Dienstag, 25. Februar 2020

HANSESTATEMENT: Die Hamburger Wahlshow. Meiner ist größer, als Deiner ...

HAMBURG DIGITAL WAHLNACHLESE
- von Chefredakteur Thomas Keup -
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Die große ZDF-Show zur Hamburg-Wahl 2020.
Foto: HANSEVALLEY

'Nazis raus, Nazis raus, Nazis raus!' skandierte die emotional aufgewühlte Hafen-/Arbeiterklientel auf der SPD-Wahlparty am Sonntag-Abend in der Markthalle angesichts der kurzzeitig aufgeflackterten Hoffnung aus den ARD- und ZDF-Prognosen, der politische Todfeind AfD könnte aus der Hamburger Bürgerschaft verbannt worden sein. Für Chefstrippenzieher Johannes Kahrs wäre es laut seines fragwürdig deplatzerten Fernsehinterviews der schönste Tag werden können, wenn die millionenteuren Demoskopen nicht im zu vermutenden Corona-Fieber ihre eigenen politischen Wunschträume in hoffnungsgeschwängerte Prognosen gepackt hätten.



Im Internet kommt alles raus ...
Quelle: Twitter

Was den Sozis in Hammerbrook recht war, war den grünen Gespielin*innen im Karolinenviertel nur billig. Zusammen mit den Block-Freunden der Linken gingen sie von einem fulminanten Abgang der ungeliebten Hamburger Ex-Schill-Politiker aus. Diese Hoffnung nährte auch das bis zum Wahlwochenende als einigermaßen unabhängig geltende Pressecorps in der Fernsehhalle A2 der Messe Hamburg. Mit Veröffentlichung der 18.00 Uhr-Prognose jubelten zahlreiche Journalisten und redaktionelle Mitarbeiter von ARD, NDR, ZDF & Co. lautstark mit, als die vermeintlich glücklich machenden 4,7% AfD-Prognose bundesweit über den Schirm flimmerten.


Jubelten mit? Ja, genau. Vor laufenden Mikrofonen? Ja, genau. Zeigten ihr wahres Gesicht? Ja, genau. Gaben ihre Unabhängigkeit auf? Ja, genau. Betrieben offen Parteipolitik? Ja, genau. Der rot-grün gefärbte Pressetross von ARD, NDR und ZDF schlug damit der Demokratie und den unabhängigen Wählern mit geballter Faust einmal ins Gesicht. Vorausgegangen war ein aus heutiger Sicht durchaus als manipulativ wirkendes Runterpunkten der AfD bei Infratest Dimap (ARD + NDR) ebenso, wie bei der Forschungsgruppe Wahlen (ZDF). 


237 weniger Stimmen für die AfD-Landesliste: Ein "denkbar knapper Einzug"?

"Die öffentlich-rechtlichen Sender sind die eigentlichen Verlierer der Wahl", titelte Matthias Adler in der 1. Ausgabe des "Tagesjournals" nach dem Wahlabend. Mit einer Differenz von 0,6% bzw. gerade einmal 237(!) weniger Landesstimmen blamierten die Demoskopen nicht nur die sie bezahlenden Fernsehsender. Panisch versuchte die rot-grüne Journaille später, daraus einen "denkbar knappen Einzug" kleinzureden. Während die Erbsenzähler für die CDU eine Punktlandung hinlegten und bei SPD, Grünen und Linkspartei nah dran lagen, griffen sie bei der AfD tief in die Schüssel. 



Peinlich für ARD + ZDF: Die Hochrechnung von Statistik Nord
Grafik: Twitter

Der Grund: "Soziale Erwartung", heißt: AfD-Wähler sagen vorm Wahllokal bei Befragungen ("Exit Polls") nicht immer, was sie gewählt haben. Und das wusste man nicht vorher? Echt nicht? Das statistische Landesamt meldete bereits um 19.40 Uhr in seiner 1. Hochrechnung einen Wert von 5,8% für die AfD - auch wenn die Statistiker ihre Server nicht im Griff hatten. Die Freunde des Ersten schafften es erst 1,5 Stunden nach der Prognose von 18.10 Uhr und mehr als 1 Stunde später als "Statistik Nord" um 20.47 Uhr, ihre peinliche Prognose zu korrigieren und sich der Realität zu stellen, dass die Populisten der AfD doch drin sein könnten. 

