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Montag, 11. Mai 2020

HANSESTATEMENT: Nach Kahrs und Corona: Hamburgs Vertreibung aus dem Paradies.

HAMBURG DIGITAL STATEMENT
- von Chefredakteur Thomas Keup -
* Update 06.06.2020 *


So hat sich Hamburg noch 2016 in Göteborg selbst vermarket.
Foto: Hamburg Marketing Mediaserver / Hamburg Convention Bureau

Er geht. Johannes Kahrs will und darf nicht mehr. Der SPD-Strippenzieher nimmt seinen Hut. Eine viel diskutierte Personalie ist Geschichte. Ich habe den Geldbeschaffer für SPD-Prestigeprojekte nie persönlich kennengelernt. Ich hatte auch kein Bedürfnis dazu. Denn Johannes Kahrs gehört zu einer Kategorie Politiker, die in der Hauptstadt mit dem Mauerfall vor 30 Jahren ihre Bedeutung verloren hat. Als Berliner kannte ich Peter Kittelmann, Bundestagsabgeordneter aus Tiergarten, Geldbeschaffer für CDU-Prestigeprojekte, graue Eminenz hinter einem Regierenden Bürgermeister mit "fliegenden" Kreisverbänden. Kahrs wie Kittelmann stehen für eine Generation von Strippenziehern in Hinterzimmern. 

Als ich im Sommer 2016 nach Hamburg kam, ahnte ich eines nicht: Bis zur Corona-Krise funktionierte die Freie und Hansestadt wie die Mauerstadt Berlin. Eine Einheitsgemeinde, in der sich Lokalpolitiker, Baulöwen, Banker und Polizeipräsidenten im Puff trafen. Als Redakteur beim einflussreichsten Radiosender der Neunziger war ich mittendrin, nicht nur dabei: Pressetermin in genau jenem Puff am Olympiastadion, Audienz bei genau jenem Banker, der Immobilienkredite auf Empfehlung des "Regierenden" vergab und mit politischen "Freunden", die schon mal eine Pressekonferenz verschoben, bis das Hauptstadtradio auch da war. Willkommen im Dorf.

Hamburg im Wachkoma. Norddeutschland auf dem Weg.


Hamburg vom Stadtpark aus der Luft betrachtet.
Foto: Hamburg Marketing Mediaserver / Doublevision

Anfang diesen Jahres begannen wir, HANSEVALLEY zu relaunchen: Seit Januar 2020 berichten wir aus dem ganzen Norden - aus beiden Freien (und) Hansestädten und allen drei norddeutschen Flächenländern. Die Entwicklung hat uns Recht gegeben: Die täglich drei Hanse Digital Nachrichten haben bundesweite Qualität, Niedersachsen und Schleswig-Holstein laufen digital vorne weg, Mecklenburg-Vorpommern und Bremen holen auf. Und Hamburg? Anfang des Jahres fragte ich mich: Was muss passieren, damit Helmut Schmidts "schlafende Schöne" aus ihrem digitalen Wachkoma kommt? Für mich war das "Digitale Hamburg" Anfang 2020 mehr oder weniger - sagen wir mal - "relativiert".

Plötzlich ist nichts mehr, wie es war: Die alten Geschäfte stehen still. Die alten Lieferketten brechen auseinander. Die alten Seilschaften funktionieren nicht mehr. Die feinen Kaufleute können gar nicht schnell genug nach der Soforthilfe greifen. Und wie im Rest der Republik rufen Wirtschaftsverbände an Alster und Elbe nach einer schnellen Öffnung. Nur das übliche Unternehmerjammern wie in der Finanzkrise? Nur eine oft geübte Show, um möglichst viele Staatsgelder möglichst billig abzugreifen? Bei einigen sicherlich. Aber der Shutdown von Wirtschaft und Gesellschaft hat noch einen anderen Effekt: Die Beschleunigung der globalen Veränderungen - mit Digitalisierung und Nachhaltigkeit.

Nichts lag näher als geschlossene Haspa-Filialen.

Fernab gefühlt hunderter mehr oder weniger inhaltsgeschwängerter Podcasts von mehr oder weniger interessanten "Sabbelbacken" und digital-verpacktem Marketing-"Gedödel" passiert in Hamburg gerade einiges, das wir die kommenden 10, 20, 30 Jahre nicht vergessen werden. Da bröckelt der schöne Schein einer "Haspa" und das Branchenmedium "Finanz-Szene" offenbart, dass die größte deutsche Sparkasse alles andere als gut dasteht. Nicht wegen Corona - sondern auf Grund des weggebrochenen Zinsgeschäfts, eines nicht mehr funktionierenden Kreditersatzgeschäfts und fehlender Dynamik beim Umbau zum Digitalplayer der nächsten Generation.


Mit Papier und Schließfächern gegen Challenger Banken.
Foto: HANSEVALLEY

Schon im Herbst vergangenen Jahres fragten wir uns in der Redaktion: Kann eine Stadtteil-App "Kiekmo" mit angeschlossenen Lokal-Events den digitalen Trend eines durch die Bankenkrise zerrütteten, durch Regularien konsolidierten sowie digitalisierten Bankenmarkts aufhalten? Kann eine Jugend-App "Aino" den Trend zu Challenger- aka Neobanken wie "N26" und "Revolut" oder "Kontist" und "Penta" bei Privat- wie Geschäftskunden verhindern? Und wir fragten uns, wo die "Haspa" all die Milliarden von Euro verdient? Mit dem Corona-Lockdown dürfte das bislang funktionierende Immobilien- und Handelsgeschäft weitere Probleme mit sich bringen.

