Mittwoch, 19. September 2018

HANSESTARTUP Recalm: Was laut ist, wird leiser ... und leiser.

HAMBURG STARTUP REPORT

Lärm macht krank. Wir leiden körperlich und geistig, wenn es zu laut wird. Schwerhörigkeit ist die zweitgrößte Berufskrankheit in Deutschland. Jeder 8. Bundesbürger leidet unter Hörschäden. Wer in der Stadt lebt, hat durch Straßenlärm schlechte Hörwerte, als Landbewohner. Marc von Elling kennt das aus eigenem Erleben. An der Hauptverkehrsachse zwischen Altstadt, Neustadt, Altona und Blankenese ist im Sommer die Hölle los.


Das Team der Hamburger Tech-Startups Recalm.
Foto: Recalm

Ein sechköpfiges Team um den Elektroingenieur hat den Kampf gegen Lärm auf Baustellen aufgenommen. Unterstützt von Airbus und Stadt startet das Tech-Startup Recalm jetzt durch - auf dem Weg zum Lösungsanbieter für schallbasierten Lärmschutz in Führerständen von Baggern und Landmaschinen. Ein Hamburg Startup Report - entstanden in einem lauten Zugabteil zwischen Hamburg und Berlin: 

Ein Montag-Morgen, im ICE 1518 von Berlin nach Hamburg. Im "Bahn Comfort"-Abteil macht es sich eine Gruppe junger Mädchen bequem. Die Sportlerinnen entertainen den halben Wagon. Im Business-Abteil stört das die Pendler zwischen Spree- und der Alstermetropole wenig. Sie haben große Kopfhörer auf, auf diesen bekannte Namen, wie "Bose" und "Beats". Das Geheimnis der Geschäftsreisenden heißt Active Noice Cancelling - kurz: ANC - und ist Standard im Kopfhörer jedes Vielfahrers. Ob schrille Reisegruppe, quängelnde Kleinkinder oder lautstarke Urlauber - mit einem Klick ist Ruhe.

Szenenwechsel: Donnerstag, 17. Mai, Hamburg Innovation Summit in Harburg. Wirtschaftssenator Frank Horch besucht die Ausstellung junger Unternehmen und visionärer Hamburger Hochschulprojekte in einer zugigen Garage des TU Tech-Gebäudes gegenüber dem künftigen Innovationsport am Harburger Hafen. Der interessierte Spitzenpolitiker setzt sich in die Kabine eines Kompaktbaggers und lässt sich die Arbeit des Hamburger Startups Recalm erklären. Was BahnCard 100-Nutzer in ihren Over Ear-Kopfhörern haben, gibt es auch in Kopfstützen von Fahrerhäuschen - inkl. Antischall. Und das ist eine Innovation für den Industriestandort Hamburg.


Wirtschaftssenator Horch im Demo-Bagger in Harburg.
Foto: HANSEVALLEY

Der Anfang des Hamburger Tech-Startups Recalm begann auf einer mit HANSEVALLEY befreundeten Matching-Plattform - Founderio. Der Hamburger HAW-Student Marc von Elling suchte auf der von Studenten der Berliner Gründerhochschule HWR initiierten Plattform nach Mitstreitern. 'Ich möchte die Lebensqualität durch Lärmminderung erhöhen', schrieb der Elektrotechniker frei von der Leber weg. Betriebswirt Lukas Henkel aus dem Rheinland blieb an der Recalm-Website hängen. Gesucht, gefunden - in weniger als 11 Minuten - und ohne Jahresabo. Lukas erzählt im Recherchegespräch, wie bei Co-Founder Marc alles mal losging.

Active Noise Cancelling: Schall hilft gegen Schall.

Sommer 20216, eine Wohnung oberhalb des Fischmarktes, dort wo der 112er Bus seinen Schlenker macht. Die Fenster bei schönsten Wetter offen lassen, das ist für den jungen Studenten der HAW eine Herausforderung. Bei fast 30 Grad mit einem "Bose QuietComfort 35" der Abteilung "Bahn Comfort" durch die Wohnung zu laufen ist nicht wirkliche eine Alternative. Dem sympatischen Techi kommt eine Idee: Das Grundprinzip Schall gegen Schall zu setzen, um die Ohren zu schonen, gibt es seit 1930. Wie wäre es dann, wenn das Prinzip auch ohne Kopfhörer möglich wäre? Eine Idee ist geboren.


