Mittwoch, 10. Januar 2018

HANSEINVESTIGATION: Die Startup-Abzocke von Harburg.


Unabhängig. Unmanipuliert. Ungewollt.
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Die millionenschwere Steuerverschwendung
an der Süder-Elbe - Teil 3:

Hamburgs Wissenschaftssenatorin Katharina Fegebank erklärt am 3. März 2017 zur Eröffnung des Innovation Campus Green Technology: „Gute Ideen und innovative Gründungsansätze brauchen das richtige Umfeld, um erfolgreich sein zu können. Ich freue mich, dass wir so einen Ort mit dem ICGT geschaffen haben. Das einzigartige Konzept der kurzen Wege, schnellem Austausch und der ganzheitlichen Betreuung bietet die Chance junge Talente zu gewinnen und Hamburg als attraktiven Innovationsstandort weiter auszubauen.

Eröffnungsakt nach der Sanierung: ICGT Harburg
Foto: Presseservice TU Harburg/StartupDock

Was steckt hinter dem Innovation Campus Green Technology? Welche Rolle spielt das lautstarke "Startup Dock" von TuTech? Und wie werden Hamburgs Tech-Startups zur Kasse gebeten - mit wucherähnlichen Mieten? Schließlich: Was plant Martin Mahn mit "Virtuellen Transferstellen"? HANSEVALLEY hat sich umgeschaut, weiter recherchiert und erstaunliche Zusammenhänge gefunden. Ergebnis: In Harburg wird offesichtlich ein Startup-Ökosystem mit virtueller Plattform und subventioniertem PR-Betrieb geschaffen - vor den Augen von Senat und Bürgerschaft.


HANSEINVESTIGATION: Die millionenschwere Steuerverschwendung an der Süder-Elbe - Teil 3: Die Startup-Abzocke von Harburg.

Es scheint festzustehen: Hamburg Innovation aka TuTech Innovation will auf Dauer Herr über das Gründungsthema an Hamburgs staatlichen Hochschulen werden. In der aktuellen Stellenausschreibung für "beyourpilot" steht: "Zunächst ist die Anstellung auf 5 Jahre befristet mit der Option auf Verlängerung, ggf. Entfristung." Nicht genug: Mit der Auschreibung für den "Startup Port" plant Hamburg Innovation offensichtlich auch gleich die PR für alle Hamburger Hochschulgründungen zu übernehmen. Beweis: ein ausgewiesener "Pressebereich" im Lastenheft der Onlineplattform (Punkt 20).

Unter Punkt 1.3 des Lastenheftes für "beyourpilot" ("Zukünftige Lösung") steht: "Durch die Virtualisierung bestehender Beratungsangebote soll die Schwelle zur Anfrage und Inanspruchnahme gesenkt werden." Unter 1.4 ("Langfristiges Projektziel") heißt es: "Insbesondere soll bei Mitarbeitern in Hochschulen sowie bei der Zielgruppe der Plattform – primär Wissensgründer aus dem Hochschulumfeld – die Plattform als zentrales Instrument bei der Beratung und Förderung von Gründern im Bewusstsein verankert werden." Unter 1.5 ("Ziele am Projektende") lesen wir: "Ziel ist eine von allen beteiligten Partnern und von den Mittelgebern gestützte Fortführung des Projekts nach Ende der vorgesehenen Projektdauer von bislang 60 Monaten". 

"beyourpilot" - Lock-in-Falle für Gründerförderung?


Hier baut sich anscheinend jemand auf Kosten des Stadtsäckels sein künftiges Geschäftsmodell auf, als "Gründerpate" aka "Projektkoordinator" - aber ohne Personal, weil dann virtuell. Dies wird in Punkt 4.7 ("Virtuelle Transferstellen") der Ausschreibung offensichtlich. Auch wenn alle Transferstellen der staatlichen Hochschulen eingeladen sind, ihre Leistungen über die Plattform zu erbringen. Wer betreibt künftig das Portal? Wer bestimmt laut Ausschreibung, wo die Plattform gehostet wird? Wer hat damit die Datenhoheit? Da ist er wieder, der "Fuchs im Hühnerstall" aus Harburg.