100% Hamburg - und schön den Schein wahren. 

Die "Haspa" steht für eine Kultur, eine Stadt und ihre Wirtschaft: 100% Hamburg, 150% engagiert - und bloß nicht durchscheinen lassen, dass etwas nicht stimmen könnte. Genauso geben sich der "Erste" und seine Senatoren bei der wöchentlichen Pressekonferenz im Rathaus: 'Wir haben in Hamburg schon sehr früh reagiert. Wir sind in Hamburg - auch im internationalen Vergleich  - führend'. Diese "Großkotzigkeit" hat mich schon die letzten 1,5 Jahre bei Senator "Westwasserstoffman" angewidert. Ein Blick auf den ganzen Norden zeigt: Hamburg ist in der Corona-Krise überhaupt nicht "führend" - manchmal sogar Wochen hinterher. Gerade hat das Land Berlin mit der "Soforthilfe IV" ein Finanzpaket über 30 Mio. € für Kulturbetriebe angeschoben - mit bis zu 500.000,- € pro Betrieb. Und Niedersachsen unterstützt kleine Kulturbetriebe mit insgesamt 2,5 Mio. €. Und Sie, Herr Brosda? Ach, vergessen wir's ...

Wenn man seit dem 9. März - und damit seit nunmehr rd. 2 Monaten - im Home Office sitzt, täglich mehrere hundert Pressemeldungen aus ganz Nord-/Deutschland sichtet, Fotos aus 540 Themen aussucht, wöchentlich 18 Hanse Digital Nachrichten bringt und die Chance hat, Hamburg mit wohlwollender Sympathie zu vergleichen, komme ich immer wieder zu einem Ergebnis: Hamburg ist wie das alte (West-)Berlin: nach außen verschlossen - sei es durch eine Berliner Mauer oder eine Mauer in den Köpfen. Hamburg wird wie das alte (West-)Berlin regiert: von einem Club Lokalpolitiker, die sich im Bezirk Mitte über Jugendhilfemittel Seilschaften gesponnen haben (vgl. Johannes K.) und auf PR-Events Quietschentchen angeln (Nicht wahr, lieber Andy?!).

Die "OMR" - Ein Mittelpunkt des digitalen Universums?


Hamburg vom Steinweg-Terminal aus der Luft gesehen.
Foto: C. Steinweg 

Keine Frage: Lokalpolitiker und Provinzfürsten gibt es zwischen Nord- und Ostsee mehr, als wir befürchten. Aber ich spreche von einer Stadt mit fast 2 Mio. € Einwohnern und 1 Mio. Angestellter. Ich spreche von einer Stadt mit überalterter Wirtschaft in traditionellen Dienstleistungsbranchen, von einer Stadt, in der Digitalisierung gern als Feigenblatt in Sonntagsreden missbraucht wird, in der man die "Online Marketing Rockstars" für den Mittelpunkt des digitalen Universums hält, sich als "digitaler Vorreiter" im Kammer-Magazin abfeiern lässt und mit - ich wiederhole mich - sinnbefreiten Podcasts selbst beweihräuchert. Schließlich sind wir in der deutschen Podcast-Hauptstadt. Und das ist wirklich ein schlechter Scherz.

Die Corona-Kehrseite außerhalb des bisherigen Paradieses der "Vermögensillustion" Stand Mai 2020: 84.400 Menschen ohne Arbeit, eine auf 7,9% gekletterte Arbeitslosenquote - im Norden nur knapp hinter Mecklenburg-Vorpommern. 23.000 Betriebe an Alster und Elbe haben Kurzarbeit beantragt, fast 349.000 Angestellte sind betroffen, haben nur noch 60% ihres Lohns in einer der teuersten Städte Deutschlands in der Tasche. Das sind rd. 29% aller Angestellten in der schönsten Arbeitslosenstadt der Welt. Und die Krise ist gerade mittendrin. Das laufende Quartal wird das ganze Ausmaß offenbaren und Ende September d. J. läuft der Kündigungsschutz aus. Vor 2021 wird es kaum einen Aufschwung geben, sagt HWWI-Chefökonom Prof. Dr. Henning Vöpel.

Otto Group eingekeilt zwischen Amazon und Alibaba.

Die Lage der Hamburger Wirtschaft ist dramatisch“, betont Prof. Norbert Aust, neuer Präses der Handelskammer Hamburg. 3/4 der rd. 160.000 Hamburger Gewerbebetriebe befürchten Einbrüche durch die Corona-Krise. Das sind 120.000 Betriebe. Der Geschäftsklimaindex ist auf 38,6 Punkte abgestürzt - gegenüber 108,3 zum Jahreswechsel 2019/2020. Selbst in der Finanzkrise lag der Index mit 72,2 doppelt so hoch. Im Klartext: Einbruch in der Logistik von 80,4 auf 24,4 Punkte und - unfassbar - im Gastgewerbe von 115,8 auf 4,8. 55% der Gastronomen müssen laut Umfrage der Universität Osnabrück auch privat den Euro 2x umdrehen. Womit wir bei der Frage sind: Wie wird Hamburg die Krise überstehen?

