"Erfolgreich im modernen Dreikampf." Mit dieser Headline öffnet der "Marketing Innovation Day" 2017 von Deutschem Marketing Verband und der Wirtschaftshochschule HSBA in 10 Tagen in der Handelskammer seine Pforten. Mehr als 1 Dutzend namhafter Sprecher bringen die digitalen Herausforderungen von Marketing, Sales und IT auf die Bühne. Am 12. Juli bleibt nichts verborgen - von Mind-Set und Kollaboration über Fachwissen bis zum Zeitmanagement.
Marketing-Präsident Prof. Dr. Ralf Strauß Foto: DMV / Thorsten Schmidtkorn |
Sie sind langjähriger Marketing-Experte - u. a. bei SAP und Volkswagen -, Geschäftsführer einer Marketing-Beratung und Präsident des Deutschen Marketing Verbandes. Sind sich die verantwortlichen Mitarbeiter in den Marketing- und Vertriebsabteilungen Hamburger und bundesweiter Unternehmen der Herausforderungen durch die Digitalisierung bewusst?
Absolut, ja! Die Frage ist ja eine andere: Es dreht sich in den Augen der meisten Unternehmen ja mehr darum a) zu verstehen, was die vielen Begriffe denn tatsächlich alles bedeuten und b), wie diese Konzepte jeweils auf den unternehmensspezifischen Anwendungskontext übersetzt werden können. Und dies im Spannungsfeld zwischen den seit vielen Jahren etablierten Funktionsbereichen Marketing, Vertrieb und IT, den wir ja auch im Rahmen des Marketing Innovation Days aufgreifen werden. Da gibt es auch wenig Unterschiede zwischen dem Mittelstand und größeren Unternehmen.
In welchen Wirtschaftsbranchen sehen Sie mit Ihrer Erfahrung als Marketing-Manager - aber auch als Präsident des Marketing-Verbandes - rundherum ordentlich erledigte Hausaufgaben in Sachen Digitalisierung des Marketings und des Vertriebs? Und in welchen Branchen würden Sie eher mit Alarm-Glocken schellen?
Aus mehr als 40 Projekten und Workshops zum Thema "Best Practices Digitale Transformation" kann man eigentlich sagen, dass es hier keine klare Trennung gibt – beispielsweise gibt es Konsumgüterhersteller, welche Marketing und Vertrieb schon sehr weit digitalisiert haben, gleichzeitig im gleichen Branchensegment wiederum Unternehmen, die hier erst ganz am Anfang stehen. Der größte Hinderungsgrund: Oftmals sind in der Vergangenheit Projekte im Spannungsfeld zwischen Fachbereichen und IT alles andere als erfolgreich gelaufen. Was teilweise für eine nur gedämpfte Euphorie sorgt.
HSBA-Marketing-Professor Dr. Ralf Strauß Foto: DMV |
Am liebsten wollen alle alles auf einmal, und das morgen. Teilweise geht es zuerst einmal darum, Hausaufgaben zu machen und ein CRM-System einzuführen oder anhand einer Zielgruppenmatrix zu verstehen, welche Kunden und Interessenten am besten über welche Kanäle zu erreichen sind. Oder aber es geht um Performance Marketing bis hin zum Programmatic Advertisement. Das Spektrum an Themen ist ehrlich gesagt komplett unterschiedlich und reicht bis in die IT-Strategie hinein – also die Frage, wie schrittweise moderne IT-Anwendungsarchitekturen realisiert werden können.
Wenn es ein 'One fits all' für die Digitalisierung des Marketings und des Vertriebs für mittelständische wie größere Unternehmen nicht gibt, welchen Weg empfehlen Sie open-minded Entscheidern? Gibt es so etwas wie einen Fahrplan, der helfen kann, die großen Veränderungen systematisch und schrittweise anzupacken?
Aus der Vielzahl an Projekten und Workshops zeigt sich immer wieder, dass es auch hier auf einen Mix ankommt: auf der einen Seite mit anderen Unternehmen auszutauschen und anhand von Best Practices zu lernen, auf der anderen Seite einmal strukturiert das eigene Unternehmen im Rahmen eines Digital Audits zu durchleuchten, die eigenen Handlungsfelder herauszuarbeiten und im Einzelnen mit Best Practices zu vergleichen.
