Mittwoch, 14. Juli 2021

HANSEMOBILITY: Volkswagen stellt Transformation zur Softwarefirma vor.

HANSE DIGITAL MOBILITY
- Update: 15.07.2021 -

"Bis 2030 wird die Mobilitätswelt den größten Wandel seit dem Übergang vom Pferd zum Auto zu Beginn des 20. Jahrhunderts erlebt haben."
Herbert Dies, Vorstandsvorsitzender Volkswagen AG, 13.07.2021

Mit "New Auto" zeigt "VW" seine digitale Transformation bis 2030 auf.
Foto: VW AG

Im Jahr 2030 will der Wolfsburger "Volkswagen"-Konzern mit digitalen Services ebenso viel Umsatz erwirtschaften, wie mit dem Verkauf elektrischer Fahrzeuge seiner Marken - von Audi, Cupra und Porsche über Seat, Skoda und Traton bis zu VW PKWs und Nutzfahrzeugen. Digitale Wertreiber für die erwarteten 1,2 Mrd. € Mobilitätsumsätze pro Jahr beim europaweit größten Fahrzeughersteller mit 12 Marken aus sieben Ländern sind Online-Services für Fahrer und Familien ebenso, wie autonomes Fahren für PKW-Besitzer auf Autobahnen und "Moia"-Nutzer in Hamburg und Hannover. Chefredakteur Thomas Keup hat die Präsentation der aktuellen "VW"-Strategie "New Auto" verfolgt:

Auf der Basis von Software ist der nächste, weitaus radikalere Wandel der Übergang zu deutlich sichereren, intelligenteren und schließlich autonomen Fahrzeugen. Das bedeutet für uns: Technologie, Geschwindigkeit und Skalierung werden eine zentralere Rolle spielen als heute." Volkswagen-Vorstandschef Herbert Dies bringt anlässlich der Vorstellung der Konzernstrategie "New Auto" für 2030 am Dienstag dieser Woche auf den Punkt, worum es "Volkswagen" mit rd. 10 Mio. ausgelieferten Fahrzeugen pro Jahr und 660.000 Mitarbeitern weltweit geht. 

Neue "VW"-Gruppen-Struktur + aufeinander aufbauende Layer.
Grafik: VW AG

Mit dem Start des Ingolstädter "Audi"-Flagschiffes "Artimis" ab 2025 und des Wolfsburger "VW"-Zukunftsmodells "Trinity" 2026 geht der Automobilkonzern von jährlich bis zu 10 Mio. elektrisch angetriebenen Modellen aus, die mit der neuen, ab 2025 konzernweiten Hardware- und Softwareplattform "E³ 2.0" ausgeliefert werden. In 2030 soll jedes 2. ausgelieferte Fahrzeug des "VW"-Konzerns ein digital gesteuertes E-Fahrzeug sein. Die genutzte Technik besteht aus einer Hardware-Grundlage mit Sensoren, Aktoren und Chips, die die digitalen Funktionen ermöglichen und steuern. Darauf aufbauend kommt die Software-Ebene mit dem für alle E-Autos von "Audi" bis "VW" künftig einheitlichen Betriebssystem "VW OS" und der "VW Automotive Cloud" - mit 10 Mio. neuer Autos pro Jahr, die online gehen.

Sensoren, Software und Service: Wie "VW" rollende Computer plant.

Neben Hardware und alle drei Monate aktualisierter Software sind es die darauf aufbauenden digitalen Service, die die Wertschöpfung - sprich zusätzlichen Mobilitätsumsätze - bringen sollen. Dabei spielen ein persönlicher Assistent für die Buchung von Mobilitäts- und Reiseservices eine wichtige Rolle, ebenso die Freischaltung von Batteriereserven für die Langstrecke und das autonome Fahren auf der Autobahn. Diese Dienstleistungen können künftig online gebucht und freigeschaltet werden. Damit sollen - je nach Konzernmarke und Kundensegment - passende Zusatzdienste vermarktet werden - auch zusammen mit lokalen Partnern. 

Hinter der Betriebsplattform für die Steuerung der Fahrzeug- und Antriebsfunktionen, der weltweiten Cloud-Plattform, den regelmäßigen Updates durch eine eigene agile Entwicklungseinheit namens "ID digital" sowie den weitergehenden Services steht die in diesem Jahr in eine eigene europäische Aktiengesellschaft geformte Softwaretochter "Cariad". Bis heute hat der in Wolfsburg beheimatete Softwareriese mit aktuell mehr als 4.000 Mitarbeitern allein 15 konzerneigene IT-Firmen und -Beteiligungen vereint. Jährlich geht rd. 1 % der langfristigen Investitionsmittel (Capex) in die Softwareentwicklung - rd. 2,0 bis 2,5 Mrd. € pro Jahr. Ab 2025 soll "Cariad" den Break Even erreichen und mit Einführung der einheitlichen Software- und Serviceplattform E³ 2.0 eigenes Geld verdienen.