Um einen Ausblick wagen zu können, bedarf es einer schonungslosen Analyse:


Der Online-Händler ist mitten im Umbau zum Digital-Player.
Foto: HANSEVALLEY

1. Die Handelsmetropole bekommt den rauen Wind amerikanischer und asiatischer Plattformen zu spüren. Die "Otto Group" hat außer dem Inkasso-Dienstleister "EOS" kaum zukunftsfähige "Assets", wie die BWL-"Fuzzis" in Bramfeld die Geschäftsbereiche nennen. Der Paketsklaven-Treiber - pardon - Paketdienst "Hermes" steht zum Verkauf, womöglich an "Fedex". "Otto.de" kämpft mit der Öffnung als Plattform und bekommt neben "Amazon" und "Ebay" nun auch chinesische Player wie "Aliexpress" als Konkurrenten. Aus zahlreichen Ländern hat sich "Otto" bereits zurückgezogen, die Töchter "Heine" und "Schwab" werden fusioniert. Der Lack ist ab.

Die Zukunft der Logistik findet nicht in Hamburg statt.

2. Ein drittklassiger europäischer Hafen mit gefälschter Freihandels-Urkunde ist kein Grund zum Ab-/Feiern. Unabhängig von nicht beförderten oder halbleeren Containern in der Corona-Krise rutscht der "Hamburg Port" im Wettbewerb mit Rotterdam und Antwerpen seit Jahren ab - nicht durch Verluste, sondern durch fehlendes Wachstum. Das gern gefeierte Terminal Altenwerder ist aus Sicht hoch digitalisierter Brücken und Warehouses in den Niederlanden und Belgien lächerlich. Und da man für Steinwerder-Süd auf Intervention der "HHLA" die Chinesen mit "CCCC", "ZPMC" und "Alibaba" nicht haben wollte, zieht die Zukunft halt weiter - Bremen wartet schon. Da helfen leider auch keine Zukäufe osteuropäischer Terminals.

3. Der "Airbus"-Standort mit allein 15.000 Beschäftigten droht angesichts eines Zusammenbruchs des internationalen Luftverkehrs massiv zu schrumpfen, wie die Drohungen von Airbus-Chef Guillaume Faury gegenüber seiner Belegschaft ahnen lassen. Zusammen mit "Lufthansa Technik" und rd. 300 Zulieferern hängen in der Metropolregion mehr als 40.000 Jobs an der Luftfahrt. Allein die "Lufthansa" streicht 10% ihrer Flieger. Die Branche wird nach Expertenschätzungen erst in rd. 10 Jahren das Niveau vor Corona zurückgewinnen können. Damit steht das industrielle Standbein der Hansestadt zur Disposition, wie das "Hamburger Abendblatt" Ende April d. J. testierte.

Gastronomie und Tourismus vor Corona-Kollaps.


Schluss mit Lustig: Hamburg in Schwierigkeiten.
Foto: HANSEVALLEY
4. Die "sündigste Meile der Welt" als Sinnbild für den durch Kreuzfahrer seit Jahren steigenden Tages- und Stadttourismus vermisst in Zeiten des Shutdowns wohl kaum einer. Allerdings: rd. 100.000 Jobs in 11.000 vornehmlich kleinen und mittleren Betrieben hängen an Tourismus und Gastronomie rund um Alster und Elbe. Sie trifft es mit am Härtesten. Die Handelskammer fordert einen Masterplan Tourismus und Freizeitwirtschaft, um der hart getroffenen Branche das Überleben zu sichern. Haben Sie das verstanden, Herr Westhagemann? Auch wenn Handel und Tourismus schrittweise wieder möglich sind, mit Feiern aufm Kiez und Flanieren am Jungfernstieg hat das wenig zu tun.

Wie wird sich Hamburg entwickeln - unter einer neuen, alten Koalition mit dem "Peter" und der "Mutti"? Und was wird sich in Hamburg verändern - mit Handelshäusern aus der Offline-Zeit, einem weiter geschwächten Hafen, fehlender Digitalisierung der Logistik und einer katastrophalen Situation im Tourismus? Schon vor Kahrs und Corona stellte ich mir diese Frage. Meine bescheidene Antwort aus 14 Jahren West-/Berlin und fast 4 Jahren Hamburg aus redaktioneller Perspektive und journalistischem "Deep Dive" lautet: Die Hansestadt lebte bislang in der Vergangenheit, in einer "Vermögensillusion". Durch und nach Corona wird es ein "Weiter so" nicht geben, auch wenn das neue Koalitionspapier die Überschrift "Pfeifen im Walde" trägt. 

Die Zukunft liegt an Land - und nicht am Wasser.

Internet-, Medien- und Kulturhauptstadt ist die "Hammaburg" schone lange nicht mehr. Zukunftsweisende Technologie-Startups - wie FinTechs - haben sich in Berlin angesiedelt. Zukunftsweisende Handels-Startups - wie Zalando - lachen über ein Corporate-Startup "About You" aus der "Otto Group". Und auch hier hatten wir bereits im vergangenen Jahr einen Riecher, wo Hamburg wirklich punkten kann: Die Freie und Hansestadt hat ein namhaftes Forschungscluster in der Virologie. Die Gesundheitswirtschaft gewinnt durch und nach Corona an Bedeutung. Wenn Hamburg anfangen würde, seine Wissenschaft zu leben und zu lieben, wäre dies ein echtes "Asset".


