Dienstag, 31. Oktober 2017

HANSETRANSPORT: Läuft intelligent in Hamburg!

HAMBURG DIGITAL REPORT
*Update*


Offizieller Titel des Bid Book Hamburgs für "ITS2021"
Foto: Marc Hübner, www.fotowelt-hamburg.de
Design: Tanja Gottschalch & Christina Föllmer, Hamburg

Es ist einer der Höhepunkte des 4-tägigen ITS-Weltkonkresses 2017 in Montreal: Hamburg wird das Gipfeltreffen für Mobilität, Transport und Logistik 2021 im frisch sanierten "CCH" ausrichten. 10.000 verkehrspolitische Entscheider, Forscher, High-Tech-Innovatoren und Geschäftsleute kommen dann vom 11. bis 15. Oktober '21 zur Messe, um die Zukunft von Transport und Verkehr zu gestalten. Damit wird die Hansestadt zur globalen "Smart City".


Gruppenfoto zur Entscheidung in Montreal: ITS2021 in Hamburg.
Foto: Frank Pflugfelder, @meet_in_hamburg)
Über 2 Mio. Menschen nutzen täglich Busse und Bahnen an Alster und Elbe. 770.000 Autos sorgen für unzählige Staus - Tendenz steigend. 2.200 Busse von "Hochbahn" und "VHH" sowie 2.000 U-Bahn-Wagons und die S-Bahnen rollen täglich durch die Hansestadt. Der Hamburger Hafen ist 3. größter Seehafen Europas, mit rd. 9 Mio. Containern und 138 Mio. Tonnen Umschlag in 2016. Die Hansestadt ist das Logistikdrehkreuz Nordeuropas und der Verkehrsknotenpunkt Norddeutschlands. "Smart City" und "Smart Port" sind Hamburgs wichtigste Aufgaben für die Zukunft. Ein Hamburg Digital Report:

Mittwoch, 15. März des Jahres: Eine Hamburger Deligation übergibt zusammen mit dem "Starship"-Zustellroboter in Brüssel der europäischen ITS-Organisation "ERTICO" die offizielle Bewerbung Deutschlands für die Ausrichtung des Weltkongresses 2021. Mehr als 100 Unterstützer aus Industrie, Wissenschaft und Interessenvertretungen stehen hinter der Präsentation des geheimen "Bid Book" der Freien und Hansestadt. Der Kongress gastiert alle 3 Jahre in Europa. Und der Senat plant Großes: Unsere Stadt soll Test- und Erprobungsumfeld für neue Technologien sein. 

Frank Horch fasst anlässlich der Bewerbung im März d. J. das Ziel zusammen: "Wir wollen in den nächsten Jahren Deutschlands Modellstadt für intelligente Mobilität und Logistik werden. Der Einsatz von modernsten Technologien und breit gefächertem Know-how wird den Verkehr für die Bürgerinnen und Bürger zugänglicher, sicherer, effizienter und umweltfreundlicher machen. Die Ausrichtung des ITS-Weltkongresses bietet die Chance, unsere Innovationskraft der Welt zu präsentieren.“


Handlungsfelder der ITS-Strategie "Verkehr 4.0" für Hamburg
Grafik: Strategiepapier BWVI

6 Themenfelder stehen im Mittelpunkt der Strategie für Intelligente Transportsysteme (ITS) der Wirtschaftshauptstadt: angefangen bei der Bereitstellung von notwendigen Informationen mittels vernetzter Verwaltung und digitaler Daten, gefolgt von intelligenter Verkehrssteuerung mittels Sensoren und selbststeuernden Ampeln, einer intelligenten Infrastruktur via WLAN in der City und LoRaWAN im Hafen, smarten Parkraumlösungen über Sensoren und Handy-Apps, der Entwicklung von Mobilität als Service mit "Switch" und Partnern sowie intelligenten Fahrzeugen mit dem Ziel autonomen Betriebs in der Zukunft.

Smart und umweltfreundlich zum Paket

Wirtschaftssenator Frank Horch ärgert sich über wild parkende Paketwagen vor seiner Haustür in der Hafencity. Nur mit intelligenten Lösungen kann der E-Commerce-Lawine Einhalt geboten werden. Im Hamburger Projekt "SMILE" werden Lösungen für die letzte Meile erarbeitet. "UPS" hat in den vergangenen 2 Jahren mit einem Container als lokalem Hub und Zustellung per Sackkarre und Fahrrad rund um den Neuen Wall getestet, wie flexible, umweltfreundliche Zustellung aussehen kann. Die "Otto Group"-Tochter "Hermes" testete im Winter die Zustellung vom Paketshop zur Haustür mit dem Starship-Roboter "6D9" in Ottensen, Volksdorf und Grindel.

Ein weiteres Projekt hat die Otto-Tochter "ECE" initiiert: Das "Alstertal Einkaufs-Zentrum" dient dem Betreiber als "Future Lab": Kunden können Produkte aus den Shops bequem in der "Digital Mall" bestellen - und anschließend stressfrei abholen. 56% aller Deutschen leben laut Informationen von ECE im Umkreis von 30 Minuten zum nächsten Center. Verknüpft man Online-Bestellungen in über 100 Shops des "Otto"-Konzerns mit flexibler Abholung in Centern oder flexibler Lieferung per Fahrrad, wird Online-Shopping intelligent.

Bereits in der Planung ist ein smartes Parkraum-System. So sollen die kostenpflichtigen Parkplätze der Stadt mit Sensoren ausgestattet werden, zunächst versuchsweise rund um den Hauptbahnhof. In einer Mobile App und über Navis werden dann freie Parkplätze angezeigt. Los gehts Anfang kommenden Jahres. Läuft der Test von "T-Systems" und dem Landesbetrieb "LSBG" erfolgreich, könnten in Zukunft alle 10.000 bewirtschafteten Parkplätze mit Sensoren zu intelligenten Parkplätzen werden. 

Kostenlos vernetzt in Bus und Bahn

Zu vernetzter Mobilität gehört die Versorgung mit kostenfreiem WLAN. Die "Hochbahn" stattet aktuell alle 1.000 Busse ihrer Flotte mit WLAN-Zugängen von "MobyKlick" auszustatten, bis Ende 2018 auch alle 92 U-Bahnstationen. Ebenso werden die 68 Haltestellen der "S-Bahn Hamburg" ausgeleuchtet. Nicht genug: "MobyKlick" baut bis Dezember '18 150 kostenlose Hotspots zwischen Jungfernstieg und Lombardsbrücke auf, 900 Stück werden von "Willy.Tel" insgesamt mit Unterstützung der Stadt errichtet - zugleich der Backbone für künftige mobile Services.