Als Feigenbaltt für die Gründeraktivitäten schickt der Harburger Martin Mahn gern seinen "Startup-Doktor" ins Rennen: Dieser berät die Harburger Uni-Startupszene mit sage und schreibe 14 Mann im hauseigenen "Startup Dock" - auf 300 qm luxussanierter Bürofläche. Nimmt man 3 dekorative Vizepräsidenten und Akademische Direktoren aus der Personalpräsentation heraus, bleiben stolze 11 Mann auf staatlichen Stellen - plus Aushilfen, plus Hund. Bei aktuell 7 geförderten Startups entfallen auf jede Gründung 1,5 Berater, plus Aushilfen plus (geteiltem) Hund. Aus Steuergeldern.

Die Startups sind nicht nur gut für den Personalschlüssel. Sie sind ersichtlich auch ein Profit-Center. So kassiert TuTech als Vermieterin von Startup-Büros nahezu Wucherpreise. Die Fakten aus gut unterrichteten Kreisen: Formal sind die Büros für EXIST-Ausgründungen mit rd. 10,- €/qm günstig, abzüglich 20% "Stammkunden-Rabatt". Der Trick: Als Vermieter lässt sich TuTech/Startup Dock 25% der Bürofläche obendrauf als Anteil für "Gemeinschaftsflächen" von den Startups bezahlen. Sprich: Küche, Klo & Co. gehen extra. Plus 5,- €/qm für Nebenkosten. Macht unterm Strich rd. 16,- € warm/qm - von jedem Startup im 2. Jahr ff. - in Harburg bei Hamburg - hinterm Fußgängertunnel.

Schaut man in das Mietkonzept, wundert man sich nicht wirklich: Für Startups stehen effektiv 578 qm Bürofläche zur Verfügung. Das "Startup Dock" belegt mit seiner Fußball-Mannschaft allein 300 qm, dazu das Institut für Entrepreneurship 200 qm und das TuTech-Büro weitere 160 qm - macht zusammen 660 qm allein für den "Wasserkopf". Dazu kommen 444 qm Meeting-Räume + 333 qm Eventfläche. Seite 4 der Drucksache 21/3101 der Hamburger Bürgerschaft zeigt, was der Spaß kostet: fast 800.000,- € im Jahr. Davon soll knapp die Hälfte durch Mieten erwirtschaftet werden. Volltreffer! Für den Steuerzahler dennoch ein Faß ohne Boden: In 5 Jahren versenkt TuTech in Harburg allein für die Immobile 3,1 Mio. €, plus Luxus-Sanierung, plus Notfall-Rettung.

"Nachhaltige Digitalisierung" - Was immer das ist?

Green Tech Campus "ICGT" in Harburg.
Foto: TuTech / J. Kilian
Bei explizierter Beschränkung der Förderungen auf "Green & Clean Technology", "Life Science" und "Nachhaltige Digitalisierung" (was auch immer das sein möge) im neuen Innovationscampus "ICGT", könnte der sorgfältige Haushälter die Frage stellen, wofür 4,5 Mio. € in eine ökologische Sanierung und Neugestaltung geflossen sind: Rechtfertigen aktuell 7 EXIST-geförderte und z. T. kräftig zur Kasse gebetene Startups mit 11 öffentlich bezahlten Beratern eine millionenschwere Immobilie und ein Beinahe-Konkurs? Mit einem EXIST-Programm, das von der Bundesregierung in diesem Jahr eingestampft wird.

Die TuTech mit ihrem "Startup Dock“ jubelt sich derweil im stadteigenen Nachrichtenportal "Hamburg News" in schwindelerregende Höhen. "Managing Director" Christian Salzmann rechnet sich in bester Pareto-Manier schön: „80 Prozent der Startups erweisen sich als Erfolg.“ Der Diplom-Soziologe und promovierte Wissenschaftsforscher vergisst leider die Einordnung: 80% von was? Von allen beratenen Tech-Startups? Von 80% der ausgesiebten EXIST-Startups? 80% von 6 Förderungen im 2016 oder 7 Förderungen in 2017? Bei aktuell 640 Startups laut Hamburger Monitor macht das den Kohl wohl auch nicht mehr fett.