Wahre Liebe kennt kein Lockdown.
Foto: Guido Hofmann, Unsplash

Auch wenn ich mich wiederhole: "Die Zukunft Hamburgs liegt an Land, und nicht am Wasser" mahnte Alt-Bürgermeister Klaus von Dohnanyi in seiner ersten Bürgermeister-Rede vor dem "Übersee-Club" - 1983. Nachdem alte Bank-/Fassaden brökeln, nachdem alte Partei-/Strukturen aufbrechen,  ist es an der Zeit, der Zukunft in die Augen zu sehen - eine Zukunft mit digitalem Rückgrat und nachhaltiger Ausrichtung, einer Zukunft mit diversifizierten Geschäftsmodellen und einer echten Offenheit für Neues und neue Player. Denn das ist die Realität der vergangenen Jahre in des wiedervereinten Berlin und seiner Hauptstadtregion mit Tesla-Fabrik und Batterieforschung - ohne den Provinzmief von Sandkasten-Kumpeln und lokalen Strippenziehern. Wäre mal eine Idee. 


*  *  *
 Hanse Digital Background: 

HANSESPORTS: "Aus dem Home Office digital in ein bewegtes Leben":

HANSEVALLEY: "Die Welt wird eine andere sein - der Norden nach Corona":
hansevalley.de/2020/04/hansefuture-die-welt-wird-eine-andere.html

HANSEVALLEY: "Wie Hamburgs Wirtschaft aus der Panik zu digitalen Perspektiven kommt":

Donnerstag, 2. April 2020

#CoronaSoforthilfeHH: Was haben Sie an “sofort” nicht verstanden, Herr Senator?

Ein HAMBURG DIGITAL STATEMENT
von Landeskorrespondent Gerd Kotoll

Verantwortlicher Finanzsenator Andreas Dressel in Erklärungsnot.
Foto: Senatskanzlei Hamburg

Er feiert sich mit roten und grünen Parteifreunden, Senatspersonal, Kostgängern und Subventionsrittern auf Facebook selber: Finanzsenator Andreas Dressel in seinem Social Media Stream: “Haben sich die vielen Telefonkonferenzen doch gelohnt *smile*”. Der SPD-Landespolitiker mit Seitenhieb gegen die Bremer Soforthilfe zum Ausdrucken und getrennten Anträgen: “Soforthilfe Bund & Land digital & aus einer Hand *grünes Häckchen”. 

Dabei hat der Hamburger Lokalpolitiker nur gut 24 Stunden zuvor Freiberuflern, Solo-Selbstständigen und Kleinstunternehmern mit einer peinlichen Selbstoffenbarung und einer dreisten Zumutung für die viel gepriesene “Hamburg Corona-Soforthilfe” mit der Faust ins Gesicht geschlagen. Landeskorrespondent Gerd Kotoll mit Fakten und Fragen zur neuesten “Hamburg-Alles im Blick-Peinlichkeit” aus dem Rathaus:

Vergangenen Freitag-Nachmittag, auf der Landespressekonferenz mit Corona-Folgen-bekämpfenden Vertretern des Senats erklärt Hamburgs Erster Kassenwart Andreas Dressel das geplante Prozedere zum Online-Antrag für die “Hamburg Corona-Soforthilfe” über die Website der Investitions- und Förderbank in Hamburg. Start: Montag-Morgen. Mit an Bord: “externe Server”. Da konnte man eigentlich schon ahnen, das was kommen wird …

Die artigen Fragen der per Videokonferenz zugeschalteten Journalisten konnte das Dreigestirn Tschentscher, Prüfer-Storcks und Dressel noch nicht aus der Fassung bringen. Bis die letzte Frage kam, von unserem Chefredakteur Thomas Keup, isoliert und doch einsatzbereit in seinem Berliner Home-Office. Von dort fragte er brav per Mail, wie Hamburg denn technisch aufgestellt sei - im Fall von mehr als 130.000 Hilfesuchenden in Berlin in nur 5 Stunden.

Hintergrund: Die seit Freitag-Mittag in Berlin freigeschaltete Online-Lösung der dortigen Förderbank IBB für die “Hauptstadt Corona-Soforthilfe” wies nach 5 Stunden 139.000 Wartenummern aus - bei bereits abgearbeiteten 7.000 hilfesuchenden Freiberuflern, Solo-Selbständigen und Kleinunternehmern und einer Bearbeitungszeit von rd. 10 Minuten - macht einen stündlichen Antragsdurchsatz des Berliner Portals von 6.000 Datensätzen.

Senat mit live übertragener Schnappatmung

Landespressekonferenz aka Hamburg Märchenstunde.
Foto: Senatskanzlei Hamburg

Da war es mit der gemütlichen Plauderstunde der Landespressekonferenz mit dem Ersten Kassenwart und seinem Ersten Senatspräses vorbei, denn mit solchen Zahlen (mehr als 130.000 Hilfesuchende in wenigen Stunden) hatte man offenbar nicht auf einmal gerechnet. Nach der Schnappatmung der IBB-Server in der Millionenmetropole im Osten schnappten nun die Senatsmitglieder im Norden nach Luft für ihre mehr oder weniger überzeugenden, sich leider doch nur im Kreis drehenden Antworten. Thomas Keup schrieb brav mit.


