Posts mit dem Label Tencent werden angezeigt. Alle Posts anzeigen
Posts mit dem Label Tencent werden angezeigt. Alle Posts anzeigen

Montag, 23. September 2019

Die IHK Nord in Shenzhen und Hongkong: Weckruf für die norddeutsche Wirtschaft.

HAMBURG DIGITAL AUTOREN

Die norddeutsche IHK-Delegation bei Tencent in Shenzhen.
Foto: IHK Nord

Eine Delegation der IHK Nord war vom 24. bis 31. August 2019 mit 35 Unternehmern und IHK-Vertretern aus ganz Norddeutschland in Shenzhen und Hongkong unterwegs. Unter Federführung der IHK zu Flensburg wurden im Rahmen von Unternehmensbesuchen - z. B. bei Huawai, Tencent und Royole - branchenspezifischen Gesprächen sowie Events mit lokalen Startups und Akteuren Einblicke in die Wirtschaftsmetropolen in der Greater Bay Area in China gegeben. Ein Hamburg Digital Gastbeitrag:



Shenzhen – das Silicon Valley Chinas

Shenzhen ist weltweit bekannt als das „Silicon Valley Chinas“. Die Stadt ist extrem jung und innerhalb kürzester Zeit rasant gewachsen. Noch 1980 war Shenzhen eine Kleinstadt mit rund 30.000 Einwohnern, heute zählt sie inklusive der Wanderarbeiter rund 20 Millionen Menschen. Dies ist das Ergebnis eines politischen Experiments: 

Shenzhen wurde 1980 zur ersten Sonderwirtschaftszone der Volksrepublik China erklärt. Mittlerweile ist die Stadt eine Hightech-Metropole. Durch die industriepolitische Strategie „Made in China 2025“ will das Land zur führenden Hightech-Nation aufsteigen. Bis 2025 sollen 70 Prozent der in China genutzten Elektrofahrzeuge, Roboter und Hochtechnologieprodukte auf heimischem Boden hergestellt werden. 

Huawei oder der Online-Konzern Tencent sind dabei technologische Leuchttürme. Daneben gibt es vor allem in Shenzhen tausende kleine Firmen, die mit ihren Komponenten und Erfindungen den Großen zuarbeiten. Während in anderen Ländern Gesichtserkennung, künstliche Intelligenz und Roboter oft mit Skepsis betrachtet werden, kann es in Shenzhen nicht schnell genug voran gehen auf dem Weg zur nächsten Erfindung.


Blick auf die Tech-Boom-City Shenzhen.
Foto: Simbaxu, Lizenz: CC BY-SA 4.0

China hat mit Shenzhen ein Hightech-Labor geschaffen, in dem digitale Produkte konsequent angewendet werden, so dass der Digitalisierungsgrad deutlich höher und umfassender ist als in Norddeutschland“, so Rolf-Ejvind Sörensen, Vizepräsident der IHK Schleswig-Holstein und Delegationsleiter der IHK Nord-Reise.

Bei ihrem Besuch bei Royole konnten die Delegationsteilnehmer das weltweit dünnste vollfarbige Display sowie das erste vollständig biegsame Handydisplay testen. Präsentiert wurden dort auch Wearables, d. h. flexible Displays, die z. B. auf Taschen oder T-Shirts angebracht werden können.


„Digitalisierungsgrad und Innovationsgeschwindigkeit sind sehr viel höher und umfassender als in Norddeutschland“


Transport- und Verkehrssteuerung in Shenzhen.
Foto: IHK Nord

Aus Bremen haben Dirk Schwampe (Team Neusta GmbH) und Alexander Witte (Early Brands GmbH) an der Delegationsreise teilgenommen. Auch sie zeigten sich von Umfang und der Geschwindigkeit digitaler Innovationen beeindruckt: 

Shenzhen hat sich zu einem bemerkenswerten Innovationsstandort entwickelt. Hier ist vieles bereits realisiert, was in Deutschland erst Ideen sind: Intelligent vernetzte Mobilitätsangebote im öffentlichen Nahverkehr zur Stauvermeidung in Echtzeit, spielerisches Erlernen von Programmierung und Robotik in Schulen, bis hin zur Bezahlung im Supermarkt und auf Wunsch sogar der Steuerung mittels Smartphone. 

Dabei wird in nahezu allen Industrien und Sektoren von der Bank bis zum Flughafen daran gearbeitet, innovative Services und Geschäftsmodelle zu realisieren. Es wurde sehr schnell deutlich, dass die Innovationsgeschwindigkeit sehr viel höher und umfassender ist als in Norddeutschland“, sagen Schwampe und Witte. 


Smart City Demonstration in Shenzhen.
Foto: IHK Nord

Shenzhen und China sind, so der allgemeine Eindruck der Delegationsteilnehmer, in Bezug auf neue Technologien sogenannte „innovative executors“: Neue Technologien und Produkte werden schnellstmöglich in allen Anwendungsbereichen scheinbar mit einem Minimum an regulatorischen Grenzen umgesetzt. Shenzhen verfügt daher über weitreichende Erfahrungen und Kompetenzen in der realen Erprobung dieser Technologien und Big Data-Lösungen. 


