Sonntag, 25. März 2018

HANSEPERSONALITY André Schwämmlein: Flixtrain - vielleicht die letzte Chance für privaten Fernverkehr in Deutschland.

HAMBURG DIGITAL INTERVIEW

Am vergangenen Freitag hat Flixmobility mit dem "FLX 20050" der Bahn den Kampf angesagt. Mit alten Schlafwagen der Nürnberger BahnTouristikExpress ging es mit 400 Premierengästen, lokaler Politprominenz und der versammelten Tagespresse von Hamburg-Altona über Hauptbahnhof und Harburg nach Köln. Der grüne Flixtrain fahrt ab sofort täglich außer Mittwochs am Morgen von Köln nach Hamburg und Mittags zurück an den Rhein, wie sein Vorgänger HKX. 


Der neue Flixtrain im Hamburger Hauptbahnhof.
Foto: Flixmobility

Mit Flixtrain startet das Tech-Startup ein eigenes, bundesweites Zugangebot. Im April d. J. fährt der Herausforderer die nächste Strecke von Berlin über Hannover und Frankfurt nach Stuttgart. 500.000 Fahrgäste will Flixtrain in diesem Jahr befördern, bis zu 600 pro Fahrt. Zum Fahrplanwechsel im Dezember d. J. plant man auf weiteren Strecken den Bus zu ergänzen und in Wettbewerb zum IC-Service der Bahn zu gehen. Wir sprachen mit dem Geschäftsführer von Flixtrain auf der Premierenfahrt von Hamburg nach Köln. Unser HANSEPERSONALITY ist André Schwämmlein:


Meine erste Frage: Haben Sie ein Bahn Card?


Ich habe keine Bahn Card. Ich hatte auch nie eine. Ich bin sehr offen, was Verkehrsmittel angeht. Ich bin großer Fan von öffentlichem Verkehr, hab' ja kein Auto. Aber Bahnfahren habe ich in den letzten 5 Jahren vermieden.


Warum?

Große Teile sind rational. Ich komme mit Bus und auf langen Strecken dann auch mal mit dem Flieger gut zurecht. Ein Teil ist sicherlich ein bisschen irrational. Wenns passt, nehme ich lieber was anderes in Kauf und fahr' eben nicht Bahn.

Sie fahren mit Ihren eigenen Bussen. Wie zufrieden sind Sie mit dem Service, den Ihre Subdienstleister da anbieten?


Mit dem, was unsere Partner machen, bin ich in der Menge sehr zufrieden. Es ist immer so, dass wenn man selber mitfährt, immer Sachen findet, die man besser machen könnte. Aber das ist - glaube ich - der kritische Blick, den man selber hat.


Jetzt gehen Sie mit Flixtrain auf dieser Strecke in den Wettbewerb zur Deutschen Bahn. Sie gehen preislich in den Wettbewerb unterhalb des ICE-Schnellverkehrs. Wie waren die ersten Reaktionen der Deutschen Bahn? Sie mussten ja direkt oder indirekt mit ihrem Partner mit der Deutschen Bahn verhandeln. Was hat die Deutsche Bahn dazu gesagt, nachdem sie bereits den BerlinLinienBus aus dem Verkehr geschoben haben?

Es ist bei dieser Trasse besonders, weil es diese Trasse schon gab, deshalb war es eher ein administratives Thema. Von daher keinerlei Beschwerden von unserer Seite. Richtig spannend wird's jetzt. Wir gehen jetzt in die Trassenbeantragung für den nächsten Fahrplan, und da kommt es glaube ich zum Schwur, wie gut der Netzzugang für andere Anbieter als die Deutsche Bahn wirklich ist.

Welche Bedeutung hat für Sie die Strecke Hamburg-Köln, schließlich ist hier bisher nichts Super-Schnelles und Super-Modernes unterwegs?



Flixtrain-Chef André Schwämmlein nach erfolgreicher Premiere in Köln.
Foto: HANSEVALLEY

Für uns ist das Projekt Flixtrain in Summe sehr wichtig, weil wir es als sehr gute Ergänzung zu unserem Busgeschäft sehen, und auch ein bisschen als natürliche Erweiterung dessen, was wir machen. Auf der anderen Seite ist Hamburg-Köln auch eine der ersten Strecken, die wir mit dem Bus gefahren sind - damals vor 5 Jahren. Das war im ersten Netz unter den ersten 10 Linien mit dabei. Von daher finden wir, dass es auch eine Strecke ist, die wir auf der Schiene attraktiv ist.

