Sonntag, 27. August 2017

HANSEPERSONALITY Dr. Anjes Tjarks: "Aus dem Welthafen einen Innovationshafen machen."

Hamburgs Politik heißt Olaf Scholz. Mit "Angela Merkel" an der Elbe scheint der Koaitionspartner eher eine Randerscheinung zu sein. Pünktlich zur Halbzeit der Rot-Grünen Koalition wollen wir mehr wissen: Was treiben Wissenschaftssenatorin Katrin Fegebank und Fraktionsvorsitzender Anjes Tjarks voran? Wie können die Umweltinnovatoren zwischen Hafen, Handel und Handelskammer sichtbare Akzente setzen? Unser HANSEPERSONALITY ist Grünen-Fraktionschef Dr. Anjes Tjarks:


Grünen-Fraktionschef Dr. Anjes Tjerks
Foto: Grüne Fraktion Hamburg
Die rot-grüne Koalition feiert "Bergfest". Hamburgs Erster Bürgermeister sonnt sich nach wie vor in einem Stimmungshoch. Als Beobachter könnte man den Eindruck bekommen, die Grünen werden vom alles überragenden Stadtoberhaupt in den Schatten gestellt. Wie fällt Ihre ganz persönliche Halbzeitbilanz aus?

Wir arbeiten gerade intensiv daran, unsere ganz eigene Halbzeitbilanz aufzustellen. Dabei wird einem selbst erst richtig bewusst, was wir in Wahrheit alles erreicht haben – und vor allem wo wir überall einen Unterschied ausmachen.

Nehmen wir als Beispiel die Wirtschaftspolitik: Während die SPD seit je her eine sehr starke Fixierung auf den Hafen hat, verstehen wir Forschung und Innovation als aufstrebendes zweites wirtschaftliches Standbein Hamburgs. Hier wurden in den vergangenen zwei Jahren viele Dinge auf den Weg gebracht. Das geht vor allem auf unsere Beharrlichkeit zurück.

Für uns ist klar, dass die wirtschaftliche Zukunft Hamburgs nicht alleine vom Hafen zu schultern sein wird. Von daher sehen wir Investitionen in Wissenschaft und Forschung als Investitionen in den Wohlstand und die wirtschaftliche Zukunft unserer Stadt.

Der Hamburger Hafen ist zwar ein Welthafen, kann aber über seine Größe global nicht mehr punkten und bringt als Stadthafen erhebliche Probleme mit sich - von Schlick bis Stickoxiden. Sie sind hafenpolitischer Sprecher Ihrer Fraktion. Wie kann der Hamburg Port zukunftssicher gemacht werden, vor allem durch die nicht immer liebevoll verbündeten "Hafenriesen" HHLA und HPA?

Es ist richtig: Der Hafen muss sich dringend mit Zukunftsfragen befassen. In den Gesprächen mit Verantwortlichen im Hafen wird klar, dass dies dort auch so gesehen wird. Die Entwicklung des letzten Jahrzehntes zeigt: Auf Wachstum alleine zu setzen lohnt sich nicht, denn es tritt nicht in dem Maße ein, wie es jährlich aufs Neue prognostiziert wird.

Was wir brauchen ist einen Innovationshafen, der Vorbild für andere große Häfen der Welt sein kann. Er muss sich den Herausforderungen der Digitalisierung stellen, ökologischer und flexibler werden. Die Zukunft des Hafens hängt meiner Meinung nach nicht maßgeblich an der Frage nach der Menge des Umschlages, sondern wird über die Qualität entschieden. Also hinsichtlich Fragen wie:

Können wir auch schwierige Güter schnell und effizient umschlagen? Laufen unsere Logistik und Transportwege ins Hinterland sauber und reibungslos ab? Wie können wir als städtischer Hafen dafür sorgen, dass wir Mensch und Natur in unserer direkten Nachbarschaft möglichst wenig belasten? Diesen und weiteren Fragen wird sich der Hafen stellen müssen – und dabei wollen wir gerne unterstützen und mitwirken.

Mit "Hafen, Handel, Handelskammer" scheint man an Alster und Elbe nur noch bedingt "Staat machen" zu können. Sie kritisieren, dass es kein visionäres Leitbild gibt und die Stadt kein Zukunftsthema besetzt. Als erfahrender Pädagoge: Wie könnten Politik, Wirtschaft und Gesellschaft eine neue Vision erarbeiten und was schwebt Ihnen als Zukunftsthema vor?