Olaf Scholz nimmt die 600. Ladestation für Elektromobilität in Betrieb
Foto: Senatskanzlei Hamburg / Frederik Sperber

Elektrisch unterwegs in der Innenstadt

Hamburgs Erster Bürgermeister Olaf Scholz nahm Mitte Oktober d. J. mit "Stromnetz Hamburg" die 600. Ladestation für E-Autos in Betrieb. Aktuell sind in der Hansestadt nur rd. 2.400 elektrisch angetriebene PKW unterwegs, in der Metropolregion kommen noch einmal rd. 1.000 dazu. Bis 2030 soll die Zahl der emissionsfreien Autos auf bis zu 100.000 steigen. Hinzu kommen die emissionsfreie Busse von "Hochbahn" und "VHH". Ab 2020 werden die Verkehrsbetriebe nur noch solche Busse anschaffen, eine Ausschreibung für die ersten 60 E-Busse der "Hochbahn" läuft gerade. Die ersten serienreifen Fahrzeuge sollen 2019 über Hamburgs Straßen rollen.

Bis zu 550 "BMWs" und "Minis" der "Drive Now"-Flotte werden bis Ende 2019 elektrisch unterwegs sein, ebenso wie 400 der 800 "Car2Go"-Smarts. Bereits Anfang kommenden Jahres präsentiert die VW-Tochter "Moia" ihren neuen E-Shuttle, der mit der "Hochbahn" als Sammeltaxi fahren wird. Ende kommenden Jahres sollen 200 "Moias" über die Mobilitätsplattform "Switchh" Fahrgäste zum Preis zwischen "HVV"-Ticket und Taxi chauffieren, ebenso wie die neuen Shuttlebusse der Bahn. Möglich wird dies durch Mobilitätspartnerschaften zwischen dem Senat und "BMW", "Daimler", "Volkswagen" sowie von "Hochbahn" und "Deutscher Bahn".

Nicht genug: Im September gestartet, werden 20 "Toyota"-Wasserstroff-PKW bis zum Jahresende nach Hamburg kommen, abends als Shared Service und Taxi-Alternative Hamburger nach Hause bringen. In Zukunft soll "Clever Shuttle" ebenfalls in "Switchh" eingebunden werden. Und auch das "Stadtrad" wird noch attraktiver: Hier sollen den 350.000 Kunden 350 Stationen mit 4.500 Rädern zur Verfügung stehen, buchbar über über "Switchh" buchbar mit Rabatt. "Switchh"-Betreiber "Hochbahn" sieht sich denn auch als 1. Adresse für Mobilität in Hamburg, wie Vorstandschef Henrik Falk im HANSEVALLEY-Interview erläutert.



Multitouch-Tisch der HPA bei der Solutions Hamburg 2017
Foto: HANSEVALLEY

Transport + Logistik im intelligenten Hafen

Dr. Sebastian Saxe ist stolz auf eines seiner jüngsten Babies: Der Multitouch-Tisch ermöglicht in der "Nautischen Zentrale" am Lotsenhaus Seemannshöft das Steuern von 30.000 Schiffsbewegungen im Jahr - u. a. von Tankern und Kreuzfahrern - mit Wassertiefen in Echtzeit. Der digitale Tisch ist zudem eine Managementtool im Landesbetrieb "LSBG" bei der Baustellenkoordinierung für Straßen gemacht. Mit einer speziellen Software können in "Roads" 30.000 Baumaßnahmen pro Jahr koordiniert werden. So müssen Straßen nicht mehrmals aufgerissen werden. Ende September d. J. gab es dafür den "Deutschen Ingenieurpreis Straße und Verkehr".

Nicht weniger spannend ist das bis zum kommenden Jahr laufende Projekt "Smart Port Traffic Light" aka "Green4TransPORT" der Hafenbehörde zusammen mit dem Betreiber der Hamburger Verkehrsanlagen "HHVA". "NXP" und "Siemens". So kann eine Fahrzeugkolonne im Hafen, die sich einer Ampel nähert, eine längere Grünphase bekommen. Fußgänger, die über RFID identifiziert werden, fordern damit ihre grüne Ampel an. Sollte ein Fußgänger bei Rot über die Straße laufen, wird von der Ampel eine Warnung an heranfahrende Autos geschickt.

"Smart Road", "Smart City" & "Smart Port"

Eines der ersten Projekte im Hafen war "Smart Road": Auf einem Straßenabschnitt im Hafen wurde bis Mitte 2016 eine intelligente Straße getestet. Dazu gehörten Verkehrserfassung und Steuerung sowie eine selbst steuernde Straßenbeleuchtung für Fußgänger und Radfahrer. "Cisco", "Philips", "T-Systems" und Partner zeigten, wie mittels Sensoren Infrastruktur- und Umweltdaten gesammelt werden können. Mit der "Smart Port"-Strategie hat sich die HPA zur "Werkstatt für die Digitale Transformation" entwickelt. Sebastian Saxe erklärt im HANSEVALLEY-Interview, wie man mit "Smart Port" die "Smart City" voranbringt.

Das Bundesverkehrsministerium hat Hamburg als eine von 8 Städten im Rahmen des Programms "Digitales Testfeld Autobahn" ausgewählt, zukunftsweisende Projekte in den Bereichen sicheres, autonomes Fahren zu erkunden. Dabei werden in Hamburg vor allem Szenarien im Innenstadtverkehr getestet. Eine Rolle wird auch das "Smart Road"-Projekt aus dem Hafen spielen, und die dahinter stehende "V2X"-Technologie für die digitale Kommunikation von Fahrzeugen und ihrer Umgebung. Eine Ebene höher mündet das ganze in einer stadtweiten IT-Infrastruktur einschließlich Nutzerdaten und künstlicher Intelligenz. Ein Projekt, an dem der Landesbetrieb Geoinformation "LGV" arbeiten wird.


Visualisierung einer ICT-City Plattform für Hamburg
Grafik: LGV

Ausblick auf die Smart City Hamburg

Und wo geht die Reise hin? Ein Zwischenbericht von Verkehrssenator Frank Horch zu den ITS-Projekten im Ende Mai vergangenen Jahres weist bereits die Richtung: Die Entwicklung durch die Vernetzung von Prozessen, Systemen, Daten und Dingen hat eine neue Qualität. Da werden nicht nur möglichst viele Computer, Sensoren, Aktoren oder Maschinen miteinander vernetzt. Auch die damit entstehenden Schnittstellen sind Gegenstand der Digitalisierung. Im "Internet of Everything“ interagieren Maschinen, Bauteile, Autos und Ampeln direkt miteinander. Eine spannende Aufgabe auch für den neuen Digital Hub Logistics Hamburg.

Willkommen in der Zukunft - in Hamburg, wo's läuft!

 Hamburg Digital Background: 

ITS-Übersicht Hamburg 2017
www.hamburg.de/its

ITS-Strategie Hamburg "Verkehr 4.0"
http://its2021.hamburg/downloads/ITS%20Strategie%20Hamburg.pdf

HPA "Smart Port"-Strategie im Hafen
https://www.hamburg-port-authority.de/de/hpa-360/smartport/

 Hamburg Digital Interviews: 

HANSEPERSONALITY Senator Frank Horch:
"Hamburg bekommt Next Logistics Accelerator."

