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Donnerstag, 19. Januar 2017

HANSEBUSINESS: "About Frust" - Einmal Online-Katastrophe und Retoure.

Quizfrage: Wenn Sie 3 Tage in Hamburg Gespräche mit Netzwerkpartnern, der Handelskammer und Digitalunternehmen führen, was passiert dann mit Ihrer Bestellung bei einem Hamburger E-Commerce-Anbieter, verpackt im Hamburger Logistikzentrum, verschickt mit dem Hamburger Paketdienst aus dem Hamburger Konzernverbund? ... Sie ahnen es: Es passiert nicht das, was passieren soll.


Ausnahmsweise mustergültiger Hermes-Bote im Einsatz.
Foto: Hermes
Bevor jetzt ein sympathischer Pressesprecher von "äußerst seltenen und bedauerlichen Einzelfällen" spricht: Die Otto-Group versemmelt das mit About You, Hermes Fulfillment und dem hauseigenen Paketdienst in den letzten 4 Wochen gleich in Serie. Ob Hamburger Regenjacke oder neue Sneakers: Otto macht aus "About You" zielsicher "About Frust" aka "About Fail". Glückwunsch an Hermes in der Essener Straße für den "Peinlichen Paketboten" in Gold.

Auch das ist klar: Die meisten Paketboten stellen korrekt zu, die meisten Sendungen kommen unbeschädigt an, der Online-Handel funktioniert meist reibungslos. Aber, Moment mal! Irgendwas ist doch "faul im Staate Dänemark"? Das Verbraucher-Portal "Paket-Ärger" hat im vergangenen Jahr mehr als 6.500 Beschwerden frustrierter Paketempfänger aufgenommen.

"Da können Sie alle in einen Sack stecken ... und treffen keinen Falschen."

Beim Paketboten-Fussball-Finale "abgeschossene" Kaffeemaschinen, an der Haustür pöbelnde Paketfahrer, in Mülltonnen abgeworfene Sendungen, verweigerte Zustellung im 4. Stock, fehlende Benachrichtigungskarten am laufenden Band oder das Paket gleich in der nächste Postbank-Filiale deponiert: Die eigenen Erfahrungen jedes HANSEVALLEY-Lesers und die der Verbraucherzentralen sind nahezu unerschöpflich.


Olaf Scholz bekam sein Paket ohne zur Postbank zu müssen.
Foto: DHL
Die Folgen der  "Loser-Leistung" auf der letzten Meile: Stundenlanges Warten in endlosen Schlangen bei der "Ich-steh-mir-die-Beine-in-den-Bauch-Bank" - vormals bekannt als "Unterm-Strich-steh-ich-Bank" -, unfähige, unwillige oder pampige Call-Center-Agenten mit falschen oder widersprüchlichen Aussagen, die gern mal - wie bei Hermes - den Telefonhörer auflegen. Und im schlimmsten Fall auf nimmer Wiedersehen verschollene Pakete.

Eine engagierte Amazon-Supporterin sagte dazu vor Kurzem am Telefon: "Da können Sie alle in einen Sack stecken ... und treffen keinen Falschen." Womit wir wieder beim beliebten Hamburger Großversandhaus, seiner beliebten E-Commerce-Tochter und dem "abgöttisch geliebten" Paketversender aka "Hausfrauenversand" sind - nennen wir ihn korrekterweise Hermes Germany (damit die polnischen und türkischen Billigfahrer in Berlin wenigstens verstehen, für wen sie schuften).

Der Hamburger Marketing- und Handelsexperte Dirk Ploss - mehrere Jahre bei unserem "gebashten" Großversandhaus im Online-Marketing tätig und aktuell für das Multichannel-Marketing von Beiersdorf zuständig - bringt es im HANSEPERSONALITY-Interview letzte Woche auf den Punkt: 

"
In Ottensen spart sich Hermes gleich ganz die Boten.
Foto: Hermes
Gerade bei Versanddienstleistern würde ich mir zuweilen die Option wünschen, “Alles außer X” ankreuzen zu können. Nach meinem Eindruck kann die gesamte Logistikbranche nicht mit dem Wachstum der Anforderungen mithalten.