So werde auch über das Wochenende fieberhaft geprobt und getestet, dass am Montag die Freischaltung des Antrags sichergestellt werden könne. Im Nebensatz erwähnte SPD-Finanzchef Dressel den Einsatz von “externen Servern”. Was er gegenüber der versammelten Hamburger Journaille lieber nicht verriet: Senat, Finanz- und Wirtschaftsbehörde, Förderbank und IT-Dienstleister überließen den kompletten Online-Antrag … SAP. Genau, die mit der leicht nutzbaren ERP-Lösung … Und das verhieß nichts Gutes.

“Gehen Sie weiter! Es gibt nichts zu sehen!”

Am Montag passierte dann zunächst … wir schauen noch mal nach … Moment ... genau: nichts. Nicht um 9.12 Uhr, nicht um 12.37 Uhr, nicht um 15.08 Uhr, nicht mal zum Feierabend um 18.55 Uhr. Entsprechend zerknirscht kam um 18.57 Uhr eine Pressemeldung aus der Senatskanzlei, dass leider leider .... wir schauen noch mal genau hin … genau .. leider eine Verzögerung eingetreten sei. Aber man müsse sich keine Sorgen machen, Geld sei genug da. Und: man könne ja bis Ende Mai d. J. die Anträge stellen. Richtig gelesen!

Dies verteidigt die zuständige Sprecherin der beteiligten Wirtschaftsbehörde, durch deren Hände die peinliche Pressemeldung ebenfalls ging, auch 2 Tage nach der Unmöglichkeit. Mehr noch: Die bekannte PR-Frau zeigt auf dem Facebook-Account von Senator Andreas Dressel lieber mit nacktem Finger auf die Berliner Datenpanne mit insgesamt 390 fehlgeleiteten Antragsbestätigungen - bei 6.000 verarbeiteten Anträgen pro Stunde. Susanne Meinicke: “So sieht das dann aus, wenn Schnelligkeit vor Gründlichkeit geht.” So, so, Hamburger Gründlichkeit ...

Genug Geld, genug Zeit - kein Grund zur Eile.

Bemerkenswert: Dass genug Geld da sei, hörte man ja bisher eher selten in Politiker-Statements. Eigentlich heißt es ja sonst immer, dass eben nicht genug Geld da sei. Aber in Zeiten der Krise wollen wir das mal nicht kommentieren. Gleichwohl, der klitzekleine Hinweis sei erlaubt: Berlin hat bereits am Montag gemeldet, dass die veranschlagten 100 Mio. € nicht ausreichen würden und man bei mittlerweile rd. 300 Mio. € Antragsvolumen sei. Und sich darum kümmere.

Und auch wenn es ab 23.57 Uhr mit den Anträgen der “Hamburg Corona-Soforthilfe” - trendig “HCS” abgekürzt (dürfte demnächst wie Dressels #CoronaSoforthilfeHH auch als Hashtag die sozialen Medien erobern) - funktionierte: eine Soforthilfe, Herr Senator, soll sofort helfen. Sofort. Und nicht erst Ende Mai. Denn im Mai wird es viele Selbständige und Kleinunternehmen schlicht nicht mehr geben, wenn diese nicht sofort Hilfe bekommen. Sofort.

Peinliche Bankrott-Erklärung der Senatoren Dressel und Westhagemann.
Screenshot: HANSEVALLEY

Das gilt für den Barmbeker Hausmeister-Service ebenso, wie für die kleinen Friseursalons in Harburg, Wandsbek und Ottensen, bei denen der mühsam ersparte und gegen alle Widerstände hart erarbeitete Traum der Selbständigkeit nun zu platzen droht - weil diese mutigen Unternehmerinnen und Unternehmer aus Sicht der “die ganze Stadt im Blick”-habenden SPD-Senatsbehörde nicht geduldig genug sind. Zitat Senator Andreas Dressel, Landespressekonferenz, Freitag, 27.03.2020, 18.28 Uhr: “Aber ein bisschen Geduld und Verständnis glaube ich wäre jetzt in der Startphase etwas, das für alle Beteiligten wichtig ist."

Was für eine Haltung, was für eine Denke ist das?

Was ist das für eine Haltung, auf Geduld zu verweisen? Während Niedersachsen oder Schleswig-Holstein bereits ausgezahlt haben, um nicht nur mit dem bösen Osten und dem reichen Süden zu “stänkern”. Was ist das für eine Denke, das angesichts der drohenden Pleite unzähliger kleiner Boutiquen, Läden und Gastronomiebetriebe, als “erste hilfreiche” Maßnahmen Steuerstundungen und -herabsetzungen der Vorauszahlungen anzubieten? Herabgesetzt wurden hier nur die selbständigen Steuerzahler.

Facebook-Post hilfesuchender Solo-Selbständiger in Hamburger.
Screenshot: HANSEVALLEY
Dass Hamburg einmal mehr technisch hinter anderen Ländern her hinkt, ist schon schwer zu akzeptieren - überrascht aber auch nur die, die den offiziellen Verlautbarungen des Senats zum technischen Fortschritt der Stadt immer geglaubt haben (vgl. “Digital First”, vgl. “Mobile First”, vgl. “Digitale Stadt” und so weiter und so weiter). Jetzt zeigt sich, dass die Stadt bei Weitem nicht so toll aufgestellt ist, wie in den politischen Sonntagsreden gern behauptet wird. Und das ist keine Einbildung einer kleinen Ansammlung besserwissender Tech-Journalisten.