HANSEPERSONALITY Henrik Falk:
"Der Bedarf am privaten Fahrzeug wird nahezu ganz aufgelöst."


Sonntag, 29. Oktober 2017

HANSEPERSONALITY Peter Jaeger: Ein Senator für Digitales mit weitreichender Richtlinienkompetenz.


Er ist Informatiker, Betriebswirt, Director Developer Experience and Evangelism (DX) - und denkt gerade im Sabbatical über sein nächstes Startup nach. Er kennt die großen der IT-Industrie, wie HP, IBM und Microsoft aus eigenem beruflichen Engagement.  Er gründete 1993 sein erstes Software - und Systemintegrationshaus: Peter Jaeger aus Hamburg. 


Der passionierte Visionär präsentierte zum Jubiläum des Hamburger Community-Eventnetzwerks 12min.me einen spannenden Blick in die Zukunft: Brauchen alle Unternehmen Daten-Know how? Wie können wir trotz Cloud Services sicher sein? Dreh- und Angelpunkt ist für den Hamburger Techi jedoch der Umgang mit künstlicher Intelligenz. Unser HANSEPERSONALITY ist Visionär Peter Jaeger:


Du sagst, jedes Unternehmen sollte eine "Datadriven-Company" sein - egal, ob es Lebensmittel, Zeitungen oder Automobile verkauft. Du vergleichst Kundendaten mit der Bedeutung von Gold, Öl und Erdgas. Sind nicht exzellente Produkte das A und O, um als Hersteller und Vertrieb erfolgreich zu sein?


Hamburgs Visionär Peter Jaeger.
Foto: Microsoft
Die Annahme ist, dass wir einen homogenen Markt mit gut informierten Kunden haben. Somit sind alle Produkte am Markt exzellent und unterscheiden sich nur marginal. Sprich: Der Hersteller muß auf Basis von Daten die er sammelt versuchen, einen Wettbewerbsvorteil zu erreichen und weiß im optimalen Fall, welches Produkt ein potentieller Kunde kaufen möchte, bevor der Kunde selbst weiß, welches Produkt er haben möchte. 

Wenn ein Autohersteller wüsste, welcher Fan im Stadion gerade darüber nachdenkt, ein neues Auto zu kaufen und heute noch kein Kunde der Marke ist. Und wenn der Hersteller zudem wüsste, wie hoch das Budget ist, wäre das doch von einem enormen Vorteil? Auf der einen Seite für den Hersteller, da die Werbung viel zielgerichteter mit viel weniger Streuverlusten ausgespielt werden kann. Und für den potentiellen Neuwagen Käufer wäre es von Vorteil, dass ihm ein Wagen angeboten würde, der zu seinem Budget passt und nicht der, der zuletzt im Internet angesehen wurde. 

Genau solche Themen kann ich nur angehen, wenn ich im Besitz von Daten bin oder zumindest den Zugriff auf diese Daten habe.

Bleiben wir in der Arbeitswelt. Du prognostizierst in den kommenden 3-5 Jahren einen Wegfall vieler Standardjobs von Wissensarbeitern. Xing geht in einer aktuellen Studie davon aus, dass nur rd. 12% der Arbeitnehmer Angst von einer Disruption haben. Alles also nur halb so schlimm?

Zu dem Thema schreibe ich gerade an einem Buch und ich kenne natürlich auch die Xing- und die IZA- Studie. Grundlegend bedeuten 12,6% der Erwerbstätigen aktuell 5,54 Millionen Arbeitnehmer, bei denen der Job real in Deutschland bedroht ist - bei aktuell ca. 2,6 Millionen Arbeitslosen. Wenn wir diese beiden Zahlen addieren sind wir bei potentiell 8,14 Millionen Arbeitslosen in Deutschland welches die höchste Nachkriegs Arbeitslosenzahl wäre. Und das finde ich schon beängstigend. 

Allerdings sagt die Studie auch aus, dass nur ca. 2,3% einer nicht repräsentativen Stichprobe unter Xing-Mitgliedern Angst vor dem Change haben. Fakt ist auch, dass die gerne zitierte Studie aus 2013 von Frey & Osborne davon ausgeht, dass ggf. 42% der Wissensarbeitsplätze in Deutschland bedroht sind. Eine andere Studie von KPMG aus 2016 besagt, dass weltweit ca. 100 Millionen Jobs im Business Process Outsourcing (BPO) Umfeld bedroht sind und bis 2025 wegfallen werden. Alle diese Studien sind sich aber in einem Punkt einig: 

Es wird einen bedeutenden Change in den Job- und Tätigkeitsprofilen der bisher von den 3 voran gegangenen industriellen Revolutionen verschont gebliebenen Wissensarbeitern geben.

Und das ist kein Thema für die nächste oder die übernächste Generation. Wir müssen uns der Herausforderung bereits heute stellen und über ein Aus- und Fortbildungsbündnis für die betroffenen Wissensarbeiter diskutieren. Interessanter Weise haben dies die Gewerkschaften und allen voran Ver.di bereits erkannt und sind aus meiner Sicht hier weiter als die meisten Unternehmen bzw. Unternehmer. (siehe Interview in der "Zeit"). 

Data Scientists sind für Dich die neuen "Götter in Weiß", die aus "Big Data" mittels Künstlicher Intelligenz (AI) und Machine Learing (ML) qualifizierte Prognosen über unser Kaufverhalten ableiten können. Warum bekommen wir immer dann immer noch "Verfolgerwerbung" angedreht

Leider setzen die meisten Ads im E-Commerce immer noch auf die alten Methoden: Die Dinge, die ich in der letzten Zeit angeklickt habe, verfolgen mich dank der alten Cookie-Technologie auf den unterschiedlichsten Seiten. Und die Anbieter hoffen, dass man den Artikel – sieht man ihn nur oft genug – irgendwann kauft. Diese Systeme erkennen nicht, dass man den Artikel schon gekauft hat. Mit Machine Learning und AI wird dies besser und es ist tatsächlich möglich, mit modernen Recommender Engines - wie sie z.B. von Netflix eingesetzt werden - abzuleiten, was der Kunde tatsächlich kaufen möchte. 

Schauen wir uns Netflix mal etwas genauer an:

Zuerst versucht ein AI basierter Recommender zu verstehen, was passiert ist. Also welche Filme und Serien habe ich mir angesehen, welche habe ich abgebrochen und welche gegebenenfalls sogar geliked. Als nächstes versucht der Recommender herauszufinden, warum ich diese Aktionen bei den Filmen und Serien durchgeführt habt. Also: Warum habe 
ich „Orange is the new Black“ abgebrochen und warum habe ich „Designated Survivor“ 
angesehen und vielleicht sogar mehr als einmal?

Als nächstes versucht der Recommender vorauszusehen - sprich zu lernen -, was ich wohl als nächstes tun werde. Schaue ich mir tatsächlich neben „Designatd Survivor“ auch noch „House of Cards“ an – was recht naheliegt. In dieser Phase zeigt der Recommender seine Vermutungen noch nicht den Usern. Das bleibt komplett im System verborgen und Netflix versucht zu lernen.