"VW"-Finanzchef Arno Antlitz weiß, dass Software der Werttreiber wird.
Foto: VW AG

"Volkswagen"-Finanzchef Arno Antlitz fasst die finanzielle Entwicklung so zusammen: „Wir werden unsere BEV-Plattformen (mit E-Fahrzeugen, die Red.) skalieren, wir wollen einen führenden Automotive-Software-Stack entwickeln. Und wir werden weiter in autonomes Fahren und Mobilitätsdienstleistungen investieren. Während dieses Übergangs wird unser robustes ICE-Geschäft (mit Verbrennungsmotoren, die Red.) dazu beitragen, die dafür nötigen Gewinne und Cashflows zu generieren.“ Es ist das ganz große Geschäft, das hier erwartet wird: Der weltweite Markt mit individueller Mobilität wird im Jahr 2030 bis zu 5 Trillionen € betragen - mehr als eine Verdoppelung zum Status Quo. Davon will "VW" ein möglichst großes Stück Torte abzweigen. 

Große Ziele bei "VW": 50 % Stromer, ebenso viele Erlöse aus Services.
Grafik: VW AG

In den Jahren 2021 bis 2025 investiert der Konzern über alle Marken und Sparten hinweg 73 Mrd. € in Zukunftstechnololgien - von der Batterieentwicklung über elektrische Antriebe und vom autonomen Fahren mit 400 Meter weit scannenden Sensoren und einer mit "Microsoft" geplanten "Automotive Cloud" bis zur Software-Entwicklung bei "Cariad". Dazu kommen in den  Folgejahren noch einmal 73 Mrd. € Investitionen für die nächsten Schritte - auf dem Weg zum Softwarekonzern mit Mobilitätsservices und rollenden Computern für jeden Zweck. 

Dirk Hilgenberg, CEO von "Cariad", bringt auf den Punkt: „Software spielt die entscheidende Rolle bei der Transformation von einem reinen Autohersteller zum integrierten Mobilitätskonzern. Bis 2030 kann Software – auf Basis des autonomen Fahrens – eine bedeutende Einnahmequelle in unserer Branche werden.“ Die einheitliche 2.0 Plattform für On-Board-Konnektivität und Software, die mit der neuen, skalierbaren Bauplattform "SSP" inkl. Batteriepack ab 2025 konzernweit ausgerollt wird, ebnet den Weg für das neue, digitale Ökosystem und damit für neue datenbasierte Geschäftsmodelle.

Nach jährlichen Investitionen von 2-25, Mrd. € soll "Cariad" ab 2025 Geld verdienen.
Grafik: VW AG

Software-Wertschöpfung konzernweit von 10 % auf bis zu 60 % rauf.

Als künftige Einnahmequellen des hauseigenen, international tätigen Softwarekonzerns "Cariad" mit bis zu 10.000 Mitarbeitern in der höchsten Ausbaustufe 2025 gelten zum einen interne Verrechnungen der Konzernmarken mit Einsatz von E³ 2.0 für ihre Modelle, aber auch Lizenzeinnahmen von Dritten. Damit bekommen die Luxusmarken wie "Audi" ebenso alle Services frei Haus, wie die Sportmarke "Porsche" und die Volumenmarken von "Seat" über "Skoda" bis zu "VW". Neben den 12 Konzernmarken in sieben europäischen Ländern sollen künftig auch Partner - wie die "Ford"-Werke - ab 2023 vom Software-Knowhow der Wolfsburger profitieren. 

In Zukunft will "Volkswagen" den Eigenanteil an der Software von aktuell rd. 10 % auf dann bis zu 60 % erhöhen. Bei fahrzeugkritischen und prüfungsrelevanten Funktionen will "VW" zudem die Kontrolle zu 100 % besitzen. Dazu gehört das automatisierte Fahren auf Level 3 in der Version 2.0 der Software-Plattform ebenso, wie das automone Fahren auf Level 4. Mit dem "Audi"-Modell "Artimis" führt "VW" das autonome Fahren zuerst in Europa ein - vor den USA und China. Die künstliche Intelligenz für das autonome Fahren wird von "Cariad" gemeinsam mit "Microsoft" in der "VW Automotive Cloud" umgesetzt. Diese wird ihren Sitz in Redmond bei "Microsoft" haben. Auch der Bereich IT-Security soll von "VW" federführend mitverantwortet werden. 

Autonomes Fahren - auf Autobahn, bei Sammelfahrdienst und Paketlieferung.