Gehen wir noch einen Schritt weiter: Große Unternehmen wie die Otto Group sprechen von einem "Kulturwandel 4.0", um die eigene Organisation mit 50.000 Mitarbeitern in die digitalisierte Geschäftswelt mitzunehmen. Wo würden Sie als Marketing-Berater in einem Unternehmen anfangen: bei der Kultur, bei den Prozessen oder gar bei den Tools?
Von dem bekannten Management-Professor Peter Drucker gibt es das wahre Wort: 'Culture eats Strategy for Breakfast'. Mit anderen Worten: Wir können uns noch so tolle Strategien überlegen, wenn die Kultur und interne Widerstände deren Umsetzung verhindern, werden wir kaum erfolgreich sein. Daher empfehle ich immer einen Zangenangriff: Auf der einen Seite aus der Sicht des Fachbereichs einmal strukturiert die Handlungsfelder herausarbeiten.
Dazu den Abgleich mit der bestehenden IT-Applikationslandschaft durchführen, dies zu sekundieren mit einer Analyse der - bestehenden vs. erforderlichen - Kompetenzfelder und schließlich der Kultur. Damit verbunden also die Frage aufgreifen, wie bislang Projekte durchgeführt worden sind und was hier jeweils gut oder schlecht gelaufen ist. Oftmals ist die Digitalisierung auch ein guter und willkommener Anlass und "Feigenblatt“, langjährig etablierte Strukturen und Prozesse aufzuräumen.
Lassen Sie uns an dieser Stelle einen Blick in die Glaskugel wagen: Online Marketing, Performance Marketing, Programmatic Marketing und Content Marketing? Was erwartet die Marketer Hamburger und deutscher Unternehmen als Nächstes und welchen Trend finden Sie persönlich mit Ihrer Erfahrung besonderes interessant?
Ich weiß nicht, welcher Trend absehbar vorherrschend sein wird. Ich denke nur, dass die Beherrschung des Dreikampfs, den wir diskutieren, uns noch in der Grundstruktur lange erhalten bleiben wird. Damit geht es weniger um den nächsten heissen Trend, als vielmehr darum, Strukturen und Prozesse zu schaffen, welche die nächsten Trends und Entwicklungen aufnehmen können.
Zu guter Letzt unsere traditionelle Hamburg-Frage: Wo sehen Sie als Marketing-Repräsentant, als Marketing-Ausbilder und Marketing-Berater die Chancen in der Digitalisierung der Hamburger Wirtschaft und wo sehen Sie besondere Herausforderungen, womöglich die "Schlafende Schöne" aus ihren Träumen reißen zu müssen?
Ich denke – und das ist kein Hamburger Phänomen – wir müssen alle Themen im Umfeld Digitalisierung strukturiert und professionell angehen. Hierzu brauchen wir erfahrene Projektmanager und Best Practices. Was mir eher Sorge macht, sind Social Media-Agenturen, die versuchen, mit den Unternehmen Geschäftsprozesse und IT-Applikationslandschaften unter dem Label „Digitale Transformation“ zu diskutieren.
Die hier produzierte heisse Luft entweicht aus den Projekten meist sehr schnell und das Projekt erfährt ein Reboot ... verbunden mit hohen Kosten und Frustpotential auf der Seite der handelnden Akteure. Kommunikation, Austausch und Lernen aus Best Practices - wie auf dem Marketing Innovation Day - ist das Gebot der Stunde.
Vielen Dank für die direkten Worte!
Das Interview führte Thomas Keup.
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Hamburg Digital Background:
Marketing Innovation Day Hamburg, 12. Juli 2017
http://www.marketingverband.de/veranstaltungen/marketing-innovation-day/
Prof. Dr. Ralf Strauss beim Deutschen Marketing-Verband, DMV
http://www.marketingverband.de/der-dmv/vorstand/
http://www.marketingverband.de/der-dmv/vorstand/
Prof. Dr. Ralf Strauss an der Wirtschaftshochschule HSBA
https://www.hsba.de/hsba/unsere-hochschule/team/professoren/prof-dr-ralf-strauss/
Ihr Hamburg Digital Marketing _____________________________________________
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