Unterschied mit und ohne Recalm in der Baumaschine.
Grafik: Recalm

Beim Pitch-Event bei Airbus setzt sich das junge Team um den Embedded Systems-Spezialisten Marc gegen 90 Ideen aus 30 Ländern durch. Im Inkubator bauen sie ihr Team mit 3 Startuppern auf und werden über 6 Monate auf ihren weiteren Weg vorbereitet. Neben Büroflächen helfen den Gründern vor allem Workshops und Coaching. Ein Mentor aus dem Airbus-Management gibt ihnen wertvolle Tipps. Ralf Ressel, Ingenieur und langjähriger Entwicklungsleiter für Baumaschinen wird ihr 4. Mann. Bis heute gibt es ertrauensvolle Kontakte zu Airbus, auch wenn sich Recalm in eine eigene Richtung entwickelt. 

Vom Flugzeug zu Baumaschinen zu Bahnsitzen.

Das Nachwuchsunternehmen spezialisiert sich auf Bau- und Landmaschinen. Der Lärmpegel auf Baustellen und im Außeneinsatz ist vergleich mit dem einer startenden Passagiermaschine. Die Schlüsselfrage wird: "Wie können wir Baustellen leiser machen?" Co-Founder Lukas Henkel ergänzt: "Wenn wir einmal in einem Sitz einer Baumaschine präsent sind, können wir später vielleicht in einem Flugzeug- oder Bahnsitz oder dem heimischen Ohrensessel aktiv werden." Womit er der beste Freund von tausenden täglicher Bahn-Pendler zwischen Haupt- und Hafenstadt werden dürfte. Doch zunächst arbeitet das junge Team am Führerstand eines Bagger- oder Maschinführers.

Mit dem Exist-Gründerstipendium des Bundes i. H. v. 125.000,- € konnten die pfiffigen Jungunternehmer ab Mitte 2017 durchstarten und ihren Prototypen mit einer intelligent-vernetzten Kopfstütze und cleveren Lautsprechern zur Rauschunterdrückung weiterentwickeln. Ein Jahr später der erste Markterfolg: In einem mehrwöchigen Stresstest wird das Recalm-System im Stresstest bei einem Pilotkunden getestet. Ein System, das im Kern aus Fingernagel-großen Mikrofonen, 3 Zoll-Laursprechern, einer Hardware-Plattform leistungsfähigen Chips und einer intelligenten Betriebssoftware mit eigens entwickeltem ANC-Algorythmus der Harburger Tüfftler.


Keine Kopfhörer, keine Kopfschmerzen, kein Hörschaden.
Grafik: Recalm

Nach dem Exist-Gründerstipendium unterstützt auch die Stadt Hamburg die visionären Gründer - fast mit dem Höchstbetrag der IFB-Gründerförderung "InnoRampUp". Dabei entwickeln sich die Profis  der IFB Innovationsstarter GmbH zugleich zu Sparrings-Partnern mit Rat und Tat. Der 28-jährige Wahl-Hamburger Lukas freut sich, ganz vorn dabei zu sein: "Es ist ein Produkt, dass die Leute gebrauchen können." Jetzt geht es um den ersten Pilotkunden. Bereits im nächsten Jahr wollen die zukunftsweisenden Hamburger auf der weltgrößten Baumaschinenmesse "Bauma" in München präsentieren, ihre Neuheit der Branche demonstrieren und Kontakte für Projekte gewinnen.

Ein Unternehmen aufbauen statt Bullshit-Bingo.

Im Gegensatz zu Hype-Statups an de Spree sehen die Recam-Gründer durchaus einen Fokus auf mittelständische Familienunternehmen unter den Baumaschinenherstellern, und nicht nur Marktführer, wie Caterpiller, John Deere und Kumastu. In ihrem Marketing beschränkt sich das heute 6-köpfige Team vor allem auf Messebesuche zur Vernetzung sowie auf die Teilnahme an Seminaren und Tagungen. Das Team aus 3 Wirtschafts-/Ingenieuren und 1 Betriebswirt plus Praktikanten hat sich auf den Weg gemacht. Co-Founder Lukas gibt uns als Inside mit: "Uns wird zurückgespielt, sehr gemischt aufgestellt zu sein." Und schließt mit den hoffnungsvollen Worten: "Das ist kein Projekt, dass 6 Monate laufen soll. Wir wollen organisch ein Unternehmen aufbauen." Wir nennen das ein echtes HANSESTARTUP.





* * *

 Hamburg Digital Background: 

Recalm Hamburg:
www.recalm.com

Active Noise Cancelling, ANC:
www.itwissen.info/ANC-active-noise-cancelling-ANC-Verfahren.html

--

Hamburg Innovation Summit:
https://hamburg-innovation-summit.de/

IFB Innovationsstarter:
https://innovationsstarter.com/

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen