion ist eröffnet. Nach der ersten Welle der Kritik ruderte das Konsortium hinter der Startup-Norm denn auch gleich zurückDer Leitfaden solle Investoren, Banken oder Gremien, die über die Vergabe von staatlichen Fördermitteln entscheiden, die Urteilsfindung bei Projekten erleichtern. 

Ein Hamburg Digital Statement von Startup-Experte Gerd Kotoll:

Während am Montag dieser Woche u.a. das Handelsblatt über die neue DIN Norm SPEC 91354 berichtete und verständlicher Weise von empörter Zurückweisung auf Seiten von Gründungsexperten, weist die Gründerszene darauf hin, dass es ja alles ganz anders gemeint sei.

Die neue Norm soll ein freiwilliges Angebot sein und eher eine bessere Checkliste. Je mehr Punkte davon das Startup erfülle, desto wahrscheinlicher sei bspw. eine Finanzierung durch Banken oder Risikokapitalgeber möglich – zumindest im Grundsatz.

So weit, so gut. Wer’s glauben mag.

Ein Blick hinter die Kulissen lässt etwas Anderes vermuten: der Verein, der das DIN-Institut trägt, generiert gut zwei Drittel seines Budgets durch Dienstleistungen gegenüber Dritten, vor allem durch den Verkauf von Normen.

Für dieses Oxymoron einer Startup-Norm haben laut DIN-Institut gleich eine ganze Reihe von Partnern, darunter Ernst & Young, die TU Darmstadt, verschiedene Patentanwälte u.a. gut 18 Monate gearbeitet und in eine 17-seitige Checkliste und Leitfaden gegossen (siehe Hamburg Digital Background).

Hinzu kommt, dass den Anstoß für diesen Leitfaden angeblich ein bekannter Seriengründer geliefert haben soll, der aber nicht genannt werden möchte. Womit wir den nächsten Widerspruch hätten, da Altruismus und Gründung sonst nur aus dem Bereich sozialer oder grüner Projekte bekannt sind, wo es in aller Regel eben nicht um Skalierung geht.

Es dürfte also nur eine Frage der Zeit sein, wann die bislang kostenfreie Zertifizierung durch politische Regelungswut eine (dann natürlich kostenpflichtige) Anforderung an die Gründer werden wird.

Es ist aber genau diese wuchernde Bürokratie, diese krude staatliche Allmachtsfantasie, alles regeln zu müssen, die Gründungen in Deutschland schwerer machen als anderswo.
Wir brauchen nicht mehr Regelungen, sondern viel viel weniger. 


DIN-Broschüre: „Die Anwender profitieren mit der DIN SPEC 91354 von wertvollen Expertentipps für ihr Start-up.“

Startups werden dann besonders erfolgreich, wenn sie eben die vermeintlich ehernen Regeln des Marktes brechen konnten. Verstöße gegen Arbeitsrecht, Datenschutzvorgaben oder andere rechtliche Regulierungen sind mit der Risikominimierung in der DIN-Spezifikation aber nicht gemeint - und werden durch eine DIN-Norm auch nicht erfasst.

Mein Fazit: Startups sollen sich auf ihr Geschäftsmodell und den Vertrieb konzentrieren können und nicht auf das Ausfüllen von Checklisten und Zertifizierungsanforderungen, denn damit verdient man kein Geld. Es sei denn, man ist das Deutsche Institut für Normung.


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 Hamburg Digital Autor Gerd Kotoll: 

Gerd Kotoll vernetzt Entrepreneure mit potentiellen Partnern und Kunden - und berichtet von ausgewählten Events und Entwicklungen im Ökosystem der Hamburger Startup-Szene. 

Als unabhängiger Makler berät und betreut Gerd Kotoll er Vereine, Verbände und Unternehmen in Fragen der betrieblichen Absicherung. Besonderen Fokus legt er auf junge Unternehmen und Startups. 

Gerd Kotoll ist Freier Autor des Hamburg Digital Magazins.

Die inhaltliche Verantwortung des Autorenbeitrags liegt beim Urheber.

 Hamburg Digital Background: 

DIN-Institut: DIN SPEC 91354
https://www.din.de/blob/313462/ff9bf5d1099dc812b623ccc40d95fc50/broschuere-din-spec-91354-data.pdf

Handelsblatt: "Auch Start-ups sollen eine DIN-Norm bekommen – Gründer sind empört."
https://www.handelsblatt.com/unternehmen/mittelstand/jungunternehmen-auch-start-ups-sollen-eine-din-norm-bekommen-gruender-sind-empoert/24360404.html

Gründerszene: "Keine Angst, es wird keine DIN-Norm für Startups geben."
https://www.gruenderszene.de/perspektive/din-norm-spec-91354-startups

t3n Magazin: "DIN-Norm für Gründer: Ein Jodeldiplom für die Startup-Szene."
https://t3n.de/news/din-norm-fuer-gruender-fuer-1164827