Sonntag, 10. September 2017

HANSEPERSONALITY Adrian Ulrich: Wir wollen, dass möglichst viele auf der digitalen Bugwelle reiten.

HAMBURG DIGITAL INTERVIEW

Die Hamburger Handelskammer auf dem Weg in die Zukunft: Nach der Kammerwahl und dem "Rebellensieg" geht es an die Arbeit: Die altehrwürdige Vertretung muss sich umfassend modernisieren - in ihrer Organisation ebenso wie gegenüber der Unternehmerschaft. Ein Schlüsselelement ist die Digitalisierung.


Die drei Wahlbündnisse haben in unseren "Digitalen Wahlprüfsteinen" ihre Positionen zur digitalen Zukunft von Kammer und Wirtschaft platziert. Was passiert am Adolphsplatz, damit Hamburg nicht ins Hintertreffen gerät und die Kammer zukunftsfähig wird? Unser HANSEPERSONALITY ist Adrian Ulrich, Geschäftsführer und Leiter der Abteilung IT, Medien und Kreativwirtschaft der Handelskammer Hamburg:

EIN RÜCKBLICK:


Handelskammer-Digitalisierer Adrian Ulrich
Foto: Christian Stelling
Am 1. November vergangenen Jahres hat das "Kompetenzzentrum Hamburg – Mittelstand 4.0" seine Arbeit aufgenommen. Neben gemeinsamen Veranstaltungen stehen Projekte mit dem Hamburger Mittelstand im Fokus des 3-jährigen Projektzeitraums. Wie weit ist die Hamburger Wirtschaft bereits involviert, sich für die digital-vernetzte Geschäftswelt fit zu machen?

Über 90 Prozent unser Mitgliedsunternehmen sind nach eigenem Bekunden in ihren Geschäfts- und Arbeitsprozessen von der Digitalisierung betroffen. Positiv ist dabei, dass mehr als Drei-Viertel der Unternehmen in der Digitalisierung tendenziell eine große Chance für sich sehen. Hilfe wird jedoch benötigt, die digitale Transformation in den Unternehmen konkret umzusetzen. Mit unserem "Mittelstand 4.0-Kompetenzzentrum“ begleiten wir Unternehmen bei ihren Digitalisierungsprojekten vor Ort. Die Nachfrage von Seiten der Unternehmen ist bereits jetzt größer, als unser Angebot.

Aktuell begleiten wir Projekte in rund 10 mittelständischen Unternehmen. Dabei geht es sowohl um den Einsatz von cyber-physischen Systemen, etwa zur automatisierten Lokalisierung von Waren im Lagerbereich, als auch die digitale - und damit papierlose - Abbildung von Daten im Produktionsprozess oder um die Implementierung eines digitalen Wissensmanagements im Vertrieb. Allein diese drei Beispiele machen deutlich, dass mithilfe unseres "Mittelstand 4.0-Kompetenzzentrums" der digitale Transformationsprozess in Hamburg sehr konkret angeschoben wird.

DER EINBLICK:

Die Handelskammer Hamburg hat eine interne Arbeitsgruppe zur Digitalisierung der Organisation unter Leitung von HSBA-Geschäftsführer Uve Samuels eingerichtet. Welche Bereiche sind in Sachen Digitalisierung gut aufgestellt und wo sehen Sie in den kommenden Monaten deutlichen Handlungsbedarf?


Mit einer Vielzahl an Basis-Informationsveranstaltungen zu Themen wie Website, SEO, Online Marketing, IT-Sicherheit etc. versuchen wir bereits seit längerem, grundlegendes digitales Wissen in alle Unternehmen zu transportieren. Der Wunsch nach Unterstützung bei der Transformation ist in manchen Unternehmen aber bereits jetzt deutlich tiefgehender. Daher nehmen wir uns z.B. mit der "Hamburger Dialogplattform Industrie 4.0" seit etwa zwei Jahren auch branchenspezifischen Herausforderungen verstärkt an.

Unsere Erkenntnis ist, dass es den Unternehmen nicht immer nur um inhaltlichen Erkenntnisgewinn geht, sondern die Vernetzung mit anderen Unternehmen, die vor denselben Herausforderungen stehen, ein wesentlicher Mehrwert ist, den die Kammer bietet. Insofern werden wir in den kommenden Monaten unter anderem ein Hamburger 3D-Druck-Netzwerk ins Leben rufen, um genau diesen Erwartungen bei dieser innovativen Technologie gerecht zu werden.