Gehen wir nochmal auf die Wettbewerbssituation: Sie gehen ab 9,90 € in den Wettbewerb bis ca. 29,90 € - vom Pricing aktuell, wenn man sich dass mal durchschaut. Das ist deutlich unter den Sparpreisen und den "Lidl-Tickets" der Deutschen Bahn. Greifen Sie die Bahn in erster Linie über den Preis an?

Das soll wirklich ein Produkt sein, dass sich quasi zwischen Flixbus und ICE positioniert, und damit auch preislich da positioniert. Und ja, wir wollen dauerhaft auch den günstigsten Preis bieten. Das haben wir im Busgeschäft. Unter dem Strich muss es dadurch funktionierten, dass der Bus oder hier der Zug sehr voll ist, und das ist das, was wir erreichen wollen.

Und das geht vor allem über Preis?

Der Preis ist nur möglich,, wenn wir auch schaffen, die Züge so voll zu machen. Da wir einen anderen Ansatz haben, als alle anderen, die vorher Fernverkehr probiert haben, nämlich das wir schon Netz haben, das wir schon viele Millionen Kunden haben, glauben wir, dass wir dieses Volumen generieren können. Allein heute 400 Leute an Board bei der Premierenfahrt - ich glaube, dass ist ein klares Signal: die Kunden haben Interesse, die Nachfrage ist da und unser Job ist es, dafür zu sorgen, dass es auch nachhaltig funktioniert.

Sie gehen als Nächstes auf die Strecke Berlin-Hannover-Frankfurt-Stuttgart. Was erhoffen Sie sich von der Strecke? Berlin-Hannover ist eine Rennstrecke, auch eine Pendlerstrecke. Auch Hannover-Frankfurt ist eine klassische Deutsch Bahn-Strecke, wo richtig Geld verdient wird. Da gehen Sie ja noch wesentlich stärker in den Wettbewerb, als hier auf der Nord-Ost-Tresse.


Wir schauen eigentlich viel stärker von uns kommend, was Sinn macht. Im südlichen Teil der neuen Strecke ist ja Stuttgart, Heidelberg, Darmstadt und dann Frankfurt, und die nach Berlin zu verbinden, das sind gerade bei Stuttgart sehr lange Fahrzeiten mit dem Bus. Da erschließen wir mit dem Zug nochmal ein komplett neues Segment von Leuten, die vorher Bus nicht nutzen konnten. Es funktioniert also nicht, wenn ich sage, ich nehme einfach mal meine Busfahrgäste und setze sie jetzt in den Zug. Das kann gar nicht funktionieren.


"Die 25 Mio. Menschen, die letztes Jahr Bus gefahren sind,
kommen nicht aus der Deutschen Bahn." 

Das Volumen hatte ich auf Berlin-Stuttgart nicht und das haben wir ehrlicherweise auf Hamburg-Köln auch nicht, sondern es müssen Leute umsteigen, und das haben wir im Bus auch gezeigt die letzten 5 Jahre. Natürlich sind wir Wettbewerber der Deutschen Bahn, aber wir müssen es schaffen, das Menschen aus dem Individualverkehr in den öffentlichen Verkehr kommen, denn die 25 Mio. Menschen, die letztes Jahr Bus gefahren sind, die kommen nämlich nicht aus der Deutschen Bahn. Die kommen aus dem Individualverkehr, denn die Bahn hat im selben Zeitraum auch nochmal 5 bis 10 Mio. Menschen gewonnen. Ich glaube, dass ist die richtige Interpretation.

Wir sind sehr harte Wettbewerber - wir und die Deutsche Bahn, und das ist gut für den öffentlichen Verkehr in Deutschland, weil beide dadurch stärker werden und der große Wettbewerber Auto hoffentlich auch in Zukunft weiter leidet.


