8. Februar d. J., Albert-Schäfer-Saal in der Handelskammer am Adolphsplatz. Gut 150 Vertreter aus Großindustrie und Mittelstand, Wissenschaft, Kammer und Politik treffen sich zum 2. Dialogforum Industrie 4.0. Die Präsentationen, Workshops und Diskussionen sind das Follow-up der Anfang 2015 aus der Taufe gehobenen Plattform zur Sensibilisierung und Vernetzung der Hamburger Industrie - auf dem Weg in die digital-vernetzte Zukunft.
Industrieller Vordenker an der Alster: Andreas Pfannenberg Foto: Pfannenberg Group |
Diplom-Ingenieur Andreas Pfannenberg sitzt in der 1. Reihe, ist Initiator und Motor der industriellen Vernetzung rund um die Alster. Er ist Geschäftsführer der gleichnamigen Industrieholding in Bergedorf und Sprecher der Dialogplattform Industrie 4.0. Was macht Industrie 4.0 aus? Und welche Chancen bieten sich für Hamburger Produzenten auf dem Weg in die Zukunft. Ein Hamburg Digital Report:
"Die Digitalisierung erlaubt, Dinge viel transparenter zu machen und den Kunden zielgerichteter zu analysieren und anzusprechen." Andreas Pfannenberg ist ein offen wirkender Unternehmer. Im Konferenzraum seiner Verwaltung im Industriegebiet von Moorfleet steht er Rede und Antwort. Gut 260 Mitarbeiter arbeiten in Hamburg für den Elektro- und Elektronikspezialisten, rd. 500 Mitarbeiter sind es weltweit in der Firmengruppe. Der Familienunternehmer produziert industrielle Kühlanlagen, Steuerungsanlagen für die Klimatisierung und Signaltechnologie.
Pfannenberg-Kundenssoftware "PSS" zur Industrieanlagen-Planung Foto: Pfannenberg Group |
Pfannenberg ist Unternehmer in 2. Generation. Der Vater einer 28-jährigen Tochter hat mehr als 35 Jahre Industrieerfahrung. Der studierte Elektrotechniker ist 1987 ins Familienunternehmen eingestiegen. Der Wellingsbütteler ist stolz auf den Industriestandort: mit Kupfer, Aluminium und Stahl, mit Geräten und Maschinen und dem traditionsreichen Schiffs- und Flugzeugbau ist Hamburg der größte Industrieproduktionsstandort der Republik. Dazu kommen neue Kompetenzen, wie der 3D Druck, zunächst mit Metalldruck für Airbus & Co. - mittlerweile auch in Kunststoffen unterwegs. Das Laserzentrum Nord und die Partner im neuen 3D Druck-Netzwerk Hamburg machen's möglich.
Wer schiebt sich zwischen die eigenen Produkte und Kunden?
Industrie 4.0 ist eines der Buzzwords des Jahr: ob Dialogforum, Kompetenzzentrum oder Masterplan - die digital-vernetzte Industrie gilt neben der additiven Fertigung von Kunststoff- und Metallteilen eines der Wachstumsthemen zu sein. "Ich kann nicht verstehen, wenn Unternehmen sich mit der Digitalisierung nicht aktiv beschäftigen", fasst es der stellvertretende Vorsitzende des Industrieverbandes Hamburg zusammen. Es sei keine Zeit zu verlieren, denn die Gefahr ist da: Wer schiebt sich zwischen die eigenen Produkte und Kunden? Globale Plattformen - z. B. in schneller, agressiver Startup-Methodik - erobern immer mehr Bereiche des B2B-Sektors.
Fördern Industrie 4.0 in Hamburg: BWVI, DGB, HK und IVH Foto: BWVI |
Der Dreh- und Angelpunkt: Wenn eine Plattform reine Leistung statt eines physischen Produkts anbietet, wird der Hersteller zum Lieferanten im Hintergrund - und ist austauschbar. Beispiele, wie Airbnb mit Privatunterkünften und Booking.com mit Hotelzimmern, Uber mit Limousinen und Amazon mit Marktplatzhändlern sprechen eine eigene Sprache. Der (End-)kunde kauft lediglich die Leistung, zusammen mit Kundendienst und Liefergarantien. Wie die Leistung erbracht wird und zu welchem Preis, tritt in den Hintergrund.
