Mehr als 8 Jahre steckt die deutsche Schifffahrtsbranche in der Krise. Allein in den vergangenen 2 Jahren hat sich die Zahl der Linienreedereien von 20 auf 12 verringert. Die globale Allianzen "2M", "Ocean Alliance" und "The Alliance" bestimmen über Wohl oder Wehe der Containerhäfen. Zugleich machen internationale Speditionen Druck. Mit Datenauswertungen und digitalen Services kämpfen Reedereien und Forwarder um die Führungsposition in der digitalen Supply Chain.
Der schöne Schein trügt: Hafen, Reedereien und Schifffahrtsbranche stehen unter Druck: Foto: mediaserver.hamburg.de / Look Bildagentur der Fotografen |
Deutscher Reederverband, Deutsche Verkehrszeitung und Digital Hub Logitics Hamburg laden zu Pitch-Contests für Logistik- und Schifffahrtsnachwuchs. CMA CGM und MSC planen Marseille zur maritimen Startup-City zu entwickeln. Doch was machen kleinere Reedereien ohne IT- und Digitalabteilung? Was machen Eigener und Betreiber, die ihr Business nicht in die Hände von Klassifizierern wie DNV GL legen wollen? Im Mindspace am Rödingsmarkt entwickelt ein junges Familienunternehmen die digitale Zukunft an Board. Ein Hamburg Digital Report:
Hamburg-Altstadt, im 2. Stock des Coworking-Spaces Mindspace: Hier im Digital Hub Logistics Hamburg ist das Zuhause des Familienstartups NautilusLog. Der 35-jährige Informatiker Otto Klemke sitzt die meiste Zeit hinter seinem Monitor, codet an einer Software, die die Welt verändern kann. Zu dem jungen, stadtbekannten Informatiker aus Winterhude gesellt sich sein 2 Jahre älterer Bruder Moritz. Der gelernte Schiffbau-Ingenieur aus Hoheluft weiß, worauf es in der kommerziellen Schifffahrt ankommt.
Familen-Startup aus dem Mindspace: Die Familie Klemke von NautilusLog Foto: NautilusLog |
"Logbücher melden sich nicht bei Dir, wenn etwas gemacht werden muss."
Es geht um das gute, alte Logbuch. Bis zu 80,- € kostet ein Exemplar, nur ein paar Monate reicht es. Allerdings gibt es davon bis zu 20 verschiedene Versionen, z. B. ein Decks Book, ein Garbage Book oder ein Oil Record Book. Bis zu 10 Logbücher fahren auf einem Frachter mit - müssen gehegt und gepflegt werden. Das Problem mit gedruckten Dokumentationen bringt Co-Founder Otto Klemke auf den Punkt: "Logbücher melden sich nicht bei Dir, wenn etwas gemacht werden muss. Und sie sagen dir nicht, wie man etwas erledigen kann." Neben Reparaturen, Wartung und Pflege spielen Daten im Schiffsbetrieb eine immer wichtiger werdende Rolle.
Mit der EU-Direktive 2015/757 aka "MRV" werden ab Beginn des Jahres die Kohlenmonoxidwerte im gesamten Seeverkehr europaweit gemonitort, reportet und verifziert. Zum 31.12. jeden Jahres müssen Reeder für alle Schiffe ab 5.000 Bruttoregister-Tonnen mit Anläufen in EU-Häfen ihre Daten abliefern. Ab Anfang kommenden Jahres wird mit dem "Gesetz zur Verhütung von Luftverschmutzungen" die Messung im Auftrag der International Maritime Organization (IMO) weltweit verbindlich. Ein guter Startpunkt, um Reedern digital unter die Arme zu greifen.
Über 25 mögliche Anwendungsszenarien für die NautilusLog-App
In über 50 Gesprächen mit Eignern, Schiffsmanagern und Zertifizierern evaluieren Otto und Moritz die Chancen für ein digitales MRV-System. Die jungen Digitalisierer kommen mit Vertretern aus den Nordics und Frankreich ebenso ins Gespräch, wie mit Interessenten aus Kanada und Japan. Einhelliger Tenor aus dem Markt: 'Baut das aus!' Anfang 2017 geht der erste Prototyp auf der Route Hamburg-Rotterdam in den Live-Test. Es folgen unzählige Gespräche. Im Sommer '17 ein erstes Highlight: Die "Deutsche Flagge" unterstützt die jungen Hamburger bei ihren Bemühungen, aus dem MRV-System ein digitales Logbuch werden zu lassen.
Die NautilusLog-App nit ihren Funktionsebenen Foto: NautilusLog |
Daten sollen nur noch einmal erhoben und mehrfach genutzt werden.