Der letzte Schritt – und alle Schritte basieren auf Wahrscheinlichkeiten – ist der, dass mir der Recommender, wenn er genügend Daten gesammelt hat - also die Wahrscheinlichkeit einen gewissen Threshold überschritten hat – Vorschläge macht, um für mich das Netflix-Erlebnis so gut zu machen wie nur irgend möglich. Und die Vorschläge aus dem Recommender sind so gut, dass sie in aller Regel tatsächlich meinen Geschmack treffen. Mir hat er z. B. nach „House of Cards“ und „Designated Survivor“ „White Collar“ angeboten. Was soll ich sagen? Ich bin gerade am Ende der 2. Staffel.

Wenn Daten im Mittelpunkt jeden Geschäfts stehen, kommen wir um Cloud Services als Rechenzentrum nicht drumherum. Besteht nicht die Gefahr, dass Amazon's AWS, Google's G-Suite und Microsoft's Azure uns ausspionieren? Sollten wir wirklich US-Diensten vertrauen?

Peter Jäger bei 12min.me in Hamburg.
Quelle: Twitter @lets_bundle
Auf jeden Fall sollten wir diesen Diensten vertrauen. Sie sind erheblich sicherer und flexibler als die Angebote aller lokalen IT-Service Provider zusammen. Von den eigenen Rechenzentren der Mittelständler möchte ich hier gar nicht sprechen. 
Natürlich müssen Regeln verhandelt und vereinbart werden für die Erbringung der Dienstleistungen. Aber aus meiner Sicht sind die Daten in allen 3 Clouds sicherer und die Serviceleistung zuverlässiger als in 
jedem lokalen Rechenzentrum - und das bei in aller 
Regel viel geringeren Kosten. 

Mit der für alle Unternehmen und Cloud-Provider ab Mai 2018 verbindlichen Datenschutzgrundverordnung DSGVO bzw GDPR haben wir ein zuverlässiges und rechtlich bindendes Rahmenwerk insbesondere für die Verarbeitung personenbezogener Daten. Können Nachrichtendienste trotzdem auf die Daten zugreifen ohne, dass wir es merken? Vermutlich - aber dies 
können sie bei den eigenen Rechenzentren dann auch und vermutlich sogar einfacher. 
Leider löst die DSGVO nicht alle Herausforderungen im Datenschutz. Insbesondere noch 
nicht den Zwang für bestimmte regulierte Industrien oder für den öffentlichen Sektor, Daten im eigenen Land zu speichern. 

Für diese besonderen Ansprüche gibt es dann Angebote wie von Microsoft mit der „Microsoft Cloud Deutschland“, bei der sichergestellt ist, dass die Daten Deutschland nicht verlassen und die Rechenzentren von einem deutschen Datentreuhänder betrieben werden. Diese „Microsoft Cloud Deutschland“ ist für diese Anwendungsfälle ein absolutes Alleinstellungsmerkmal und nicht zu vergleichen mit den deutschen Rechenzentren von Amazon oder Google, die immer noch von den jeweiligen Firmen betrieben werden.

Du hast selbst 5 "Alexen" in Deinem Haus - warnst zugleich vor Konkurrent Google mit einem dauerlauschenden "Home Mini". Warum lässt Du Dein Haus von Amazon "aushorchen" und was empfiehlst Du im Umgang mit den neuen Geräten? Worauf sollte jeder von uns achten?

Und die 6. kommt bald mit dem "Sonos One" 😊

Grundlegend muß jeder für sich entscheiden, was er von sich freiwillig preisgibt - und was nicht. Am Ende des Tages funktionieren diese Services, ob nun von Amazon, Google, Microsoft oder Apple nur dann, wenn ich umfangreiche persönliche Daten von mir dem Anbieter zur Verfügung stelle. Dafür bekomme ich dann aber auch einen entsprechenden Gegenwert. 

Wichtig ist, dass die Anbieter möglichst transparent erklären, was mit den Daten passiert, wie sie geschützt sind, was ich dafür erhalte und in wieweit ich dem Anbieter vertraue. Aus meiner Sicht sind hier die Assistenten von Amazon mit Alexa und Microsoft’s Cortana diejenigen, denen ich heute persönlich am meisten Vertrauen schenke und wo ich verstehe, wie die Daten und deren Verarbeitung geschützt sind.

Diese Transparenz und das Vertrauen fehlen mir heute (noch) bei Apple’s Siri und Google Home. Am Ende des Tages wird hier sehr schnell ein 2- bis 3-Kampf der Systeme zwischen Facebook, Google und Microsoft starten. Amazon macht zwar ein Top-VUI (Voice User Interface), allerdings fehlen hier aus meiner Sicht die wirklichen visionären Ideen und Ansatzpunkte, wie man vNext Bots tatsächlich auch außerhalb von E-Commerce und einfachen An/Aus-Funktionen nutzen kann. 

Im "Wired Backchannel" ist im Juni ein Top Artikel zum Thema AI erschienen, der ein wenig stärker beleuchtet, was Microsoft so vorhat. Der Artikel ist sehr lesenswert. In meinem neuen Startup werden wir übrigens auf einen Mix von Googles und Microsofts AI setzen.

Elon Musk warnt vor künstlicher Intelligenz. IBM's Watson las das Urban Directory aus. Facebook schaltete ein AI-System ab, nachdem zwei Bots begannen, sich in einer unbekannten Sprache zu unterhalten. Und Microsoft schaltete einen Bot ab, der 
zum Nazi und Sexisten avancierte. Ist das Ende der Menschheit nah?

Auf keinen Fall! Alles in allem leben wir in einer spannenden Zeit: Fast jeder Aspekt unseres Lebens wird durch Technologie verändert – und das in atemberaubendem Tempo. Ich glaube, dass wir heute erst am Beginn einer neuen technologischen Revolution stehen. Sie verspricht uns einen Wandel der Art, wie wir leben, arbeiten, kommunizieren und lernen. Und das in einem Tempo und Umfang, wie das die Menschheit noch nie zuvor erlebt hat. 

Eine neue Generation technologischer Innovationen verschafft uns Möglichkeiten, die neue Wege zur Erschließung wirtschaftlicher Chancen und die Lösung von einigen der brennendsten Fragen der Menschheit versprechen.

Die Vorteile dieser Veränderungen könnten gewaltig sein. Jetzt wird eine nicht allzu ferne Zukunft vorstellbar, in der es keine Armut mehr gibt, in der Krankheiten ausgelöscht sind, die die Menschheit seit Jahrtausenden quälten, in der eine Lösung für den Klimawandel gefunden wurde und in der neue Formen der Kommunikation und Zusammenarbeit zu einem epochalen Anstieg von Innovation und Kreativität führen.