Mit veränderten Geschäftsmodellen steht Performance im Mittelpunkt
Andreas Pfannenberg sieht einen eindeutigen Wandel von Verkauf und Dienstleistungen zur Lieferung und Betreuung von Leistungen. Beispiel: Rolls Royce vermietet heute bereits Flugzeugtriebwerke auf Basis von Betriebsstunden. Der Wandel von der reinen Produktion zur Lieferung garantierter Leistung kommt. Und sie setzt industrielle Hersteller unter Druck. Standen bisher die Produktion, Fehlquote und der Absatz im Mittelpunkt des unternehmerischen Handelns nicht nur Hamburger Familienunternehmer, wird's in einer Welt garantierter Leistung knifflig.
Daten stehen im Mittelpunkt in Industrie und Dienstleistung. Foto: HPA |
Plötzlich stehen reale Daten in Echtzeit im Fokus des Interesses, um seinen Job machen zu können. Andreas Pfannenberg, neben Handelskammer und Industrieverband als Vorsitzender des Zentralverbandes der Elektroindustrie in Hamburg und Schleswig-Holstein engagiert, hat genau für die Herausforderung vor 4 Jahren die Dialogplattform Industrie 4.0 gegründet. Grund: Mit veränderten Geschäftsmodellen rund um garantierte Leistungen stehen nicht mehr nur Produkte und Garantien, sondern Performance und Kommunikation im Mittelpunkt des Geschäfts.
"Die Digitalisierung hilft, neue Geschäfte aufzubauen, die nicht möglich waren"
Damit ist weitgehende Transparenz in Fabrikhalle und Geschäftsbetrieb A und O für den Geschäftserfolg. Forschung und Entwicklung, Produktion und Geschäftsführung müssen ganz andere Fragen beantworten: Was muss ich tun, bevor etwas ausfällt? Um das zu wissen ist eine kontinuierliche Erfassung von Produktions- und Betriebsdaten notwendig - und genau das ist jetzt ohne größere Probleme möglich. Denn Daten bieten die Transparenz, mit servicebasierten Geschäftsmodellen nicht Schiffbruch zu erleiden.
Engagiert für die digital-vernetzte Industrie: Die Handelskammer Foto: HANSEVALLEY |
"Die Digitalisierung hilft, neue Geschäfte aufzubauen, die bislang so nicht möglich waren"; gibt Andreas Pfannenberg im tiefgreifenden Gespräch auf Moorfleet zu Protokoll. In seiner eigenen Firmengruppe investiert er jährlich bis zu 7% weltweit in Forschung und Entwicklung. Und das ist auf Nachfrage ein Millionenbetrag. Zu den Geschäftsmodellen hat er eine logisch aufeinander aufbauende "Produkttreppe" für das künftige Geschäft mit garantierter Leistung zu marktgerechten Konditionen.
"Digitalisierung ist ein Enabler für neue Geschäftsmodelle."
Wurde in der Vergangenheit der Monteur gerufen, wenn die Maschine ausfiel, waren die Kosten durch Produktionsausfall, Reparaturleistung und Ersatzteile hoch. Von der reaktiven Instandsetzung sind wir zu vorausschauender Wartung (Preventive Maintenance) gekommen. Wie bei VW oder Airbus gehen auch Industriemaschinen in regelmäßige Wartung, um Verschleissteile auszutauschen und den Betrieb zu sichern. Dank realer Daten in Echtzeit sind nun vorausschauende Wartung und Pflege (Predictive Maintenance) möglich.
Daten schaffen Transparenz in der vernetzten Industrieproduktion Foto: nIT Lemgo, Lizenz: CC BY-SA-30 |
Mit Echtzeit-Daten durch Sensoren und Sender können reale Erfahrungswerte analysiert und zu vorausschauenden Empfehlungen aufgewertet werden. Der Effekt: nicht nur vorausschauende Wartung von Industrieanlagen, sondern auch flexible Wartungsintervalle, wenn sie wirklich nötig ist. Damit erzeugen Hersteller als Betreiber der Maschinen wertvolle Informationen - und die sparen beim Kunden bares Geld. Digitalisierung in der Industrie heißt für den Hamburger Unternehmer Pfannenberg nicht umsonst: Wie erzeuge ich den Pull-Effekt?