Auch beim Überleben der Liberalen mit schließlich 1.582 fehlenden Stimmen zeigten ARD und ZDF, was sie nicht konnten: Das Statistikamt war mit seinen Wasserstandsmeldungen am Wahlabend schneller und genauer, als die schicken Laufbänder der Millionen-teuren, öffentlich-rechtlichen Wahlshows. Womit wir beim eigentlichen Aufhänger dieses Statements sind: Der Geldverschwendung von ARD, NDR und ZDF in der Messehalle A2. Die riesigen Messestände mit eingebauten Studios, Redaktionen und Backoffices zeigten, worum es wirklich ging: Zwei über ihre Rundfunkräte politisch beeinflusste Fernsehtanker, die im besten US-Style versuchten, sich gegenseitig zu übertrumpfen.


Lauter schicke Stehtische: Das NDR-Flagschiffstudio zur Wahl.
Foto: HANSEVALLEY

Szenenwechsel: Ein beschauliches Jungeninternat ganz im Süden, in den Bergen. Die bekannte Dreierklicke aus großem und kleinem Bruder sowie bestem Freund steht an diesem Sonntag-Abend - wie regelmäßig an besonderen Sonntagen - mit halb heruntergelassenen Hosen am Waldrand. Sie kennen das Bild aus bekannten Filmen zu pubertierenden Jugendlichen. Und wie im Film geht es auch heute wieder um die einzig entscheidende Gretchenfrage: 'Wer hat den Größeren?' Und: 'Wer ist als erster fertich?'

Nach minutenlangem Schwitzen in ihre blauen und orangen Sweatern (nicht zu verwechseln mit blauen und orangen Sweatern von ARD, NDR und ZDF ...) kommt an diesem Abend ... nur heiße Luft. Denn die beiden Brüder - A. und N. - sowie ihr bester Freund - Z. - hatten den Schnabel zu weit aufgerissen. Übersetzt: Statt schneller Hochrechnungen versendete das Erste zur besten Sendezeit ... die Lindenstraße. Ansonsten tingelten Scholz, Tschentscher, Fegebank & Co. von Sender zu Sender, von Gruppen-, zu Pärchen-, zu Einzelinterview. Großartiger Journalismus, Echt, wirklich ...


Messe Hamburg Halle A2: Willkommen im "Laufhaus" der Fernsehgiganten!

Das alles kostete Millionen. Fakt: Die LKW-Auflieger des Südwestrundfunks auf dem Messe-Parkplatz. Fakt: Die SNG- und Ü-Wagenflotte des NDR hinter der Messehalle A2. Fakt: Die Protzbauten von ARD, NDR und ZDF - im Vergleich zu den - einer regionalen Stadtwahl - angemessenen Auftritten von Hamburg 1, NTV und Phoenix. Bezahlen werden dieses "Laufhaus" (das hat unser Landeskorrespondent beigetragen ...) die Wähler in Hamburg und der ganzen Republik mit steigenden Rundfunkgebühren. Für ein System aus purer Protzerei, millionenschwerer Gebührenverschwendung und wertendem Journalismus. 


Anders kann man die manipulativ wirkende Aussage von NDR Hamburg-Politikchefin Sylvia Burian nicht werten, als sie bei Vorstellung des Wahlstudios inkl. jedes einzelnen Stehtisches am Vorabend zur besten Sendezeit mit den Worten abschloss: '... wenn die Hamburger dann SPD gewählt haben.' Das war selbst Moderatorin Julia-Niharika Sen peinlich, so dass sie das vorweggenommene amtliche NDR-SPD-Endergebnis mit einem professionellen Abbinder relativierte. Fremdschämen für die peinliche Entgleisung einer sich selbst vielleicht ein wenig zu wichtig nehmenden Lokalpolitik-"Chefin".


Analyse der CDU in Hamburg: Gestern Klippe, heute einen Schritt weiter ...

Nicht nur die Demoskopen lieferten zur Hamburg-Wahl Pleiten, Pech und Pannen: In Langenhorn verwechselten die Wahlhelfer liberale mit grünen Stimmen, in Winterhude rote mit grünen Stimmen. In Wandsbek errechneten die Statistiker eine Wahlbeteiligung von über 100%. Im Gegensatz zum Stimmbezirk 30401: Hier wurden Stimmen kurzerhand ins Altpapier befördert. Nach Rausfischen aus der Papiertonne fehlten 18 Zettel. Und in Neugraben tauchten 16 jungfreuliche Stimmzettel aus Bergedorf auf. Auf Grund von Server-Problemen konnte das Statistische Landesamt erst am Montag-Mittag die zweite Auszählung vornehmen. Macht nichts: Am Wahlabend war die Homepage des Statistikamts auch bis 20.30 Uhr nicht erreichbar.