Geht in Konkurrenz zur Deutschen Bahn: Flixtrain-Chef André Schwämmlein.
Foto: HANSEVALLEY

Schauen wir ein bisschen weiter nach vorn: Was planen Sie als Nächstes? Sie haben es gerade angesprochen: Weitere Trassen wollen Sie jetzt beantragen. Wollen Sie die Langstrecke Deutschland flächendeckend über grüne Züge abdecken?

Flächendeckend ist ein starkes Wort. Ja, das haben wir beim Bus immer gesagt, weil wir da auch immer viel mehr Kontrolle hatten, was wir eigentlich tun. Wir haben gesagt, wir wollen im Bus ein deutschlandweites Netz haben. Wir sind in vielen Bundesländern schon präsent. Ja, wir möchten diese Präsenz auch ausbauen. Es soll nicht bei 2 Strecken bleiben. Allerdings sind wir in großem Maße von der DB Netz abhängig, was wir wirklich fahren können. Und wir sind da schon realistisch genug zu wissen, dass die Geschwindigkeit, mit der wir ein deutsches und europäisches Netz im Bus aufgebaut haben, mit der Schiene nicht funktioniert.



"Wir werden nicht die zweite Deutsche Bahn.
Wir wollen eine günstige Alternative sein."

Ich habe sehr viel längere Zyklen, Trassen zu bekommen, Wagenmaterial zu bekommen. Von daher sind wir da realistisch, wir werden nicht die zweite Deutsche Bahn. Wir wollen eine günstige Alternative sein, das wollen wir auch gern auf mehr Strecken sein. Aber wir fahren diesen Sommer dann 3 Züge. Die Bahn hat fast 300 ICEs. Ich glaub', das gibt die Dimension wirklich wieder.

Das ist ja schon Wettbewerb. Sie sind der Erste, der auch in die Fläche geht und nicht nur eine einzelne Strecke anbietet. Wieviele Trassen wollen Sie jetzt für 2018 ff. neu beantragen?


Wir kommunizieren das ehrlicher Weise gar nicht. Warum? Nicht, weil wir etwas zu verstecken haben. Sondern, weil da noch soviel Unsicherheit im Prozess ist, weil wir auch sehen müssen, was kriegen wir von der DB Netz wirklich. Und ich möchte nichts ankündigen und dann sagen müssen 'haben wir nicht bekommen'. Da bin ich im Spätsommer/Herbst schlauer, wenn ich weiß, welche Trassen wir bekommen haben.


"Wir sind nicht größenwahnsinnig.
Wir wissen, wie die Zyklen im Fernverkehr laufen."

Ja, es ist sicherlich anders, als es bisher Einzelunternehmen gemacht haben, die sagen: ich mache Betrieb und Vertrieb zusammen und kann dann eben auch nur wenig betreiben, weil ich eine Trasse habe. Wir haben sicherlich den Vorteil, dass wir jetzt schon Stuttgart-Berlin mit einem anderen Betreiber machen können, wie Hamburg-Köln - damit wir uns auf den Vertrieb konzentrieren können. Ja, ich glaube schon, dass das vielleicht die letzte Chance ist, für privaten Fernverkehr in Deutschland.

Ich glaube auch, dass wir alle Voraussetzungen haben, das erfolgreich zu machen. Aber, wir sind nicht größenwahnsinnig. Wir wissen, wie die Zyklen im Fernverkehr laufen.

Die Deutsche Bahn geht jetzt im Regionalverkehr mit Start Deutschland in den Low Coast-Wettbewerb, versucht dort Strecken zurückzugewinnen. Erwarten Sie, dass DB Fernverkehr Ihnen irgendwann auch ein günstiges Angebot entgegensetzt, dass Sie mit Ihrem Angebot dauerhaft herausfordern wird - und nicht nur saisonal "Lidl-Tickets" schiebt?


Premierenfahrt des Flixtrain am vergangenen Freitag ab Altona.
Foto: HANSEVALLEY

Das weiß ich nicht. Es ist natürlich schwer, das irgendwie zu prognostizieren. Von daher ersparen wir quasi, uns darüber irgendwie Gedanken zu machen, was könnte jemand anderes tun. Ich glaube, wir haben es im Bus geschafft, alle Ideen die andere hatten, wie ich ein gutes Angebot konkurrisieren kann, mit unserer eigenen Vertirebskraft zu kontern. Ich glaube, dass wir das auch hier auf der Schiene haben. Wir haben mit unseren 40 Mio. Passagieren letztes Jahr etwas, das andere nicht haben im Fernverkehr.