"Was wir lernen müssen, ist übergreifender zu kooperieren."
Bleibt die Frage, welche Rolle Startups spielen in einer Welt Daten und Geschwindigkeit. Andreas Pfannenberg - mit seinem Unternehmen seit 3 Jahren zusammen mit einem strategischen Partner am Hamburger Middleware-Softwarestartup "Cybus" beteiligt - hat einen klaren Blick für das Mögliche: "Die Skalierung im B2B ist wesentlich schwieriger." Zugleich sieht er pfiffige Tech-Startups durchaus als Chance für die Hamburger Wirtschaft. Und ermutigt Startups zugleich: "Die sollen auch ihre eigenen Märkte entwickeln."
Kundenorientiert, schnell, flexibel: Startups helfen bei Innovationen Foto: mediaserver.hamburg.de / Timo Sommer + Lee Maas |
Wenn sich interessante Perspektiven ergeben, sieht der Familienunternehmer auch in Zukunft die Option, sich selbst zu beteiligen. Als Mentor von Jungunternehmen sieht er Kultur, Arbeitsweisen und die Kommunikation als Chance für traditionelle Firmen. "Was wir lernen müssen, ist übergreifender zu kooperieren." Pfannenberg greift die "Hamburger Bescheidenheit" auf. In kundenzentrierten Märkten spielen Daten und damit verbundene Services die Schlüsselrolle. Sie werden in der eigenen Produktion ebenso erhoben, wie in der Distribution und im Betrieb beim Kunden. Und das bedeutet Kollaboration.
Hamburger Unternehmen sind nicht besonders gut im verschwinden.
Nachgefasst, wie es mit der Digitalisierung in der Pfannenberg-Gruppe aussieht, ist der Firmenlenker sympathisch direkt: "Das geht nicht von heute auf morgen." Er sieht im eigenen Haus eine offenere Kommunikation, mehr Projektstrukturen und eine übergreifende Zusammenarbeit der IT - im Datenmanagement ebenso, wie im Marketing. Die Herausforderung auf Moorfleet ist ebenso, wie überall der kulturelle Wandel. "Wir haben den Weg bewußt eingeschlagen und wir sind schon ein gutes Stück vorangekommen. Aber wir denken nicht in Quartalen", fasst Andreas Pfannenberg zusammen.
Die Digitalisierung erfasst alle Bereiche der Hamburger Wirtschaft Foto: mediaserver.hamburg.de / Doublevision |
Auf die Herausforderung anderer Hamburger Familienunternehmer in Industrieverband, Elektroindustrie und Handelskammer, nach gut 800 Jahren Tradition erfolgreich in die digital-vernetzte Zukunft zu kommen, hat Andreas Pfannenberg zwei interessante Perspektiven: 1. "Digitalisierung allein kann ein Unternehmen nicht bewegen". Und 2.: "Wenn sie nicht innovativ sind, verschwinden sie. Ich glaube nicht, dass Hamburger Unternehmen besonders gut im verschwinden sind." Das wollen wir alle hoffen.
Hamburg Digital Background:
Nachbericht Dialogplattform 08.02.2018:
hwww.hk24.de/servicemarken/presse/pressemeldungen/pm-08-02-18-industrie40-mittelstand/3978100
Hamburger Dialogplattform Industrie 4.0:
www.hk24.de/produktmarken/branchen-cluster-netzwerke/branchen/industrieplatz_hamburg/Industrie_4_0/Hamburger_Dialogplattform_Industrie_4_0/1152124
Mittelstand 4.0 - Kompetenzzentrum Hamburg:
https://kompetenzzentrum-hamburg.digital/
3D Druck-Netzwerk Hamburg:
www.3d-druckhamburg.de/
Branchenüberblick Industrie in Hamburg:
www.hk24.de/produktmarken/branchen-cluster-netzwerke/branchen/industrieplatz_hamburg/branchenueberblick/3162454
Handelskammer-Initiative "Digital Voraus":
www.hk24.de/produktmarken/beratung-service/digitalisierung
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