Sie haben Recht, der alte Dreiklang entfaltet nicht mehr die Wirkung, die er früher erzielt hat. Hamburg ist trotzdem noch immer eine wohlhabende Stadt, aber nicht nur das, sondern auch eine sehr kluge Stadt. Wissensbasierte Wirtschaft, Forschungseinrichtungen, Hochschulen und eine hoher Anteil an Akademikern – alles mit der Tendenz „wachsen“.

Gerade wurde Hamburg auf Platz Eins der wichtigsten Städte Deutschlands von Gründer und Start-Up-Unternehmern der Technologieszene gewählt. Das zeigt doch deutlich, dass bei uns nicht nur neue Idee erdacht, sondern auch umgesetzt werden. Hier sollten wir anknüpfen. Eine vielversprechende Vision ist, vorhandene Brainpower und Finanzkraft stärker zusammen zu bringen und Hamburg zur Innovationshauptstadt zu machen. Zu einer Metropole des Wissens, die den Wohlstand der Stadt auch dann noch sichern kann, wenn die Flaute im Hafen anhält.

Was am Ende dabei herauskommt, kann ich nicht genau sagen, aber mit etwas Glück kommt „the next big thing“ aus Hamburg.

Laut kleiner Anfrage der CDU gab es im vergangenen Jahr an den 7 staatlichen Hamburger Hochschulen nur 14 Ausgründungen. Allein die Leuphana meldete im "Gründungsradar" 2016 des Stifterverbandes 55 Existenzgründungen. Wie wollen Sie mit Ihrer grünen Wissenschaftssenatorin Hamburg aus dem "Startup-Nirvana" herausholen?

Diese Diskrepanz in der Bewertung der Wirtschaft, dass Hamburg ein hervorragender Ort für Gründer und Start-Ups sei auf der einen und die niedrige Zahl der Ausgründungen aus dem staatlichen Hochschulsektor ist uns bewusst. Ich bin in regem Austausch dazu mit Katharina Fegebank – und wir haben gemeinsam schon vieles angeschoben. Die TU Hamburg wird in den nächsten Jahren massiv gefördert und deutlich wachsen. 

Wir sind aktiv dabei, Hamburg zu einem idealen Standort für Exzellenzcluster zu gestallten. Und wir wollen in Bahrenfeld einen Forschungscampus entstehen lassen, der die Infrastruktur von DESY und XFEL noch wirkungsvoller nutzbar macht. Bei diesen Entwicklungen ist auch immer mitgedacht, dass an Ausgründung Interessierte verbesserte Beratung und Unterstützungen in den neuen Strukturen erhalten sollen.

Ihre oppositionellen Gegenspieler im Wirtschaftsausschuss der Bürgerschaft treiben den Senat immer wieder in Sachen "Innovations-Wachstums-Fonds" von IFB und Hamburger Investoren vor sich her. Als Beobachter könnte man den Eindruck gewinnen, die Stadt hat Probleme, die erforderlichen Investoren für den 100 Mio. €-VC-Fonds zu gewinnen? Liegen wir falsch?

Aus Neugründungen gehen Innovationen hervor, sie schaffen Arbeitsplätze und sind eine Triebfeder der Wirtschaft und des strukturellen Wandels. Deshalb spielt das Gründungsgeschehen in Hamburg eine wichtige Rolle für die wirtschaftliche Entwicklung unserer Stadt und wird von uns aktiv gefördert. Bereits mit Erfolg: Der KfW-Gründungsmonitor 2017 kommt zu dem Ergebnis, dass die Stadt mit den meisten Gründern in Deutschland erstmals Hamburg heißt. Das liegt auch an den guten Beratungs- und Förderangeboten, die wir in Hamburg zu bieten haben.

2015 haben wir als Parlament die Einrichtung des Innovations- und Wachstumsfonds initiiert. Der Fonds soll existierende junge Unternehmen in der Wachstumsphase fördern und damit eine wichtige Förderlücke schließen. Da die Stadt einen Eigenanteil von 10 Prozent zur Gesamtfördersumme beisteuern soll, sind wir uns sicher, dass dies auch Anreize für Investoren schafft.

