Airbnb, Netflix, Spotify & Co. - globale Plattformen erobern Märkte, besetzen Kundenzugänge, bieten Mehrwerte, machen Anbieter zu unsichtbaren Lieferanten. Keine Dienstleistung ist vor ihren Ökosystemen sicher. Beispiel: Die Versicherungsbranche. Das Münchener Vergleichsportal Check24 ist in den Markt eingebrochen, bestimmt die Regeln bei Auswahl, Entscheidung und Belieferung mit der traditionellen Leistung der Risikoabsicherung.
Amazons Apothekendienst, Apple Health und Googles Verily saugen über E-Commerce, Smartphones, Smartwatches und Sprachassistenten persönliche Daten - blasen zur Eroberung des nächsten großen Marktes: der Gesundheitsindustrie. In Hamburg rüstet sich ein Konsortium um die Signal-Iduna, den GAFAs das Feld nicht zu überlassen. Im Mittelpunkt: eine Echtzeit-Datenplattform, eigene Kundenzugänge und Kollaboration mit externen Partnern. Ein Hamburg Digital Report:
SDA-Direktor Dr. Stephan Hans Foto: SDA |
Es geht um die von Steve Vago und Robert Lusch maßgeblich forcierte Service-Philosophie, mehr 10 Jahre alten IT-Systemen bei Deutschlands Versicherungs-Dinosauriern und dem heran rollenden Tsunami durch Tech-Giganten und ihrem ungestillten Hunger auf Daten, um das nächste Geschäftsfeld für sich zu erobern. Nach Musik- und Filmindustrie, nach Hotel- und Taxidienstleistungen geht es der Versicherungsbranche an den Krage. Den seit 2009 in Hamburg beheimateten Wissenschaftler treibt eine Frage um: "Wie sieht die IT-Zukunft in einer Service-Welt aus?"
Im Keller der Versicherer lagern ungehobene Datenschätze.
SDA-Aufsichtsrat Dr. Markus Warg Foto: Signal-Iduna |
Während Startups - wie das von uns vorgestellte Kasko - mittels Whitelabelservices digitale Vertriebskanäle für neue Versicherungsprodukte unabhängig von den Branchentankern aufbauen, lagern in den Kellern von Signal-Iduna, Hanse-Merkur & Co. ungehobene Datenschätze. Ideal zur Befriedigung echter Kundenbedürfnisse - fernab von schnellen und kurzfristig generierten Absatzmärkten. Genau um diese Schätze in steinzeitlich anmutenden Datenbanken und mit vorsinnflutlichen Schnittstellen kümmert sich das Hamburger Gemeinschaftsunternehmen SDA - mit seinen Investoren Signal-Iduna, IBM und dem IT-Dienstleister MSG.
Ökosysteme, um mit Dienstleistungen Werte zu schaffen.
Die Idee von SDA ist so einfach wie logisch: Auf der einen Seite stehen Frontend-Services für B2C und B2B - online, mobil oder voice - um mit Interessenten und Versicherten zu kommunizieren. Auf der zweiten Seite stehen Zugänge zu Partnern, die Dienstleistungen erbringen, z. B. Dienste zum Scannen oder Drucken sowie Abrechnugnsdienste für Rechnungsprüfung und Bezahlung. Auf der dritten Seite stehen die Versicherungen mit dunklen Kellern voller Daten und einem Software-Zoo voller Fachanwendungen. Dazwischen sitzt die SDA, zusammen mit IBM als Cloud- und Datenprofi und der MSG als Profil im "Keller". Das, was SDA mit der Signal-Iduna entwickelt, ist mit Open Source Technologien von Anfang ein offener Ansatz, denn im Keller sieht es fast überall genauso aus.
Im Gegensatz zu anderen Tech-Riesen denkt man in Hamburg nicht über Plattformen nach, weil es Plattforen sind. Vielmehr geht es um Ökosysteme, die mittels Dienstleistungen neue Werte schaffen - für Nutzer wie für Anbieter. Das ist auch unbedingt notwendig. Denn der Krankenversicherer Signal-Iduna hat diverse Partner, mit denen er kooperiert: Agenten und Makler, Praxen und Krankenhäuser, Apotheken und Pharmahersteller. Dabei steht der Kundenkontakt im Mittelpunkt. Ist er verloren, sind alle Bemühungen umsonst. Umso wichtiger ist es, die Datensilos mit der Historie seiner Kunden zu heben und zu nutzen. Denn der Versicherer SignalIduna hat diverse Partner, mit denen er bereits kooperiert oder in Zukunft zusammenarbeiten möchte.