Doch wir können uns beim Blick auf dieselbe technologische Revolution auch fragen: Gehen wir nicht eher einer düsteren Zukunft entgegen, in der Roboter und Automatisierung Millionen von Arbeitsplätzen vernichten, in der Einkommensunterschiede zu einer unüberbrückbaren Kluft führen, in der die öffentliche Sicherheit permanenten Bedrohungen ausgesetzt ist und in der unsere Privatsphäre durch aggressive Überwachung und unkontrolliertes Sammeln von persönlichen Daten untergraben wird?


Viele Menschen bezweifeln, dass man künstlicher Intelligenz vertrauen kann. Diese weit verbreitete unterschwellige Angst ist durchaus nachvollziehbar. Genau daher ist es so wichtig, Ethische Grundsätze für die Nutzung dieser neuen Technologien und Methoden verbindlich zu vereinbaren.

Aus meiner Sicht hat Microsoft mit seinem CEO Satya Nadella hier einen sehr guten Vorschlag erarbeitet, den ich hier gerne teilen möchte:

  • A.I. muss zur Unterstützung der Menschheit designt werden
  • A.I. muss transparent sein
  • A.I. muss Effizienz maximieren ohne die Würde des Menschen zu verletzen
  • A.I. muss für intelligenten Datenschutz konzipiert werden
  • A.I. muss eine algorithmische Verantwortung besitzen, so dass unbeabsichtigter Schaden korrigiert werden kann
  • A.I. muss Unvoreingenommenheit und repräsentative Forschung sicherstellen, so dass falsche Heuristiken nicht zu Diskriminierung genutzt werden können

Was getan werden kann, wird getan. Das müsste uns doch trotz aller Regeln 
erhebliche Angst einflößen. Du nennst als Beispiel ein IoT-Projekt aus dem Jahr 2013 in Japan, bei dem erstaunliche Erkenntnisse in Sachen Fortpflanzung von Kühen gemacht wurden. Was hat es damit auf sich?

Ja das ist eher ein eher ungewöhliches AI Projekt, aber nicht minder spannend: In 2013 gab es ein IoT-Projekt in Japan, mit dessen Hilfe japanische Farmer es geschafft haben, das Wunschkalb zu züchten. Nicht von der DNA her, aber vom Geschlecht. In der industriellen Kuh-Produktion ist das weibliche Kalb interessanter als das männliche. Von daher versucht jeder Betrieb, möglichst viele weibliche Kälber zu züchten. Ja selbst bei Wagyu. 

Man hat nun auf Basis von vielen Daten (Big Data) und ML (Machine Learning) festgestellt,dass eine weibliche Kuh 16 Stunden vor dem optimalen Zeitpunkt für die Befruchtung durch einen Bullen sich extrem viel bewegt und sehr aktiv ist. Zudem hat man herausgefunden, dass die Wahrscheinlichkeit für ein weibliches Kalb im Zeitpunkt bis zu 2 Stunden vor dem optimalen Zeitpunkt extrem hoch ist und bei bis zu 2 Std. nach dem Zeitpunkt ein männliches Kalb gezeugt wird. 

Üblicherweise liegt diese Start-Zeit immer zwischen 22.00 Uhr abends und 8.00 Uhr morgens. Um genau diesen Zeitpunkt zu treffen müsste der Bauer nun entweder die ganzen Nächte wach sein oder man versieht die Kühe mit einer Smartwatch, die diese Bewegungen
 protokolliert und dem Bauern am nächsten Morgen den optimalen Zeitpunkt für die Befruchtung durch einen Bullen mitteilt und der Bauer hat eine nahezu 100%ige Wahrscheinlichkeit für ein weibliches oder männliches Kalb.

Zu guter Letzt unsere "Hamburg-Frage": Du bist Hamburger und kennst Wirtschaft und Politik an der Elbe sehr gut. Wo ist die "Wirtschaftshauptstadt" bereits gut auf die digitale Zukunft vorbereitet und wo würdest Du den Verantwortlichen raten, die Zeit besser und aktiver zu nutzen

Aus meiner Sicht fehlt es an einem ganzheitlichen Digitalen Masterplan 2025 für Hamburg. Es ist schön, dass die Stadt es endlich geschafft hat, einen CDO (Chief Digital Officer) zu finden. Dieser fängt allerdings erst im Januar 2018 an und ich frage mich, ob ein Person – wer diese auch immer sein mag – unter der Staatsratsebene tatsächlich Dinge bewirken kann oder ob auch er in den Silo’s der einzelnen Behörden gefangen ist. 

Grundsätzlich gibt es aus jeder Behörde viele gute Dinge, die zur Digitalisierung unserer Stadt – ob nun im Hafen, für Startups, die Gaming Branche oder auch Hammerbrooklyn - beitragen. Diese sind aber selten über die Behörden hinweg koordiniert und zeigen so gut wie nie einen echten Impact. Persönlich bin ich besorgt, ob wir es wirklich schaffen, die Chancen, die sich mit der Digitalisierung ergeben, wirklich zu erkennen und zu nutzen. Meine klare Empfehlung – nicht nur für die Stadt, sondern auch für den Bund – lautet:

Wir benötigen dringend einen Senator bzw. Minister für Digitales und Infrastruktur, 
der weitreichende Richtlinienkompetenzen in alle betroffenen Behörden und Ministerien hat. Es ist z. B. ein Unding, dass in Hamburg der Informatikunterricht kein Pflichtfach an allen Schulen ist.

Vielen Dank für spannenden Antworten!
Das Interview für Thomas Keup.


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 Hamburg Digital Background: 

Vortrag "AI, Ethik und was die Kühe damit zu tun haben"
https://jaeger.to/?p=369

Persönlicher Blog von Peter Jaeger zu digitalen Themen
https://jaeger.to/?cat=2

Kontakt zu Peter Jäger beim Business-Netzwerk Linkedin
www.linkedin.com/in/pejaeger/

Mittwoch, 25. Oktober 2017

HANSEMOBILITY: Das Mobile Lab und die mobile Zukunft der Otto Group.