Dass Sie Herr Senator sich hinstellen und auf Zeit spielen, ist einfach nur eines: unverantwortlich. Dass Sie damit der Hamburger Geschichte und Tradition als Hansestadt ehrbarer Kaufleute nicht gerecht werden: geschenkt (man sollte sich angesichts einer gefälschten Hafengründungsurkunde vielleicht auch nicht soviel auf seine Traditionen einbilden). Dass Sie damit die Sorgen und Nöte hart arbeitender, selbständiger Menschen in der Stadt nicht ernst (genug) nehmen, macht fassungslos.

*   *    *

 Hamburg Digital Background: 


HANSEVALLEY: Gastbeitrag "Wie Hamburgs Wirtschaft aus der Panik zu digitalen Perspektiven kommt."

HANSESTATEMENT: "Die Zögerlichen": Wie Hamburg den Vorsprung gegen das Corona-Virus verspielt.
hv.hansevalley.de/2020/03/hansestatement-zoegerlich-hamburg-senat.html

HANSEVALLEY: Fachbeitrag "Wie Hamburg aus dem Corona-Trauma kommt":
hv.hansevalley.de/2020/03/hansespecial-wie-hamburg-aus-dem-corona.html 

Samstag, 28. März 2020

"Die Zögerlichen": Wie Hamburg den Vorsprung gegen das Corona-Virus verspielt.


EIN HAMBURG DIGITAL STATEMENT
von Landeskorrespondent Gerd Kotoll


Wahlkampfplakat der Hamburger SPD zur Bürgerschaftswahl 2020.
Grafik: SPD Hamburg

Hilflose Appelle an die menschliche Vernunft, deren Halbwertszeit beim Anblick leerer Klopapier-Paletten im Discounter und zugleich gefüllter Strassencafés bereits abgelaufen ist. Eine völlig unverständliche und damit verantwortungslose Salami-Taktik bei der Kommunikation und Umsetzung der notwendigen Maßnahmen: In Hamburg ist man nicht Vorreiter, man schleicht feige den anderen Bundesländern hinterher und macht bestenfalls nur das, was die bereits machen. Handeln aus eigener Erkenntnis oder gar Überzeugung? Nee, lieber nicht. Landeskorrespondent Gerd Kotoll spricht Tacheles:

So versucht man sich in Hamburg durch die Corona-Krise zu lavieren


Angeführt von einem Bürgermeister, bei dem man eigentlich hätte erwarten können, dass etwas mehr Sachverstand vorhanden wäre; immerhin ist er Mediziner. Sekundiert von einer amtsmüden Gesundheitssenatorin, die sich von Journalisten auf der Pressekonferenz erstmal auf den aktuellen Stand bringen lassen musste, dass am Vorabend Italien komplett mit einer Ausgangssperre belegt wurde. Willkommen in Hamburg.


Gesundheitssenatorin Cornelia Prüfer-Storcks:
Die 20.00 Uhr Tagesschau immer fest im Blick.
Foto: Senatskanzlei Hamburg

Als würden Nachrichten heute immer nur um 20.00 Uhr zur Verfügung stehen - vor allem die Tagesschau aus Lockstedt, die Leib- und Magensendung des gepflegten Senatsmitglieds an Alster und Elbe. Die Nutzung digitaler Medien könnte einer Situation wie dieser … aber vielleicht ist das auch zu viel verlangt. Kurz vor der Rente wird in Hamburg wie im Bund die unausweichliche Entscheidung lieber hinausgezögert.

Und dann ist da noch der Bildungssenator, der bei Exponentialfunktionen lieber bei anderen abguckt und deswegen anderen Bundesländern bei Schulschließungen den Vortritt lässt, um sich dann, weil es ja nun alle machen, doch noch zu bewegen. Das war vor gut einer Woche, in der Zwischenzeit wurde die Schulschließung spontan von Ende März auf den 19. April verlängert. Dass dann die Schule wieder Präsenzunterricht machen können wird, glaubt in Hamburg nur einer: der Präses der Schulbehörde.

Übrigens ging die Nachricht der Schulschließungsverlängerung abends über einen regionalen TV-Sender auf die Reise. Schulleitungen und Kollegien wurden erst am nächsten Tag informiert, was an anderer Stelle mit dem berechtigten Feierabend des Pressesprechers begründet wurde. Gut, dass wir keine Ausnahmesituation in der Stadt haben - Helmut Schmidt würde sich bei dieser Art Amtsauffassung im Grabe umdrehen.

Man stelle sich vor, ein Senator würde anweisen, dass die Homepage der eigenen Behörde auch noch nach 17.00 Uhr unter Missachtung jeglicher behördlicher Arbeitszeiterfassung auf den neuesten Stand zu bringen sei. Womöglich noch aus dem Home Office, Gott bewahre. 


Schulsenator Ties Rabe und seine Schulschließungen.
Foto: Senatskanzlei Hamburg

Nein, das wäre wirklich schier unerträglich und überhaupt unvorstellbar. Der Feierabend muss auch digitaler Freiraum sein können. Echt jetzt? Genau diese Haltung ist es, die die digitale Entwicklung der Stadt verzögert. Smart City entsteht aber nur durch smart decisions - by smart people. Okay, also wird das erstmal nichts mit der smarten Stadt. 