Hightechregion "Greater Bay Area".
Foto: IHK Nord
China investiert derzeit viel in Forschung und Entwicklung eigener Produkte und Dienstleistungen, um den Schritt von der Werkbank zu einer innovativen Volkswirtschaft zu schaffen. „Das schafft zum Teil beeindruckende volkswirtschaftliche Gewinne, wie etwa eine hocheffiziente Verkehrsplanung- und -steuerung – die ich mir auch in Norddeutschland wünschen würde, solange die Freiheit des Individuums gewährleistet bleibt und Auswirkungen auf die Umwelt angemessen berücksichtigt werden.“, so Sörensen.

Neben international tätigen Technologie-Konzernen wie die auch von der Delegation besuchten Huawei oder Tencent ist u.a. das Shenzhen Urban Transport Planning Center (SUTPC) - ein High-Tech Unternehmen im Feld der innerstädtischen Verkehrsforschung - ein weiterer innovativer Player in der Region. SUTPC bietet Dienstleistungen zur Verkehrsüberwachung, -planung und -steuerung für über 100 chinesische Städte an. Dafür werden täglich rund 750 Millionen Datensätze mit innovativen Softwarelösungen analysiert.

Das Unternehmen Shenzhen Haylion Technologies hat sich auf intelligente Fahrtechnik-Innovationen für Bus-, Konzeptproofing- und Industrialisierungsentwicklung spezialisiert. Zu den Kernkompetenzen gehören autonom fahrende Fahrzeuge und E-Busse. Shenzhen ist eine Beispielregion für E-Mobilität. Sämtliche Busse, Taxen und Lieferdienste fahren rein elektrisch. Doch auch in anderen Bereichen startet China durch: 


Demonstration bei Roboticsspezialisten Ubtech.
Foto: IHK Nord

Bei Ubtech Robotics - einem Unternehmen, das in der Forschung und Entwicklung von künstlicher Intelligenz und deren Anwendung in der Robotik weltweit im Spitzenfeld ist  - lernten die norddeutschen Unternehmer u.a. humanoide Roboter mit unterschiedlichen Funktionen, z.B. im Bildungsbereich, für den Sicherheitsbereich, für häusliche Anwendungen und als Spielzeug kennen. 

Hier wird deutlich: Wachstum und Wertschöpfung erfordern bereits heute innovative Services und Geschäftsmodelle, die digitale Technologien zum Vorteil des Kunden einsetzen. Und dies gilt sowohl für herstellende Betriebe und Händler als auch für Dienstleister – in China wie in Norddeutschland.


Spontaner Empfang des Bürgermeisters Ai Xuefeng von Shenzhen

Offizieller Empfang des Bürgermeisters von Shenzhen.
Foto: IHK Nord

Innovation braucht Spontanität - dieses Motto lebt auch der Bürgermeister von Shenzhen, Ai Xuefeng, und empfing auf Vermittlung von Delegationsmitglied Leon Wankum spontan eine Abordnung der IHK Nord-Delegation. Ai Xuefeng regte Gespräche über eine Innovationspartnerschaft zwischen der Shenzhener Greater Bay Area und Norddeutschland an. 

Themen von besonderem Interesse sind Erneuerbare Energien, Elektromobilität, Industrie 4.0 und Logistik. Shenzhen sucht zudem Partner im Norden, um das deutsche duale Berufsbildungssystem in Shenzhen zu implementieren. Delegationsleiter Rolf-Ejvind Sörensen sprach sogleich eine Einladung für die „Standortkonferenz Norddeutschland“ der IHK Nord am 7. November in Lübeck aus, die dankend angenommen wurde.


Hongkong: Brücke zwischen Festlandchina und dem Rest der Welt

Die chinesische Sonderwirtschaftszone Hongkong.
Foto: Ralf Roletschek, Lizenz: CC BY 3.0

Nach drei Tagen Shenzhen ging es für die Teilnehmer weiter nach Hongkong. Wolfgang Niedermark, Delegierter der deutschen Wirtschaft von der AHK Hong Kong, und David Schmidt vom deutschen Generalkonsulat Hongkong erläuterten die aktuellen politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen. 

Auch in Hongkong machen sich die wirtschaftlichen Auswirkungen des Handelskrieges zwischen den USA und China langsam bemerkbar. Neben der Rolle als führendes Handels- und Finanzzentrum ergibt sich Hongkongs wirtschaftliche Bedeutung vor allem aus seiner Stellung als Brücke für den wirtschaftlichen Austausch Festlandchinas mit dem Rest der Welt. 

Die Motive für die Handelspartner zur Nutzung Hongkongs liegen dabei vor allem in geringeren Informationskosten, Rechtssicherheit, der Ausnutzung von Steuer- und Abgabenvorteilen, der guten internationalen Vernetzung und dem hohen technischen Know-how. 