Beim autonomen Fahren setzen die Niedersachsen zum einen auf private PKW, die mit dem Add-on auf freigegeben Autobahnen ohne Hand am Lenker unterwegs sein werden. Ein zweiter ebenso interessanter Markt sind Mobilitäts-Services im Flottensegment. Ab 2025 wird der neue, elektrische "VW Buzz" aus dem Nutzfahrzeugwerk in Hannover auf ausgewählten Routen in der Hamburger Innenstadt autonom als "Moia"-Shuttle seine Runden drehen. Neben autonomen Fahrdiensten für Hamburger soll der neue Bulli als "ID Buzz Cargo" auch für die autonome Paketlieferung eingesetzt werden. Zwar wird es weiterhin einen Paketboten an Board geben, selbst fahren wird dieser dann nicht mehr unbedingt.

Das künftige Business: Autonomes Fahren, autonome Flotten + digitale Services.
Grafik: VW AG

Den autonomen Einsatz in dicht besiedelten Innenstadtbereichen macht die hoch empfindliche Sensortechnologie "LiDAR" möglich. Diese wird vom amerikanischen Joint Venture "Argus AI" der Autobauer "Ford" und "VW" entwickelt und bietet eine 360 Grad-Sicht auf Straßen - um spielende Kinder und Hunde sicher zu erkennen. Nach aktuellen Informationen kann das "Argus"-System auf bis zu 400 Metern Entfernung Partikel erkennen und so höchstmögliche Sicherheit beim autonomen Fahren in Innenstädten gewährleisten. Die heute im Schritttempo gesammelten Daten der "Moia"-Fahrten in Hamburg und Hannover dienen als wichtige Grundlage für die künftig autonomen Fahrten - dann mit Entertainment-Displays in jedem Sitz.

Privat-PKW, Fahrdienste und On-demand-Services aus lokalen Hubs. 

Ebenfalls Teil der "Mobility-as-a-Service"-Strategie gelten Kurzzeitvermietungen von Fahrzeugen. Hier sammelt "VW" mit seinen E-Flotten in Berlin ("E-Golf") und Hamburg ("ID 3") umfassende Erfahrungen im Echtzeitbetrieb. In Zukunft werden Nutzer alle Services - wie "Moia"-Sammeltaxen und "We Share"-E-Fahrzeuge - aus einer App heraus buchen können. Dazu gehören Carsharing und Ride Pooling ebenso, wie Autoabos. Die Flotten dazu werden in lokalen Hubs geladen und bereitgestellt - und on-demand rausgeschickt. Dieses Konzept ist bereits Anfang der neunziger Jahre bei "Daimler" erdacht worden. Übrig geblieben von flexiblen Fahrzeug-Angeboten per Kurzeitmiete sind bei den Stuttgartern lediglich die "Smarts" mit "Car2Go" - heute vereint mit den "Minis" von "Drive Now" im Joint Venture "Share Now". 

Ein weiterer Aspekt für künftige Wertschöpfung im Bereich Software ist das digital gesteuerte Be- und Entladen der - zusammen mit der schwedischen Startup-Beteiligung "Northvolt" - entwickelten und in künftig weltweit sechs Gigafactories - u. a. in Salzgitter - produzierten Batteriezellen. Dahinter steht in intelligentes Strom- und Energiemanagement zusammen mit Stromproduzenten und einer eigenen europaweiten Ladeinfrastruktur. Der Clou: Künftig dienen Elektrofahrzeuge auch als intelligente Stromspeicher auf vier Rädern, die an Wallboxen und Ladesäulen je nach Bedarf Strom tanken oder auch abgeben können. Im Gegenzug wird der eigentliche Bezug von Fahrstrom kostenfrei. Ein Konzept, dass auch bei "BMW" und "Siemens" in den Schubladen liegt.

Die digital-vernetzte "VW"-Zukunft mit E-Mobilität und autonomem Fahren.
Grafik: VW AG

Konzern-Optimist Herbert Dies fasst die Entwicklung mit Sensoren, Software und Services wie folgt zusammen: „Das Automobil und die individuelle Mobilität stehen vor einer glänzenden Zukunft. Mit seinen innovativen Marken und State of the Art-Plattformen bereitet sich der Volkswagen Konzern darauf vor, in der neuen Mobilitätswelt eine führende Rolle zu spielen.“ Bleibt die Spannung, was die beiden anderen deutschen Autobauer "BMW" und "Daimler" in fünf Jahren auf die Straße bringen - und wie sich der neue niederländische Riese "Stellantis" aus "Fiat" + "Chrysler" sowie "Renault" + "Nissan" mit seinen rd. 8 Mio. Fahrzeugen pro Jahr im Wettbewerb schlagen wird.

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 Hanse Digital Service: 

Die Rede von "VW"-Konzernchef Herbert Dies kann hier abgerufen. Auf den "VW"-Seiten ist auch die Präsentation von "VW"-Finanzvorstand Arno Antlitz zu finden. 


 Hanse Digital Background: 

HANSEMOBILITY: 
Wie Volkswagen zum Software-Hersteller für Elektrofahrzeuge werden will.
hv.hansevalley.de/

Das Hanse Mobility Magazin: hansemobility.de

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