Kurz wurde der Senator doch noch einmal mutig. "Die Abiturprüfungen werden stattfinden!“, verkündete er von der Kanzel, somit sei sichergestellt, dass alle Abiturientinnen und Abiturienten ihr Studium pünktlich beginnen könnten. Die Bildungsministerin von Schleswig-Holstein und Exil-Hamburgerin Karin Prien legte noch einen drauf: Sie wollte so eine Art "Durchschnitts-Abi" für alle. Und wurde damit von der Kultusministerkonferenz vom gemeinsamen Schul-/Hof gejagt.

Währenddessen sind die Schulleitungen und Lehrer hoch engagiert dabei, den Kindern auf allen möglichen digitalen Wegen das notwendige Wissen zu vermitteln. Übrigens: Eduport - die hauseigene Bildungsplattform der Schulbehörde BSB - ist es seit der zunehmenden Nutzung in der vergangenen Woche oft-immer wieder-fast täglich ... nicht. 


Hamburgs Datenschutzbeauftragter Johannes Caspar mag kein Skype.
Foto: HmbBfDI

Was den Hamburger Datenschutzbeauftragten nicht davon abhält, auf die Datenunsicherheit von Skype-Konferenzen hinzuweisen und ein 20-seitiges Pamphlet zur sicheren Internetnutzung herauszugeben. Skype würde ja - so Johannes Caspar - einen Einblick ins Private ermöglichen, was unbedingt verhindert werden müsse. Es fällt schwer, an dieser Stelle keine Wortspiele mit dem Namen des Mannes zu machen. 

Wenn Sonderwege zu Irrwegen werden

Ist es einfach deutsche Dummheit oder Überheblichkeit, die unsere Regierungen im Land wie im Bund mal wieder Sonderwege gehen lassen? Sind die anderen europäischen Länder allesamt doof und von Unfähigen regiert, weil sie relativ konsequent – und vor allem: früher als wir - die Grenzen geschlossen und umfangreiche Ausgangsverbote beschlossen haben?

Warum schauen wir nicht auf die Maßnahmen, die in anderen asiatischen Ländern getroffen wurden? Damit ist nicht das chinesische Zuschweißen der Wohnungstüren bei Infizierten gemeint, sondern zum Beispiel die konsequenten Massentestungen (und bedarfsweisen Isolationen) etwa in Südkorea, mit denen die Neuansteckungsrate wirksam verlangsamt werden konnte.

"Wir können die Grenzen nicht schließen!“ hieß es stattdessen mantraartig aus dem Kanzleramt. Diese seit fünf Jahren behauptete “Alternativlosigkeit" ist nichts anderes als eine Lüge, wie wir mittlerweile wissen: natürlich können wir unsere Grenze schließen - aber unsere Regierung wollte das nicht.

Stattdessen bleibt jetzt, als Ultima Ratio, die Ausgangssperre. Anstatt rechtzeitig das Land abzuschotten, müssen wir jetzt jeden einzelnen Menschen abschotten. Ultima Ratio Ausgangssperre? Nein! Es hätte auch einen anderen Weg gegeben: Testen. Testen, Testen, Testen, Testen!! Massiver Einsatz von Tests mit konsequenter medizinischer Isolation positiv Getesteter. Und Quarantäne der Hochrisikogruppen.

Wie im Bund, so im Land - oder der Stadt

In Hamburg getestet werden? Probieren Sie das mal aus. Wenn Sie nicht fiebern und husten und nicht aus einem Risikogebiet kommen und/oder mit einem Infizierten Kontakt hatten … dann, ja, dann wird sich das mit dem Test für Sie leider etwas verzögern, so die Rückmeldung aus Hamburger Arztpraxen.

Gut, in Hamburg machen Bürgermeister und Gesundheitssenatorin ja auch noch Werbung für den Impfpass auf Papier. Dass es längst intelligentere und praktischere digitale Lösungen der Krankenkassen gibt, war nicht Bestandteil der Impf-Werbeaktion. Wir sind ja in Hamburg ...


Peter Tschentscher ist um die Gesundheit der Hamburger bemüht.
Foto: Senatskanzlei Hamburg

Aber wenn Sie nicht getestet werden, sind Sie in guter Gesellschaft. Oder: zumindest nicht allein. Denn in Hamburg werden auch die Menschen nicht getestet, die aus einem Flieger mit Abflug im Iran oder anderen Risikogebieten aussteigen. Die werden vielleicht beim Zoll gefilzt, aber danach: Herzlich Will… röchelräusperhüstel…kommen in der Freien und Viren-… ääh… Ansteckungs- - pardon - Hansestadt Hamburg.

Oh, ich höre schon, wie sich jetzt einige “Hanseaten” ohne zu zögern(!) darüber echauffieren werden, wie ich denn so etwas schreiben könne. Denen antworte ich: Sehen Sie sich die Steigerungsrate der Infizierten, der Behandlungsbedürftigen und der Intensivpatienten an. Und dann warten Sie eine Woche und schauen Sie sich das nochmal an. Wenn Sie das dann immer noch nicht verstanden haben, dann dürfen Sie sich auch weiter so richtig “gut regiert” fühlen.

Liebe Ischgl-Rückkehrer: Da nich für ...

Ja, ich weiß: Hanseaten halten zusammen. Dieser beinahe inzestuöse, in jedem Fall so arrogant wie dämliche, Slogan einer Hamburger Oppositionspartei wurde am letzten Ferienwochenende auch umgesetzt, nur anders: Alkoholselig lagen sich die Rückkehrer aus den Ski- und jetzt Risikogebieten mit den Daheimgebliebenen in den Armen und feierten auf dem Kiez ihr Wiedersehen.