50.000 Menschen in mehr als 123 Unternehmen auf 4 Kontinenten, 12,5 Mrd. € Umsatz - davon 7,0 Mrd. € online und 4,7 Mrd. € allein von 18,5 Mio. aktive Kunden in Deutschland. Das ist die Otto Group aus Hamburg. Mit Otto, Hermes und EOS ist das Hamburger Familienunternehmen die Nr. 2 im deutschen Online-Handel, einer der größten deutschen Paketlogistiker und ein führender Finanzdienstleister. Was wie ein schwerfälliger Megatanker aussieht, wird seit 2014 unter der Haube Stück für Stück umgebaut:


Stolzes Handelshaus an Alster und Elbe.
Foto: HANSEVALLEY
Mit seiner "Mobile First"-Strategie läutet E-Commerce-Vorstand Rainer Hillebrand bereits vor einigen Jahren die Zukunft des Handelsriesen ein. Das damalige Ziel: Mehr als die Hälfte des E-Commerce-Umsatzes von Otto.de und den über 100 Online-Shops soll über Tablet und Smartphone erzielt werden. Mit dem E-Commerce-Kompetenz-Center macht der Handelsveteran Dampf. Mittendrin: das 2015 gegründete Mobile Lab mit 15 Mitarbeitern, die sich mit Entwicklung, Projektmanagement und Beratung um die mobile Zukunft der Otto Group kümmern. Ein Hamburg Digital Report:

Hamburg-Bramfeld, Werner-von-Otto-Straße, der Campus des weltweit operierenden Handelskonzerns. Hier im 6. Stock sitzt ein Großteil der "Task Force E-Commerce" des 1949 als Schuhhandel gegründeten Versenders. In Glaskästen und einem modernen Großraum arbeiten die sechs Bereiche E-Commerce-Strategie und Innovation Management, Business Analytics und Online Marketing, das User Experience- sowie das Mobile Lab Hand in Hand, um gegen Online-Riesen wie Amazon und Zalando nicht ins Hintertreffen zu geraten. 

Daniel Krantz ist seit mehr als zehn Jahren "Mobiler". Der Krefelder vermarktete im Auftrag von Axe ein Java-basiertes Flirt-Game für Nokia-Geräte, arbeitete für die Hamburger Mobile Marketing-Tochter der Swisscom, betreute als Product Manager das Mobile Portal der Freenet AG und war über fünf Jahre Teamchef für Mobile und Apps beim Büdelsdorfer Service-Provider. Vor zwei Jahren steigt der Diplom-Kaufmann bei Otto ein, baut das Mobile Lab und damit eine der wichtigsten Säulen des Handelshauses auf.

Das Mobile Lab: Zentrale Starthilfe für alle Marken der Otto Group


Otto Mobile Lab-Chef Daniel Krantz.
Foto: Otto Group
Die Idee hinter dem Mobile Lab ist so einfach wie effektiv: Eperten mit unterschiedlichem Know-how arbeiten an einem Ort an der M-Commerce-Strategie der Konzernfirmen. Dabei sollte es ursprünglich nur um die strategische Beratung gehen. In den Projekten kam immer wieder der Wunsch dazu, auch operativ unterstützt zu werden. So reicht die Bandbreite heute vom Research über das Consulting bis zu Development und Marketing. Dabei gibt es im Otto-Konzern kein Muss, Kunden per App anzusprechen. Doch der Erfolg gibt dem Mobile Lab Recht: Im vergangenen Jahr wurden im Otto-Verbund zwölf Shopping-Apps gelauncht und an allen war das Lab mit Konzeption, Entwicklung oder Markteinführung beteiligt.

Erst Mitte 2015 startete die Mobile-Abteilung in Bramfeld mit ihrer operativen Arbeit. Eines der ersten großen Projekte: die neue MyToys-App, begonnen Anfang 2016. Grundlage der mobilen Entwicklung in der Otto Group ist zumeist die Responsive Website, weiterentwickelt mit modulen Funktionen, die alle Gesellschaften im Rahmen der "Inner Source-Strategie" nutzen können. Damit bekommen die Projekte von MyToys bis Sportscheck Tempo. Das Mobile Lab versteht sich mit seinen Researchern und Consultants, Product Ownern, Frontend- und Backend-Developern, Usibility Experten und Mobile Marketern als Starthilfe. Daniel Krantz ergänzt: "Wir beschäftigen uns hier auch mit dem heissen Scheiss." 


Von Mode über Living bis Elektronik:
Alles wird bei Otto zunehmend mobil bestellt.
Foto: HANSEVALLEY
"Die Otto Group mobilemäßig nach vorn bringen."

Das Mobile Lab sieht die entwickelten Apps von Heine, Lascana, MyToys, Sheego, Sportscheck oder dem US-Bademodenshop Venus.com als eigenständige Produkte. Deren Entwicklung wird konzernintern verrechnet. Als Zukunftsbereich am E-Commerce-Vorstand angedockt, hat das Lab wie jede andere Abteilung ihre Kennzahlen. Daniel Krantz steht 101-prozentig zur Mobile-Strategie der Otto Group: "Das an eine Agentur zu geben, wäre wie im Restaurant auszusourcen." Und fügt hinzu: "Unser Ziel ist es, die Otto Group mobilemäßig nach vorn zu bringen."

Was 2014 mit dem Mobile Shopping als nächster großer Welle die meisten Handelshäuser überrascht hat, ist spätestens seit 2016 mit einfach nutzbaren Mobile Apps nicht mehr aus dem E-Commerce wegzudenken. Für Daniel Krantz und seine Kollegen im E-Commerce Kompetenz-Center sind es vor allem Usibility und Vertrauen, die den M-Commerce zum Erfolg werden lassen. Und bei Trust hat Otto mit seinen traditionsreichen Marken einen gewaltigen Vorteil. Als nächsten Trend sieht der Otto-Spezialist Shoppen mit Alexa & Co. kommen: "Der sprachbasierte Einkauf wird in nicht allzu ferner Zukunft Normalität." Auch hier will man in Bramfeld frühzeitig eine tragende Rolle spielen. Wir bleiben dran!




 Hamburg Digital Background: 

Das Otto E-Commerce-Kompetenz-Center:
www.ottogroup.com/de/innovation/Exzellenz/Task-Force-fuer-den-E-Commerce.php

Die "Mission Mobile" der Otto Group:
www.ottogroup.com/de/dossier/Mobile-Commerce.php

Otto Analyse zu "Everywhere-Commerce":
www.otto.de/unternehmen/de/newsroom/dossiers/Everywhere-Commerce.php

Interview mit Daniel Krantz zur MyToys-App:
http://t3n.de/news/entwickler-ressourcen-nutzen-mobile-lab-otto-group-823370/

Sonntag, 22. Oktober 2017

HANSEPERSONALITY Oliver Redelfs: Privater Investmentfonds mit internationalen Experten für Hamburgs Gamesbranche.

HAMBURG DIGITAL INTERVIEW


Es ist ein 100 Mrd. Dollar-Markt, dominiert von Global Playern, wie "Activision", "Microsoft", "Nintendo", "Sony" und "Ubisoft". Mit 2,9 Mrd. € in 2016 gehört die Gamesbranche zu den großen Tech- und Kreativbranchen Deutschlands. So rasant das Wachstum ist, so rasant ist die Achterbahnfahrt auch der Hamburger Player: "Bigpoint" und "Goodame Studios" haben schmerzhafte Anpassungen erfolgreich überstanden, während "InnoGames" weiter auf einer Erfolgswelle schwimmt und Mitte d. J. von der schwedischen Modern Times Group übernommen wurde.