Die erst 1980 in die Forschungs- und 1982 in den Lehrbetrieb gegangene Harbruger Hochschule hat gerade einmal 92 Professuren. Dahinter stehen 32 reguläre Studiengänge. 7.620 Student*innen zählt die Universität. 123 Mio. € kostet der Spaß den Hamburger Steuerzahler im Jahr. Zum Vergleich: Die Uni Hamburg hat rd. 43.000 Studenten in 174 Studiengängen mit 704 Professor*innen - einschl. UKE. Die HAW Hamburg zählt 16.800 eingeschriebene Studenten in 75 Studiengängen mit zusammen 386 Professor*innen. Was rechtfertigt einen nachgewiesen millionenschweren, laut Google-Analyse nur von 9 bis 5 überhaupt anwesenden, "Wasserkopf" in Transfer und Startup-Betreuung. 

Im vergangenen Jahr holte die TuTech im Rahmen ihres eigentlichen Geschäftszwecks - des Technologietransfers - 513 neue Forschungsprojekte mit einem Gesamtvolumen von 12,8 Mio. € rein, wie der Geschäftsbericht der TU Hamburg-Harburg ausweist. Dabei rechnetete sie sich ihre Angebote so schön, dass kein anderer überhaupt eine Chance hatte, wie der Rechnungshof in seinem Bericht 2017 scharf angreift. Vielleicht sollte sich TuTech auf den eigentlichen Zweck konzentrieren und nicht versuchen, mit teuren Luftschlössern und einer handvoll Startups andere Player im Hamburger Forschungs- und Startupsystem zu übervorteilen - mit millionenschweren Steuersubventionen. 

Dazu im Hamburg Digital Magazin: 

  • Welche Fragen die Hamburger Bürgerschaft jetzt beantworten lassen sollte 
  • Wie der Senat sein hehres Ziel der Wissenschaftsmetropole retten kann
  • Wie unsere Stadt zur offenen und erfolgreichen Weltstadt werden wird 

HANSESTATEMENT: Von Harburger Subventionsrittern zur hanseatischen Metropole.



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 Hamburg Digital Recherche: 


HANSEINVESTIGATION: Der Fuchs im Hühnerstall. 
Die millionenschwere Steuerverschwendung an der Süder-Elbe - Teil 1

HANSEINVESTIGATION: Ein Startup Port für Hamburg. 
Die millionenschwere Steuerverschwendung an der Süder-Elbe - Teil 2

HANSESTATEMENT: Von Harburger Subventionsrittern zur hanseatischer Metropole.

 Hamburg Digital Background: 

Pressemitteilung BWFG 03.03.2017: 
www.hamburg.de/pressearchiv-fhh/8292486/2017-03-03-bwfg-innovationcampus-green-technologies-icgt-eroeffnet/

Mietkonzept "Innovation Campus Green Technologies"
www.buergerschaft-hh.de/ParlDok/dokument/51431/haushaltsplan-2015-2016-haushaltsjahr-2016-einzelplan-3-2-der-beh%c3%b6rde-f%c3%bcr-wissenschaft-forschung-und-gleichstellung-nachbewilligung-gem%c3%a4%c3%9f.pdf

Dummi-Präsentation "beyourpilot":
https://hamburginnovation.de/oc/index.php/s/K4BgQpMRQFuxxmA?path=%2FPressematerial#pdfviewer

Unterlagen Vergabeverfahren "beyourpilot" 31.10.2017:
https://hamburginnovation.de/oc/index.php/s/K4BgQpMRQFuxxmA

Gründerservice Leuphana Universität Lüneburg:
www.leuphana.de/forschung/foerderung/existenzgruendung.html

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