Kunden-App mit intelligenter Anbindung ans Data-Backend Grafik: SDA SE |
Richtig Spaß macht der Plattform-as-a-Service-Ansatz, denkt man künftige Möglichkeiten z. B. im Gesundheitssektor. Wenn die Gesundheitsakte von Techniker Krankenkasse und IBM, die Fallakte von UKE, Vivantes oder Helios und die Fitness-Apps von Adidas aka Runtastic im Rahmen gesetzlicher Möglichkeiten zusammenspielen, können anonymisierte Daten eine Qualität in Diagnose, Therapie und Kur bringen, die sonst nur den großen Datensammlern aus den USA möglich sind. Was für den Gesundheitssektor möglich wird, ist ebenso im Pflegesektor machtbar, was im Pflegesektor machbar ist, könnte ebenso in der Altersvorsorge entwickelt werden.
Die im Sommer 2016 zunächst innerhalb der Signal-Iduna getestete Plattform-Technologie wurde im Dezember des Jahres ein eigenes Unternehmen. Aktuell arbeitet das Hamburger Team mit 20 festen Mitarbeitern und fast 80 Köpfen Manpower einschl. Mitarbeitern bei IBM Global Business Services und MSG. Die sorgen dafür, dass Services im Frontend in Echtzeit laufen können, die Datenverarbeitung im Backend davon aber abgekoppelt sein kann. Und sie gewährleisten, dass die zertifizierte, regulierte Backend-Systeme ohne Sorge angekoppelt werden können.
Kein Fuß in der Haustür der Kunden ist kritisch bis tödlich.
Stephan Hans hat eine klare Botschaft an Versicherer: "Ihr seid für den Kunden in Zukunft nur relevant, wenn ihr Servicewelten in einem eigenem Ökosystem aufbaut": Geht des Kundenkontakt an Check24, ist er für lange Zeit verloren. Ist die Schnittstelle von einem fremden Ökosystem besetzt, gibt es keine aktuellen Daten zum Aufbau von Serviceangeboten. Ein Teufelskreislauf, der kaum zu durchbrechen ist. Der langjährige Berater warnt: Im nächsten Schritt lauert die künstliche Intelligenz. Hier keinen Fuß in der Haustür der Kunden zu haben, ist kritisch bis tödlich.
Haben Startups das Asset schneller und flexibler Kundeninteraktionen liegt für die Versicherer der Goldschatz im eigenen Keller: die Datenhistorie aus den Kundenbeziehungen. Und die wird bis heute selten bis nie genutzt, um besser zu werden und sich gegen neue Herausforderer aus der Plattform-Ökonomie zu wappnen. Einige Player haben den Schuss gehört, z. B. die Allianz mit der DAK, ihrem IT-Dienstleister Bitmarck, dem IT-Riesen Atos und einer Reihe von gesetzlichen und privaten Krankenversicherungen oder die Techniker zusammen mit IBM, den Krankenversicherern Central, DKV, Signal-Iduna, dem UKE und den Klinikriesen Helios und Vivantes aus Berlin.
Das Rennen ist eröffnet. Der Wettlauf um Partner, Daten und Services hat begonnen. Die SDA von Signal-Iduna, IBM und MSG setzt auf eine offene Cloudarchitektur, die modulare, quelloffene Docker-Entwicklungsumgebung. Als einer der ersten externen Partner konnte die Alte Leipziger/Hallesche für eine eigene Gesundheitsplattform gewonnen werden. Dreh- und Angelpunkt des Ansatzes sind Schnittstellen und Adapter, die alles mit allem lauffähig machen können. Schauen wir mal, welches Konsortium das Rennen macht - und ob die US-Techriesen noch zu stoppen sind.
Hamburg Digital Background:
HANSEINSURTECH: Schnelle Lösugnen aus der Werft für den Linienbetrieb.
https://hh.hansevalley.de/2018/07/hanseinsurtech-insurtech-werft.html
HANSESTARTUP Kasko: "Wir verkaufen eigentlich nur Schaufeln."
https://hh.hansevalley.de/2018/06/hansestartup-kasko.html
Dr. Stephan Hans, SDA SE:
www.xing.com/profile/Stephan_Hans2/cv
Prof. Dr. Markus Warg, FH Wedel:
www.fh-wedel.de/mitarbeiter/mwa/
Service-Dominierte Logik:
https://de.wikipedia.org/wiki/Service-Dominant_Logic
Service-Dominierte Architektur:
https://de.wikipedia.org/wiki/Service_Dominierte_Architektur
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