Hamburgs Gamesbranche versetzt wieder Container ...
Illustration: Gamecity Hamburg

Wo befindet sich die deutsche Gamesindustrie an Alster und Elbe heute? Wohin geht die Reise an einem der größten Entwicklerstandorte der Republik? Wie sieht die Gamesförderung in Hamburg aktuell aus? Und wie können Wirtschaft und Senat die "Gamescity" Hamburg sinnvoll fördern. Unser HANSEPERSONALITY ist Branchensprecher Oliver Redelfs:

Der internationale Gamesmarkt ist in den vergangenen Jahren kräftig durchgewirbelt worden. Heute dominieren "Free-to-Play"-Games, die großen Digital-Stores und "Games-as-a-Service" den Markt. Wie hat die Hamburger Gamesbranche die Umbrüche gemeistert? 


Sprecher der Hamburger Gamesbranche: Oliver Redelfs
Foto: Gamecity Hamburg
Wenn etwas in der Gamesbranche sicher ist, dann ist es der ständige Fortschritt und Wandel. Kein anderer Wirtschaftsbereich ist so schnelllebig und saugt Innovationen mit einer derart hohen Geschwindigkeit auf, um sie in neue Produkte oder Geschäftsmodelle für den Massenmarkt zu transferieren. Die Hamburger Unternehmen haben sich trotz großer Herausforderungen mit unterschiedlichen Strategien wacker geschlagen. 

"Die Gamecity ist erstaunlich gut durch die großen Herausforderungen gesegelt."

Vom langsamen und nachhaltigen Firmenaufbau, dem Besetzen von Nischenmärkten über Effizienzsteigerungen und Kostenreduktion bis hin zum Wachstum durch Zukäufe hat jede Firma sein individuelles Erfolgsrezept gebraut. Insgesamt ist die "Gamecity" als Ganzes erstaunlich gut und ohne langfristige Schäden durch die großen Herausforderungen und Marktveränderungen gesegelt, die aktuell weltweit alle Player im Gamesmarkt beschäftigen. 


Der Markt konzentriert sich auf neue, innovative Games aus Asien, Europa und Nordamerika. Durch den Wettbewerb bei "Free-to-Play"-Games sind immer innovativere Spielkonzepte, teurere Entwickungsetats und hohe Marketingbudgets unabdingbar. Wie schlagen sich da die Hamburger Anbieter?

Die "Free-to-Play"-Welle (F2P) hat die gesamte Spieleindustrie nachhaltig verändert. Um erfolgreich mit F2P-Spielen zu sein, ist ein tiefes Verständnis und die ständige Analyse der Metriken und Spieler nötig. Ohne permanente Datenanalyse ist ein Bestehen im internationalen Wettbewerb und bei den sich fortlaufend ändernden Interessen der Spieler kaum mehr möglich.

"Die Indie-Startups sind das Nachwuchsspielfeld für die Zukunft der Branche."

Die Gamecity gilt mit Bigpoint, Bytro Labs, Goodgame Studios, InnoGames, Gamigo und Xyrality als Hochburg der deutschen F2P-Anbieter, die alle diese Kunst beherrschen und im Unternehmen entsprechende Strukturen aufgebaut haben. Alle genannten Firmen sind in diesem Segment sehr erfolgreich und für die Zukunft gut gerüstet. Gleichzeitig gibt es in der Stadt eine hochinnovative Indie-Szene, angeführt vom Branchenprimus Daedalic sowie zahlreichen kleineren Nachwuchsteams. Dank ihrer Schnelligkeit und Kreativität entstehen hier ständig spannende Innovationen. Die Indie Startups sind das Nachwuchsspielfeld für die Zukunft der Branche. 

5 der 10 größten Gamesfirmen Deutschlands sitzen an Alster und Elbe. Die Hamburger Anbieter gehören nicht durch die Bank weg zum neuen Typus von Gamesschmieden. Wie es der Hamburger Gamesmarkt aktuell strukturiert?


Aktuelle Marktanalyse der "Gamecity Hamburg"
Quelle: Nextmedia Hamburg
Die bereits genannten großen F2P-Anbieter dominieren die regionale Gameszene, sowohl mit ihren hohen Umsätzen wirtschaftlich, als auch mit ihren großen Mitarbeiterzahlen. Mit Daedalic wurde aber gleichzeitig auch die deutsche Spielefirma mit den meisten Auszeichnungen beim Deutschen Computerspielpreis und dem Deutschen Entwicklerpreis (30!) in der Stadt gegründet. Daedalic ist mit qualitativ hochwertigen Adventures, also narrativen Spielen, groß geworden und gilt in diesem Bereich als führend. Inzwischen hat das Unternehmen sein Portfolio diversifiziert und stellt auch erfolgreiche Spiele im Strategie-Genre her. 

HAW Games Master-Studiengang: "Kaderschmiede der deutschen Gamesbranche"

Daneben gibt es in der Stadt sehr erfolgreiche Indie-Studios und eine lebendige Szene für den Nachwuchs. Alle guten Newcomer-Studios aufzuzählen sprengt hier den Rahmen. Ein wichtiger Kristallisationspunkt der Nachwuchsszene ist der Hamburger Indie-Treff, wo Wissensaustausch und Netzwerken ein Zuhause gefunden haben. Viele Neugründungen kommen aus dem Umfeld der HAW – Hochschule für angewandte Wissenschaften -, deren Games Master-Studiengang ich oft als Kaderschmiede der deutschen Gamesbranche bezeichne. 


Deutsche Hersteller verdienen rd. 40% ihres Umsatzes in aller Welt. Im Gegenzug kommen nur rd. 5-7% der in Deutschland verkauften Games auch aus deutschen Entwicklerschmieden. Standorte, wie Berlin gehen massiv in die Förderung. Wie sieht die Förderung in Hamburg heute aus?
Networking bei der Hamburger Gameskonferenz 2017
Foto: HANSEVALLEY

Aktuell gibt es in Hamburg keine gezielte und explizite Gamesförderung. Mögliche Förderkonzepte werden jedoch innerhalb der Stadt fortlaufend geprüft. Hamburg war immerhin das erste deutsche Bundesland, in dem Spiele mit einer Prototypenförderung gezielt gefördert wurden. Mit dieser auf eine begrenzte Laufzeit initiierten Maßnahme konnte einigen der heute erfolgreichen Spielefirmen der Start in der Hansestadt erleichtert werden. Aufgrund des dynamischen und sich stark gewandelten Marktes wäre eine solche Prototypenförderung heute aber nicht mehr zeitgemäß und funktional. 

Du bist Gründer der "Gamecity Hamburg" und seit vielen Jahren u. a. als Redakteur, Berater und Business Developer im Hamburger Medien- und Gamesmarkt zu Hause. Hand aufs Herz: Wie kann man die spannende Techbranche in Hamburg am Besten fördern?

Ohne eine dezidierte und substanzielle Gamesförderung wird Deutschland als Produktionsstandort niemals seinen Rückstand aufholen und vermutlich bald in der Bedeutungslosigkeit verschwinden. Selbst Polen hat mit einem überschaubaren Geldeinsatz einen gesunden Nährboden für eine prosperierende Spieleindustrie geschaffen. Weltweit haben alle großen und erfolgreichen Entwicklungsstandorte gezielte Förderinstrumente entwickelt. Die deutsche Branche kämpft hier mit Bleischuhen und muss ständig einen gravierenden Standortnachteil ausgleichen. Auf Dauer ist es aber unmöglich allein mit Effizienz, Innovation und Kreativität gegen den Wettbewerbsnachteil zu bestehen. 