Dass es auch andernorts sog. Corona-Partys gab, weil man als Angehöriger der jungen Generation ja vermeintlich nicht betroffen ist, zeigt nicht nur, wie wirkungslos Appelle an den gesunden Menschenverstand sind. Das bringt uns auch zu der Frage, wie weit es denn mit dem Verantwortungsbewusstsein der Generation her ist, die sich vor kurzem noch in schulschwänzender Weise Freitags (nicht in den Ferien!) aufschwang, der älteren Generation den Klima-Moral-Spiegel vorzuhalten. 

Diverse Äußerungen von "Klima-Luise" & Co. zeigen, dass sie diesbezüglich nichts verstanden haben – und erst recht nicht, was eine Exponentialfunktion ist. Mathe war wohl immer freitags ... Exponentiell dumm ist übrigens auch dieser "Lasst-die-Alten-doch-verrecken"-Sketch vom WDR.

Ganz Deutschland liegt also im politischen Entscheidungsunfähigkeitsfieber. Moment! Nicht das ganze Deutschland. Immerhin zeigen die Bayern, dass es auch anders, evtl. besser, in jedem Fall schneller gehen kann: Schulschließungen, Grenzkontrollen, Ausgangssperren. Jedes Mal waren die Bayern schneller als der Rest der Republik. Und weisen damit dem Kabinett Merkel den Weg, wie man's richtig machen kann.


Bürgermeister Peter Tschentscher auf der Corona-PK im Rathaus.
Foto: Senatskanzlei Hamburg



Das Hamburgs Erster sich öffentlich in bester Kanzlerkandidaten-Manier ohne zu zögern über den vermeintlichen Alleingang der Bayern empörte, zeigte nur, dass er nicht das ganze Land im Blick hat/te. Als Norddeutsche kann man da nur feststellen: Deiche taugen halt nicht als Feldherrenhügel.

Ein löchriges Hamburger Rettungsschirmchen 

Hinter der Handelskammer, also: im Rathaus, gibt man sich zaghaft und zögerlich. Zwar präsentierte die Troika Dressel, Brosda und Westhagemann die Rahmenbedingungen für einen Hamburger Rettungsschirm für Unternehmen und Kulturschaffende. Aber die drei Musketiere hatten kaum Pulver im Rohr und kamen nicht nur wegen der miserablen Tonqualität mehr als Ritter der traurigen Gestalt rüber.

So sollten zunächst nur Unternehmen unter dem löchrigen Schirm Schutz finden, die direkt von den Allgemeinverfügungen betroffen sind. Allen anderen wurde ernsthaft der Weg zum Sozialamt gewiesen. Erinnern Sie sich noch an den Wahlkampfslogan, dass man “die ganze Stadt im Blick” habe? Nicht mal einem Monat nach der Wahl will im Senatsgehege lieber niemand daran erinnert werden. Wir haben mal das Plakat als Beitragsmotiv ausgesucht. 

Ebenso wenig will man übrigens an die zahlreichen Versprechen zum digitalen Ausbau der Stadt erinnert werden, der jetzt bitter fehlt, weil er zu spät begonnen und dann nie umgesetzt wurde und wird. Wir sind gespannt, was das dynamische Duo IFB & Dataport mit Freischaltung des Online-Formulars für die Sofort-Hilfe abliefert. In Berlin warteten am Auftakt-Freitag 132.000 Hilfesuchende, dass es weiter geht - eventuell nächste Woche, nächsten Monat oder so.

"Hamburg hilft", so ist die Pressemitteilung unseres Senats überschrieben. In Wahrheit muss es heißen: Hamburgs Finanzsenator heuchelt. Und zwar bis zur Landespressekonferenz am Freitag, als die Bundeshilfen beschlossen wurden. Wir sind mal ganz mutig und tippen beim Beantragen der Sofort-Hilfe auf a) die Webseite der IFB bricht zusammen, b) man bietet ein PDF zum ausdrucken an und c) verzichtet man Schluss auf alle Formalitäten, wie es die Bundesagentur für Arbeit macht. 

Norddeutsch, ja, klassisch hanseatisch zurückhaltend, war man, als es um konkrete Zahlen zur Sofort-Hilfe ging: Während sich die Künstler der Stadt zur Verteilung von 25 Mio. € anstellen dürfen, wird das Schälchen für die Wirtschaft mit sagenhaften ... Achtung, Trommelwirbel! ... 10 Mio € (in Worten: zehn Millionen Euro) gefüllt. Damit will Hamburg die laut Kanzlerin “größte Herausforderung seit Ende des zweiten Weltkrieges” angehen. So, so.

Damit sind für Solo-Selbständige, sofern betroffen und auch nur dann, unglaubliche 2.500,- € vorgesehen. Einmalig. Logisch. Ist ja so vieles einmalig in “Hamburch”. Tja, liebe Solo-Selbständige, in anderen Bundesländern wärt ihr mehr Wert. In Thüringen zum Beispiel 5.000,- €, in Berlin werden ebenfalls 5.000,- € geboten (aus einem 100 Mio. €-Topf!) und in Bayern sogar bis zu 20.000,- €. Aber wir sind ja in ... richtig! - "Hamburgch"!

Eine süddeutsche Zeitung wirbt übrigens gerade: „An der Elbe wird man nur mit Substanz zur Instanz.“

Genau: Substanz. Nicht Zögern.

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