Nicht selten schleichen sich Zahlendreher in die händischen Aufstellungen, häufig werden Daten zu den selben Themen für verschiedene Bücher mehrfach parallel erhoben. Niemand gleicht diese Daten ab, korrigiert Differenzen und gibt Empfehlungen - z. B. zu Wartungsintervallen. Von ihrer Nutzerdenke und ihrer mobilen Erfahrung her haben die jungen Schiffsexperten zusammen mit ihrem Vater das Thema Logbuch neu gedacht. Das Grundprinzip: Daten werden nur noch einmal erhoben - und dann mehrfach und konsistent genutzt - in Echtzeit.
Der zentrale Datenansatz ermöglicht die Verteilung von Aufgaben an die richtigen Mitarbeiter zur richtigen Zeit. Dabei ist jedes eingesetzte Smartphone an Board Client und Server zugleich. Die Geräte können offline untereinander synchronisiert werden. Ebenso sind Backups ohne Funkverbindung möglich. Damit setzt das Tech-Team von NautilusLog auf volle Nutzbarkeit für Großreeder mit eigenen Rechenzentren ebenso, wie für kleinere Reedereien ohne eigene IT-Abteilung. Die Daten können über einen handelsüblichen PC ausgelesen und in Excel-Tabellen verarbeitet werden.
Gründer Otto Klemke: "Einen PC nimmst Du nicht mit in den Schiffstank."
Dashboard der NautilusLog-App aus Hamburg. Foto: NautilusLog |
Mittlerweile ist die 1. voll funktionsfähige Version der NautilusLog-App veröffentlicht - einschließlich MRV-Emissionstracking und IHM-Schadstoffreporting. Ab Anfang kommenden Jahres ist auch die Erweiterung um den internationalen DCS-Standard geplant. Heute ist NautilusLog noch auf das Tracking und Reporting einzelner Aufgabe beschränkt. dazu kommen Rollen und Berechtigungen für Management, Crews und Dienstleister. Zudem ist eine einfache Analyse inkl. Benchmarking möglich - z. B. zwischen Schiffen der Flotte. Damit das System keine Falle wird, basiert NautilusLog auf offenen Standards und ist modular erweiterbar. So können Services anderer Dienstleister oder künftige Berichtspflichten eingebunden werden.
InnoRampUp-Unterstützung und internationales Förderprogramm
Die Mühen der vergangenen 1,5 Jahre haben sich schon gelohnt: Im Rahmen des IFB-Startupprogramms "InnoRampUp" erhielt NautilusLog im März 147.000,- € für die weitere Entwicklung und Markterschließung. Dazu kommen noch einmal 25.000,- € für die Entwicklung der Datenschnittstelle von der Wirtschaftsbehörde BWVI. Schließlich hat das Team um Otto Klemke die Zusage zur Teilnahme an einem internationalen Forschungsprogramm zu den Themen "Smart Ship", "Smart Port" und IoT, verbunden mit 170.000,- € Förderung. Damit geht das maritime Startup seinen Weg.
Mit bis zu 10 Logbücher bestückt. Container-Frachter im Hafen. Foto: HHM / Hasenpusch |
Digitale Zustandsdokumentation, Hafenboote & DIN-Standards
In Zusammenarbeit mit einem Hamburger Ingenieurbüro und einem Reeder mit über 150 Schiffen ist eine mobile Zustandsdokumentation in Planung. Außerdem fährt das digitale Logbuch seit April d. J. im Hamburger Hafen mit, um künftig auf Hafenbooten und in der Binnenschifffahrt zum Einsatz zu kommen. Die jungen Hamburger sorgen auch über die Stadtgrenzen hinaus für Impulse in der Schifffahrt. NautilusLog ist Mitglied im Deutsches Institut für Normung (DIN). Das Team arbeitet z. B.in einer Arbeitsgruppe an den Standards für digitale Logbücher mit.
Und das ist erst der Anfang: Gespräche mit Reedern über den Einsatz der App für verschiedene Szenarien sind im Gange. Dazu kommt der Austausch mit internationalen Klassifizierungsgesellschaften aus dem Ausland. Doch zunächst steht Otto Klemke in der kommenden Woche in Harburg auf der Bühne, um als eines der innovativsten Startups an Alster und Elbe einen weiteren wertvollen Preis mitnehmen zu können - auf dem Weg zur digitalen Schifffahrt. Wir drücken alle Daumen!
Hamburg Digital Background:
NautilusLog-App:
www.nautiluslog.com/de/index.html
PitchBlue von VDR & Partnern:
https://www.pitchblue.hamburg/
Digital Hub Logistics Hamburg:
www.digitalhublogistics.hamburg
HANSESERVICE: Alle Kontakte in den Hamburger Hafen:
http://hh.hansevalley.de/2017/03/hanseservice-hamburg-hafen.html
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