Mit der - nicht ganz trivialen - Umsetzung ist zurzeit die Wirtschaftsbehörde befasst. Die Hamburgische Investitions- und Förderbank (IFB) hat in Abstimmung mit der Behörde einen Prüfbericht zur Umsetzung erarbeitet, der der Wirtschaftsbehörde vorliegt. Die Ergebnisse wurden unter Einbeziehung externer Experten erarbeitet. Nun ist es an der Wirtschaftsbehörde, eine Drucksache abzustimmen. Sie wird nach der Sommerpause der Bürgerschaft vorgelegt werden.

Themen, wie die digital-vernetzte Logistikindustrie 4.0, Next Reality in der Medienbranche mit AR und VR und digitaler 3D-Metalldruck bei Airbus sind Zukunftsthemen, die in Hamburg von Wirtschaft und Kammer getrieben werden. Was kann der rot-grüne Senat machen, um nicht nur für Fahrverbote und Radwege am Elbstrand kritisiert zu werden?

Im Wesen der Politik liegt, dass Menschen vor allem dann politisch werden, wenn sie selbst direkt betroffen und die Auswirkungen für sie greifbar sind. Fortschritt hingegen wird oft entweder kritisch betrachtet oder erst dann wahrgenommen, wenn er Einzug in die breitere Gesellschaft und die eigene Lebenswelt erhält. Das macht es so schwer, die Aufmerksamkeit der Bürgerinnen und Bürger – und im Übrigen auch die der Medien – auf diese Themenfelder zu richten.

In Wahrheit bewegen wir hier ja eine ganze Menge: Hamburg soll künftig Sitzland des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) werden. Einer der Forschungsschwerpunkte wird die industrielle Nutzung von 3D-Druck für den Luftfahrtsektor sein, natürlich in enger Kooperation mit Airbus und Lufthansa Technik. Zudem ist Teil der Fraunhofer-Strategie der Wissenschaftsbehörde, die Ansiedlung einer Forschungseinrichtung mit Schwerpunkt 3D-Druck. Hier hoffen wir auf weitere Meilensteine im zweiten Halbjahr 2017.

Was wir machen müssen, ist nimmermüde auf unsere Erfolge und angestoßenen Entwicklungen hinweisen. Konsequent den eingeschlagenen Weg weiter gehen und gemeinsam mit den Akteuren daran arbeiten, dass ein anderes Bewusstsein für die die Bedeutung von Innovation, Forschung und Wissenschaft entsteht. Ich bin überzeugt, dass sich innerhalb des kommenden Jahrzehntes die Sichtweise der Hamburgerinnen und Hamburger auf ihre Wissenschafts- und Innovationslandschaft grundlegend verändern wird.

Zu guter Letzt unsere traditionelle Hamburg-Frage: Sie kommen aus Barmbek, sind in Jenfeld aufgewachsen, wohnten in Wandsbek und sind Abgeordneter für Altona. Was läuft aus Ihrer Sicht in Hamburg in Sachen Digitalisierung und Innovationen gut und wo möchten Sie ihren Senatskollegen der SPD ein paar Ratschläge ins Stammbuch schreiben?


Die meisten Dinge, die gut laufen, habe ich ja bereits angeführt. Mich freut, dass der ganze Bereich mehr und mehr in die Köpfe der Politiker und Entscheider rückt – auch wenn es für meinen Geschmack schneller und auch mal risikobereiter zugehen könnte. Etwa in den Bereichen nachhaltige Wirtschaft, emissionsfreier/armer Verkehr, auch durch autonomes Fahren, oder ökologischer Hafen, da kommt Bewegung rein. Aber das ist mehr ein vorsichtiges herantasten – das reicht nicht aus, um in Deutschland Vorreiter zu werden. 

Dabei zeigt sich am Ende meistens: Gesellschaftlicher und technischer Fortschritt lässt sich nicht aufhalten, dass spürt etwa die Automobilindustrie gerade sehr deutlich. Hier böte sich eine große Gelegenheit durch eine massive Bereitstellung von Ladeinfrastruktur einen notwendigen gesellschaftlichen Wandel zu beschleunigen – von dem das gesamte Klima der Stadt profitieren würde.

Vielen Dank für die offenen Antworten!

Das Interview führte Thomas Keup.

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