Wettbewerb tut der Schiene gut. Wir wollen Verkehr auf die Schiene bringen.
Das ist der erste Schritt dazu.  

Flixmobility ist absoluter Vertriebsexperte. Sie sind Marktführer in Deutschland und Teilen Europas, was den Fernbus angeht. Sie gehen im Fernverkehr auf die Schiene. Was wird das Nächste sein? Holen Sie sich irgendwann einen Shared Mobility-Service im Bereich PKW? Wollen Sie irgendwann die Kette schließen, wann auch immer ich über 50 km hinaus unterwegs bin, sollte das dann irgendwann grün sein? Planen Sie da was?

Ich würde schon unterschreiben, dass wir für Menschen eine Alternative sein wollen, wenn es in eine Mittel- und Langstecke geht. Das ist sicherlich das, was wir erreichen wollen, das überlegt wird: ich könnte fliegen, ich könnte mit der Deutschen Bahn fahren, ich könnte Flix fahren, in könnte mein eigenes Auto nehmen. Da möchten wir rein, dass wir immer eine Alternative sind. Da ist Zug jetzt eine wichtige Ergänzung, damit wir auch wirklich in die Köpfe von Leuten kommen, die Bus bisher vielleicht nicht genutzt haben.


Wir fühlen uns mit Bus und Schiene sehr wohl. Und da liegt auch gerade unser Schwerpunkt drauf. Wir haben jetzt mit Flixtrain und der Expansion von Bussen in die USA zeitgleich mit dem Ausbau des Netzes in Europa soviel zu tun, dass wir uns auch wirklich darauf konzentrieren müssen.


Das wichtige ist, wir müssen Bus und Bahn in den Griff kriegen und das erfolgreich machen.


*  *  *


Herzlichen Dank für die Offenheit!
Das Interview führte Thomas Keup.

Alt trifft neu: Premierenzug des Flixtrain in Hamburg-Altona.
Foto: HANSEVALLEY

 Hamburg Digital Background: 

Flixmobility mit Sitz in München hat sich in den vergangnen 5 Jahren vom Fernbusanbieter zum europaweiten Mobilitätsdienstleister entwickelt. Das von Jochen Engert, Daniel Krauss und André Schwämmlein gegründete Tech- und Vertriebs-Startup hat im vergangenen Jahr mit seiner Netzplanungs- und Vertriebsplattform 40 Mio. Kunden befördern lassen. Das Fernbusnetz umfasst heute täglich 250.000 Verbindungen zu über 1.400 Zielen in 27 Ländern. In Deutschland, Österreich und der Schweiz fährt Flixbus täglich 500 Punkte an. Ab April d. J. sollen weitere 140 Haltestellen in der DACH-Region hinzukommen.

Von Schulfreunden zum Bahnschreck: Die Flixbus-Gründer
Foto: Flixmobility

Mit Übernahme des insolventen Anbieters Locomore im August '17 sammelte Flixtrain erste Erfahrungen auf den Strecken des "Hamburg-Köln-Express" (HKX) und Stuttgart-Frankfurt-Hannover. Seit Wiederinbetriebnahme der Strecken verkaufte Flixmobility mehr als 70.000 Bahntickets auf den 2 Trassen. Das VC-finanzierte Unternehmen betreibt mit Flixbus Strecken in 10 europäischen Ländern sowie Schienenkooperationen in Österreich und Tschechien und beförderte in den vergangenen 5 Jahren über 100 Mio. Fahrgäste. Flixmobility beschäftigt mit seinen Tochterfilrmen über 1.000 Mitarbeiter, hinzu kommen mehr als 7.000 Mitarbeiter bei rd. 250 Bus- und Zugbetrieben.

Fotos und Video zur Premiere:
www.instagram.com/hansevalley

Das Unternehmen Flixmobility Tech:
www.flixbus.de/unternehmen

Von GoBus zu Flixmobility:

www.gruenderszene.de/galerie/flixbus-busbranche-ueberblick

Der Bahnservice Flixtrain:
www.flixtrain.de

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