Bezogen auf die Digitalisierung der eigenen Prozesse und der Erbringung von Dienstleistungen gegenüber unseren Mitgliedern sehen wir die klare Notwendigkeit, digitaler und damit effizienter zu werden. Wir haben in den vergangenen Wochen 50 bis 60 Projektideen in diesem Feld definiert, die allesamt auf dieses Ziel einzahlen und die wir jetzt - auch mit Unterstützung des gerade neu zusammengesetzten Ausschusses für Digitale Wirtschaft - priorisieren und anpacken wollen.


Die Handelskammer unterstützt zahlreiche Initiativen an der Schnittstelle zwischen "New Business" und "Old Economy" - z. B. mit dem Eventformat 12min.COM "Caps'N'Collars". Welche Initiativen halten Sie für nützlich und wo beabsichtigen Sie, in den kommenden Monaten Korrekturen im Kurs der Handelskammer vorzunehmen?

NextReality-Contest am 28.11.2017 in der Handelskammer.
Grafik: NextRealtiy Hamburg
Innovationen entstehen heutzutage vielfach dort, wo Startups und Corporates zusammenwirken. Unsere Handelskammer ist dafür der ideale Nährboden, da alle Unternehmen dort Mitglied sind. Mit innovativen Veranstaltungs-Formaten wie z.B. „12min.COM -Caps'N'Collars“ aber auch dem „App-Contest Hamburg“ haben wir uns auf den Weg gemacht, den Austausch beider Zielgruppen mit innovativen, häufig technologieorientierten Formaten zu ermöglichen, die in eher klassischen Vortragsformaten nicht ausreichend zusammengebracht wurden. Insofern sehe ich u.a. in der Hamburg Animation Conference aber auch in dem für Herbst stattfindenden „NextReality-Contest“ die richtigen Ansätze, um diesen Weg konsequent zu stärken.

Die Handelskammer hat vor wenigen Tagen auf die Notwendigkeit hingewiesen, die Breitbandverfügbarkeit in Hamburg zu verbessern und deutliche Kritik an den bestehenden Aktivitäten des Hamburger Senats geübt. Woran fehlt es konkret und was fordert die Kammer für ihre Mitglieder?

Laut Breitbandatlas haben über 95 Prozent der Hamburger Haushalte die Möglichkeit auf einen Breitbandanschluss von mindestens 50 Mbit/s zuzugreifen. Damit ist Hamburg im Vergleich zu vielen ländlichen Regionen grundsätzlich gut aufgestellt. Man darf sich durch diese Zahl aber nicht darüber täuschen lassen, dass gerade in Gewerbegebieten diese Bandbreiten nicht in diesem Umfang zur Verfügung stehen. Dabei sind laut unserer Umfrage für 85 Prozent der Unternehmen 50 Mbit/s die Mindestvoraussetzung für den unternehmerischen Erfolg.

In drei bis fünf Jahren werden die Hälfte aller Hamburger Unternehmen sogar bereits mindestens 100 Mbit/s benötigen. Das jetzt im Herbst startendende Förderprogramm von Stadt und Bund reicht daher nicht aus. Vielmehr muss ein weiteres Förderprogramm sicherstellen, dass alle Hamburger Gewerbegebiete bis zum Jahr 2020 mit Glasfaser versorgt werden und damit ein leistungsfähiges Internet mit Bandbreiten von mindestens 1 Gbit/s haben.

EIN AUSBLICK:

Die Handelskammer stellt unter der neuen Führung kleine und mittelständische Firmen in den Mittelpunkt der Arbeit. Für KMUs sind qualifizierte Informationen zu den Herausforderungen der Digitalisierung besonders essenziell. Was unternimmt die Handelskammer in den nächsten Monaten, um KMUs hilfreich zur Seite zu stehen?

Zunächst haben wir die bereits bestehenden Angebote stärker gebündelt und vermarkten dies jetzt einheitlich unter dem Claim „Digital Voraus“. Gleichzeitig haben wir erkannt, dass neben den Mega-Themen wie z.B. Industrie 4.0 viele unserer Mitgliedsunternehmen weiterhin einen hohen Informationsbedarf bei digitalen Basis-Themen haben, wie der Nutzung von Social Media, Suchmaschinenoptimierung, Websitegestaltung, IT-Sicherheit etc. Mit einem „Digitalisierungs-Lotsten“ werden wir ab Oktober die Arbeit der Handelskammer an dieser Stelle sehr zielgerichtet ergänzen. 