Zu Gast in Digital Mobility Hub von Siemens.
Foto: IHK Nord

Know how, dass zum Beispiel im Siemens Digital Mobility Hub genutzt wird, einer gemeinsamen Initiative der Hongkong Science and Technology Parks Corporation (HKSTP) und Siemens Limited, die darauf abzielt, die Entwicklung von Smart-City-Anwendungen und Lösungen spezifisch für Hongkong zu beschleunigen. 

Der Hub ist als Open Lab konzipiert und umfasst ein Smart Mobility Testbed sowie ein Smart Energy Lab, das Experten für die Durchführung von Forschungs- und Entwicklungsaufgaben in den Bereichen Datenanalyse, IoT, Konnektivität, intelligente Gebäude, intelligente Energie und intelligente Mobilität zur Verfügung steht. Es bietet damit Start-up-Unternehmen und Infrastrukturanbietern eine Plattform. 

Abschließend: Die Erkenntnisse der Reise Insgesamt wurde deutlich, dass die USA und China derzeit die unbestrittenen Pole der digitalen Welt bilden. China setzt hierbei mit seiner großen Binnenmarkt-Macht und 1,3 Mrd. Menschen mittlerweile auch Standards, wie z.B. Huawei bei der 5G-Technologie. Dabei spielen europäische oder norddeutsche Bedürfnisse eine immer geringere Rolle. 

Um in der weltweiten Wirtschaft weiterhin global oben mitspielen zu können, werden gemeinsame europäische Ansätze sowie internationale Kooperationspartner benötigt, wie sie die IHK Nord bereits auch auf vorherigen Delegationsreisen nach Israel als führende Nation im Bereich der Cybersecurity oder Estland mit digitalen Lösungen im Bereich des E-Governments kennengelernt hat. Bei einer Zusammenarbeit mit China sollte vorab definiert werden, welche Bereiche für eine Kooperation in Frage kommen - eine technologische Abhängigkeit sollte dabei allerdings vermieden werden.


Karikatur in der Puck vom 23. August 1899: „Uncle Sam“ steht auf einer Karte von China, 
die von europäischen Staatsoberhäuptern zerschnitten wird, und sagt:
„Gentleman, Sie können diese Karte so oft zerschneiden, wie Sie möchten, aber bedenken Sie,
 dass auch ich hier bin, um zu bleiben.“
Grafik: J.S. Pughe, Library of Congress, Washington. Lizenz: gemeinfrei

Auf europäischer Ebene müssen schnell Antworten auf die wirtschaftspolitische Fragestellung gefunden werden, ob und unter welchen Standards der Vorsprung von China und den USA im digitalen Bereich aufgeholt werden kann. Hierbei kann eine engere Partnerschaft der norddeutschen Wirtschaft mit Unternehmen aus der Greater Bay Area rund um Shenzhen und Hongkong für wichtige Impulse für die Entwicklung des Standortes Norddeutschland sorgen. 

Die norddeutschen Kammern arbeiten weiter an entsprechenden Verbindungen, auch um beispielsweise Exportchancen für norddeutsche Umwelt- und Erneuerbare Energien-Technologie zu sichern. Warum dies wichtig ist, zeigt ein Blick nach Hongkong, das mit ähnlichen Herausforderungen wie Norddeutschland zu kämpfen hat: 

Eine relativ stark alternde Gesellschaft mit einem wirtschaftlichen Fokus auf Branchen, wie Handel, Logistik oder Finanzen, die noch stark auf traditionellen Geschäftsmodellen basieren sowie einer verhältnismäßig geringen Industriequote. 

In Hongkong beträgt der Anteil der verarbeitenden Industrie am Bruttoinlandsprodukt laut Außenhandelskammer heute nur mehr knapp 3 % - jährlich um 9 % sinkend. Dabei gerät Hongkong durch die starke Konkurrenz des nahe gelegenen Shenzhen bei Startups und der Ansiedlung von innovativen Unternehmen ökonomisch immer mehr ins
Hintertreffen.

 Hamburg Digital Background: 

Ausführlicher Reisebericht:
www.ihk-nord.de/china

Hongkong in der Wikipedia:
https://de.wikipedia.org/wiki/Hongkong

Shenzhen in der Wikipedia:
https://de.wikipedia.org/wiki/Shenzhen

China in der Wikipedia:
https://de.wikipedia.org/wiki/China

 Hamburg Digital Autoren: 



Die IHK Nord ist der Zusammenschluss 12 norddeutscher Industrie- und Handelskammern aus Niedersachsen, Bremen, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein. Sie vertreten knapp 700.000 Unternehmen in Norddeutschland und stützen sich auf rund 20.000 ehrenamtlich engagierte Unternehmer. Arbeitsschwerpunkte sind die Maritime Wirtschaft mit dem Schwerpunkt Infrastruktur und Seeverkehr, die Energie- und Industriepolitik, der Tourismus, die Ernährungswirtschaft und die Außenwirtschaft. Weitere Informationen unter www.ihk-nord.de

Rückfragen:
Dr. Malte Heyne, IHK Nord e. V., Telefon (0)40 / 3 61 38-459, heyne@ihk-nord.de

Die inhaltliche Verantwortung des Autorenbeitrags liegt beim Urheber.