Das finde ich sowohl als Kunde als auch aus professioneller Sicht sehr schade, da diese “letzte Meile” zum Kunden mit die wichtigste in der gesamten Wertschöpfungskette ist."

Also Thema "Sack und Keule". Und damit wir uns stundenlange Diskussionen mit 2nd-Level-, VIP- und Vorstands-Supportern sparen können: Ja, ich war zu Hause. Ja, mein Namensschild ist lesbar. Ja, die Klingel funktioniert. Und: Ich wohne laut Hermes PaketRadar nicht einmal in einem "Paket-Ballungsraum". Warum versemmeln es DHL, DPD, GLS, HLG und UPS dann systematisch auf der zitierten "letzten Meile"? Die Antwort ist eigentlich ganz einfach:

Kundin Lynn A. aus Hamburg: "Hermes versaut alles."

Selbständige Hermes-Fahrer verdienen laut Berichten nicht viel mehr als 50 Cent pro ausgeliefertem Paket. Nach Abzug aller Kosten bleiben ihnen für die anstrengende Akkordarbeit mit Paketen von 30 kg und mehr gerade einmal 5,- € pro Stunde. Dafür schufften sie von früh Morgens bis 21.00 Uhr abends, um alle Sendungen loszuwerden. Und jetzt dürfen wir zusammen raten, warum es immer mehr Paketboten schlichtweg "sch..ss egal" ist, ob wir unsere neuen Sneakers bekommen, oder nicht.


Paketabholung @ "Ich-steh-mir-die-Beine-in-den-Bauch-Bank"
Foto: Instragram @thomaskeup
Wenn ein Journalist um die Ecke kommt, haben sich die Paketriesen einen kuscheligen "Pampers-Support" ausgedacht, um nicht täglich am Pranger zu landen: Die Pressestellen leiten Beschwerden in den 2nd-Level-Support weiter, bei DHL "Vorstands-Support" genannt. Dort würgen besonders freundliche Mitarbeiterinnen "weich & wirkungsvoll" jede Katastrophe ab. Wer sich besonders laut beschwert, bekommt bei Hermes seine Sendung dann auch mal per Kurier innerhalb von 60 Minuten zugestellt, natürlich von einem mustergültigen Kurierfahrer.

Der "Kuschel-Support" für Ärger-produzierende VIP-Kunden zeigt, dass System dahinter steckt: "Vorne hui, hinten pfui." Imageträchtige Elektro-Fahrzeuge mit Olaf Scholz auf dem Rathausmarkt (DHL), und medienwirksame Zustell-Roboter von Tech-Startups in Ottensen (HLG) auf der einen Seite, outgesourcte Paketfahrer in prekären Arbeitsverhältnissen und dadurch zunehmend unterirdische Lieferqualität auf der anderen Seite. Das ist die Realität bei den Hermes- wie bei den Postboten.

Ein Blick in die Presseerklärungen der Versender zeigt, worum es wirklich geht: Ausbau des eigenen Logistiknetzwerks durch Übernahme europäischer Wettbewerber, strategische Kooperationen mit umsatzstarken Großkunden und Steigerung der Stückzahlen. Es ist der Kampf der Giganten um ihre Renditen. Die Konzerne dahinter: Die deutsche DPD der französischen La Poste, der Staatsriese Deutsche Post DHL, die holländische GLS der Royal Mail UK, die HLG der Otto Group und der US-Riese UPS.


Versender GLS erobert Europa mit dem Sprinter ...
Foto: GLS
Und die Moral von der Geschicht'? Solange wir online Schnäppchen jagen und das bequemer ist, als sich am Samstag über die Spittaler Straße zu schieben, werden wir online shoppen - inkl. aller Katastrophen an der Haustür und in der Postbank. Und alternativ vor Ort einkaufen, z. B. im Alsteral Einkaufszentrum, im Billstedt Center, im Elbe Einkaufszentrum in der Europa-Passage oder in der Hamburger Meile? Leider finden sich in den Geschäften der zur Otto-Tochter ECE gehörenden Center ebenfalls fast nur noch angelernte Aushilfskräfte. Aber das ist ein anderes Thema ...


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