Kammer-Initiative "Digital Voraus" zur Vernetzung der Wirtschaft
Grafik: Handelskammer Hamburg

Darüber hinaus zeigt unsere kürzlich durchgeführte Befragung zur Breitbandverfügbarkeit in Hamburger Unternehmen, dass es an vielen Stellen in Hamburg bereits an infrastrukturellen Grunderfordernissen zur Digitalisierung mangelt, insbesondere in den Hamburger Gewerbegebieten. Hier werden wir kurzfristig in den Dialog mit der Politik und den Infrastrukturanbieten treten, um diese Lücken zu schließen.

Die neue Kammerführung hat im Wahlkampf die Forderung aufgestellt, dass jeder Auszubildende und jeder Ausbilder in Hamburg mit einem Tablet ausgestattet werden sollte. Der Präses hat daher einen digitalen Ausbildungsgipfel angekündigt. Welche digitalen Themen und Schwerpunkte dürfen wir auf dem Gipfel erwarten?

Das Voranschreiten der Digitalisierung wird massive Veränderungen der Arbeitswelt und der beruflichen Tätigkeiten nach sich ziehen. Routinetätigkeiten werden vermutlich zukünftig in großem Maße automatisiert. Umgekehrt werden wir zukünftig aber vermehrt Arbeitsplätze haben, bei denen Abläufe und Prozesse überwacht und ggf. auftretende Probleme behoben werden. Die entscheidende Frage ist, welche Auswirkungen diese Entwicklungen auf die berufliche Aus- und Weiterbildung haben werden.

Beim Digitalisierungsgipfel wollen wir deshalb vor allem beleuchten, wie wir unsere Berufsausbildung für die Zukunft fit machen und auch attraktiv halten können. Gemeinsam mit den Stakeholdern der Berufsbildung wollen wir darüber diskutieren, welche Ansätze für neue oder novellierte Aus- und Weiterbildungen bereits heute in Arbeit sind und welche wir zukünftig benötigen. Auch wird es um die Frage gehen, ob unsere derzeitigen Prozesse und Abläufe zur Neu- und Weiterentwicklung von Berufen geeignet sind, erforderliche Neuerungen schnell genug umzusetzen.

HAMBURG-FRAGE:

Zu guter Letzt unsere traditionelle Hamburg-Frage: Wie gut sehen Sie unsere Stadt in den Bereichen Wirtschaft, Wissenschaft, Politik und Verwaltung aufgestellt, die tiefgreifenden Umbrüche durch die fortschreitende Digitalisierung zu meistern und welche Forderungen haben Sie als führender Kammervertreter an die Politik, den "Digitalen Kurs" zu optimieren?

In den vergangenen drei Jahren ist in unserer Stadt an vielen Stellen eine Menge im Kontext der Digitalisierung passiert. Neben der sehr zu begrüßenden „Digital First“-Strategie der Stadt, den geplanten Investitionen von 23 Millionen zum Aufbau einer Informatik-Plattform an den Hochschulen unter dem Claim „Ahoi Digital“, und natürlich dem von Seiten der Wirtschaft forcierten „Smart Port“-Aktivitäten in unserem Hafen. Doch schon an dieser kurzen Aufzählung wird deutlich, dass es viele einzelne Bausteine sind, denen es an einer gemeinsamen Marke zur Innen- und Außenkommunikation fehlt. Wir laden daher alle Akteure Hamburgs ein, gemeinsam mit der Handelskammer „Digital Voraus“ gehen!

Vielen Dank für die klaren Worte!

Das Interview führte Thomas Keup.
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 Hamburg Digital Background:

"Digital Voraus" - Initiative der Handelskammer
www.digital-voraus.de 

Kompetenzzentrum Hamburg - Mittelstand 4.0
https://kompetenzzentrum-hamburg.digital/

Überblick IT-Wirtschaft in Hamburg
www.hk24.de/produktmarken/branchen-cluster-netzwerke/branchen/it/branchenueberblick/3162474

Überblick Medien und Kreativwirtschaft Hamburg
www.hk24.de/produktmarken/branchen-cluster-netzwerke/branchen/medienwirtschaft-kreativwirtschaft/branchenueberblick/3162582

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