"Jetzt sind Schritte nötig, die kein Bundesland stemmen kann."

Jetzt ist die zukünftige Bundesregierung am Zug, endlich eine substanzielle Förderung für die hiesigen Firmen aufzubauen, denn alle Parteien einer möglichen Regierungskoalition bekennen sich erstmals zu Unterstützungsmaßnahmen für die Spieleindustrie. Um international mitspielen zu können, sind jetzt Schritte nötig, die kein Bundesland stemmen kann. Während der "GAME"-Bundesverband 100 Millionen Euro für die Gamesbranche fordert, setzt der Bundesverband Interaktive Unterhaltungssoftware (BIU) auf ein international bewährtes „Tax-based funding model“.

Daher muss auch in der Hansestadt unbedingt etwas passieren, und zwar schnell und effizient. Doch nur nach staatlicher Hilfe zu rufen oder einfach nur die regionalen Förderinstrumente der anderen Bundesländer nachzuahmen, ist ein Irrweg. Die Möglichkeiten hier sind durch stark limitierte Fördersummen aufgrund der Länderhaushalte immer begrenzt und auch die Erfolgsbilanz bestehender Programme löst aktuell keine Jubelstürme aus. 

"Mir schwebt ein Fondsmodell vor, um strategische Investitionen vorzunehmen."

Meiner Meinung nach muss die gesamte Spieleförderung neu gedacht und mit zusätzlichen Instrumenten ausgestattet werden. Hier sehe ich vor allem die klassische Wirtschaft, private sowie institutionelle Investoren und natürlich auch die Gamesbranche selbst in der Pflicht. Mir schwebt ein Fondsmodell mit ausreichender Einlagensumme vor, um strategische Investitionen in etablierte Firmen und Indie-Studios vornehmen zu können. 

 "Es geht um Public-Private-Partnership, indem der Staat weiterer Investitionspartner ist."

Games-Präsentation auf der GamesConf '17 in Hamburg.
Foto: HANSEVALLEY
Zur Risikominimierung der Investitionen in diesem Hochrisikomarkt, der aber gleichzeitig gigantische Gewinnchancen bietet, müssen Investitionsentscheidungen von Spieleprofis getroffen werden und den finanzierten Firmen ein Pool mit den besten Branchenexperten während der gesamten Produktion zur Seite stehen. Nur so können in dieser rasanten Branche Entscheidungen schnell und unbürokratisch getroffen werden. Gerade diese Punkte sind die größten Probleme aller derzeit existierenden staatlichen Förderinstrumente. Letztlich geht es um ein Public-Private-Partnership, indem der Staat die regulatorischen Bedingungen schafft und lediglich als weiterer Investitionspartner mit an Bord ist.

Zu guter Letzt: Warum ist die Gamesbranche aus Deiner Sicht besonders förderwürdig. Als Außenstehender würde man doch eher von "verspielten Nerds" reden, oder? Was bringt die Spieleindustrie Hamburg an besonderen Assets?

Die Gamesbranche ist einer der wichtigsten Innovationleader und Vorreiter bei der Digitalisierung. Um dies Verstehen genügt ein kurzer Blick, warum hier Zukunftsforschung mit Softwareprodukten erfolgt, die sich sofort in einem kompetitiven und komplett internationalisierten Massenmarkt bewähren müssen. Durch die schnelle, iterative Gamesentwicklung profitieren durch die Analyse und Erkenntnisse später alle Wirtschaftszweige. Der Fortschritt in der Computerhardware wurde maßgeblich durch die ständig ansteigenden Leistungsanforderungen der Spieleindustrie vorangetrieben. 

"Content Marketing ist seit Jahren fester Bestandteil der Gamesbranche."

Gleiches gilt für die Softwareentwicklung, wo jedes Spiel die Grenzen des technisch und kreativ machbaren neu auslotet. Die bei Gamedevs gängigen Grafikengines wie Unity und Unreal gelten inzwischen als das "Microsoft Word"-Programm für die Entwicklung von VR- und AR-Anwendungen. Das aktuell angesagte Content-Marketing oder Video Advertising sind bereits seit Jahren fester Bestandteil bei den PR- und Marketingprofis in der Gamesbranche. Und auch der Aufstieg der Influencer wurde erst durch die "Let´s Player"-Szene möglich. Hier wurde die Basis für den Influencer-Trend gelegt. Dementsprechend kommen auch heute noch die größten und erfolgreichsten Influencer Channels aus dem Gamingsektor.

"Ich vermisse die Anerkennung und Unterstützung etablierter Firmen."

Kein Wunder, dass ein Großteil der Entrepreneure in der Startup-Szene in irgendeiner Form einen relevanten Gaming-Background besitzt. Die klassischen Industrien rekrutieren seit Jahren hochqualifizierte Mitarbeiter aus der Gamesbranche, die für sie für den digitalen Changeprozess so dringend benötigen. Dieser fortlaufende Brain-Drain ist natürlich auch für die Gamesbranche selbst eine große Herausforderung. Denn gerade die erfahrenen und gut ausgebildeten Mitarbeiter werden sehr oft von in traditionelle Branchen gelockt. 

Ich vermisse deshalb die Anerkennung und Unterstützung etablierter Firmen aus allen Wirtschaftsbereichen. Wo bleibt das Bekenntnis zur Gamebranche als Zukunftswerkstatt für die deutsche Industrie? Wieso findet keine gezielte Zusammenarbeit der deutschen Wirtschaft mit der Spielindustrie statt, um damit den digital bestens ausgebildeten Nachwuchs zu fördern? Selbst die Granden der Politik haben inzwischen die Bedeutung der Gamesbranche für die Digitalisierung erkannt. 

"Endlich das außergewöhnliche Potenzial der Gamesbranche nutzen."

Ich erwarte, dass die Wirtschaft schon aus Eigeninteresse endlich Chancen ergreift, die von der Spieleindustrie ausgehen. Wer Games immer noch als Spielkram belächelt, verspielt seine eigene Zukunft. Ich würde mich sehr freuen, wenn sich Firmen, Investoren und Institutionen bei mir melden, um gemeinsam Ideen und Strategien zu entwickeln, um endlich das außergewöhnliche Potenzial der Gamesbranche effektiv zu nutzen.

Vielen Dank für die tiefgehenden Einblicke!
Das Interview führte Thomas Keup.


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 Hamburg Digital Background: 

Games-Standort Hamburg 2017 - Abendblatt

Games-Markt Deutschland 2017 - HMS-Studie

Branchen-Netzwerk "Gamecity Hamburg"

Studiengang "Games Master" HAW Hamburg