Schauen wir uns die Hamburger Rathauspolitik einmal ohne die rote Brille einer NDR-"Chefin" an: Die SPD regiert jetzt mit der absoluten Mehrheit der Generation 70+ sowie der Marktführerschaft bei den 60-Jährigen. Diese Position hat sie mit allem Elan der CDU abspenstig gemacht. Die Christdemokraten haben bei dieser Wahl nicht nur den letzten USP - sprich die Wirtschaftskompetenz - verloren, jetzt fehlen ihnen auch noch die letzten Wählertruppen, um passable Ergebnisse einzufahren. 'Gestern Klippe, heute einen Schritt weiter', könnte man pointieren. Würden wir aber nur schreiben, wenn es wirklich so wäre. Ach ja, ist ja tatsächlich so ...

Mehrheiten 2020: Links-liberal-sozial-ökologische ... "Hipster-Hackfr.ssen"

Dies ist nicht nur ein Trend in grünen Studentenmetropolen, wie Berlin, Hamburg, Köln, Leipzig oder München. Dies ist das eigentliche Problem der CDU - fernab der Diskussionen über einen neuen Bundesvorsitzenden. Was die CDU hinter sich hat und wo die SPD gut auf Kurs ist, darauf dürfen sich die Grünen als Nächstes freuen. Im kommenden Schritt werden nicht nur die Alt-Grün*innen Petra Roth, Christian Ströbele und Jürgen Trittin "heraus wachsen". Dann sind die grünen Wähler dran, die SPD und CDU schon lange nicht mehr erreichen.


Noch sprechen die grünen Mehrheitssieger*innen in den Wählergruppen 25-34, 35-44 und 45-54 mit inhaltsarmen, dafür aber umso emotional angepickteren Wahlkämpfen die gegenderten, toootal betroffenen Generationen "Y" und "Z" an. Die "taz", das Kampfblatt der - dank Rot-Grün in Hamburg unter Artenschutz stehenden - Steinewerfer, bringt sie als "links-liberal-sozial-ökologisches Spektrum" aka "Cityoen" (was nichts anderes als ein gehipstertes Bürgertum ist, liebe "taz") zusammen. Wir nennen sie in ihrer nicht selten dümmlichen Version einfach "Hipster-Hackfr.ssen". Und die wählen auch eine Partei, die inhaltlich schwach bis nichtssagend aufgestellt ist - laut Deutschem Startup-Monitor mit 48% Fanschaft in der Hamburger Startup-Szene. 

Eine reGierende SPD vor dem Verteilen des Bärenfells. Ein großartiger Verein!

In ein paar Jahren wird es wieder spannend: Welche Partei schafft es dann, die Generation 16- bzw. 18-24 emotional und inhaltlich anzusprechen, um sie mit ihren Personen und Positionen als Wähler zu binden? Die Spekulationen reichen von einer aktuell erfolgreich Erst- und Jungwähler adressierenden Linkspartei über eine junge, Eliten und Intelligenz ansprechenden FDP bis zu einer für jüngere, wertorientierte Wähler interessanten Neu-CDU - nach österreichischem Vorbild, mit digitaler Organisation und Merz als Vorsitzendem. Oder werden es doch Wählerinitiativen, die monothematisch Interessen einzelner Gruppen vertreten? 

"Hier regiert die SPD, hier regiert die SPD, hier regiert die SPD" skandierten Hamburgs SPD-Wahlkämpfer mit Quietscheentchen-Angler Andy Groth (Das macht der wirklich! Die Red.) vorneweg, als Spitzenkandidat Peter Tschentscher um 22.30 Uhr zurück in die Markthalle kam. Wer nicht genau hinhörte, konnte sowas wie eine "gierige SPD" verstehen. Ob sich das akustische Missverständnis zur machtpolitischen Realität im Senatsgehege entwickeln wird, werden wir in einer neuen Folge unserer Rathausberichterstattung "Meiner ist größer, als Deiner ..." erfahren. Dann sicher auch wieder mit Chefstrippenzieher Kahrs ganz vorn mit dabei.

In diesem Sinne: Jeder bekommt das, was er gewählt hat. Viel Freude damit!


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