Sonntag, 11. Februar 2018

HANSEPERSONALITY Helmut Gerhards: Wir erarbeiten für unsere Kunden eine elektronische Gesundheitsakte.

HAMBURG DIGITAL INTERVIEW

72 Mio. Deutsche sind Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung. Hamburg ist mit der AOK Rheinland-Hamburg, Deutscher Angestellten-Krankenkasse, Hanseatischer Krankenkasse, Securvita Krankenkasse und Techniker Krankenkasse einer der großen Versicherungsstandorte der Republik. Doch die digitale Sturmflut kommt auch auf Hamburg zu: Private Anbieter wie "Amazon Health Care", "Ottonova" und "Oscar" zeigen, woher der Wind weht.

400.000 Mitglieder zählt Deutschlands Nr. 3 - die DAK Gesundheit - an Alster und Elbe. 1,3 Mio. Versicherte und ihre Familien vertrauen der Ersatzkrankenkasse im Hanseraum. Chief Digital Officer und IT-Stratege Helmut Gerhards hat sich mit seinem Team vor 1,5 Jahren auf den Weg gemacht, die Krankenkasse aus Hammerbrook durch den digitalen Sturm zu navigieren. Unser HANSEPERSONALITY ist DAK-Chefdigitalisierer Helmut Gerhards:


Helmut Gerhards: Sie haben zwei erwachsene Söhne von 26 und 27 Jahren, die als junge, digital aktive Mitglieder der DAK Vorbild seien können, wohin die Reise der drittgrößten Krankenkasse mit 5,8 Mio. Mitgliedern geht. Was lernen Sie als Chief Digital Officer und IT-Strategiechef der DAK von Ihren Söhnen für den digitalen Wandel der Krankenkasse?

Nun, zunächst einmal leben wir in einer spannenden Zeit, in der wir eine kommunikative Revolution erleben - und dies durchdringt unseren Alltag, auch in meiner Familie, mit rasender Geschwindigkeit. Meine beiden Söhne haben Informatik studiert und kennen keine Telefonwählscheiben. Zudem schreibt von der jungen Generation auch keiner mehr einen Brief.

Alleine diese beiden Beobachtungen müssen uns aufhorchen lassen, welches veränderte Kommunikationsverhalten in den nachfolgenden Generationen auf uns – und bald ja ausschließlich - auf Unternehmen zukommen wird. „Allways on“ und „Echtzeit“ bestimmen den Takt und revolutionieren ganze Geschäftsmodelle. Für die DAK-Gesundheit bedeutet dies natürlich vor dem Hintergrund unseres Anspruches, Qualitätsführer zu sein, ein Neudenken bisheriger Prozesse. Dies machen wir konsequenterweise aus Kundensicht.


Gehen wir in die Vollen: Das Holtzbrinck-Venture "Ottonova" und die Google-Schwester "Oscar" zeigen, wie digitale Krankenversicherung künftig geht: Digitaler Arztbesuch, digitale Diagnosen, digitaler Krankenschein, digitale Therapiebegleitung. Sie haben rd. 2,4 Mio. Senioren als Mitglieder sowie rd. 2,5 Mio. chronische Patienten. Wie können Sie den digitalen Wettlauf gewinnen?

Die neuen disruptiven Player am Markt haben in der Tat den Vorteil einer „Neugründung auf der grünen Wiese“ und können sich komplett auf ein volldigitales Geschäftsmodell konzentrieren. Wir bestehen seit 245 Jahren und haben eine gewachsene Struktur und richtigerweise sehr heterogene Kunden: vom Digital Native bis zum Pflegebedürftigen müssen wir eine durchgängig gute Betreuung und Versorgung sicherstellen. 

"Diagnostische Verfahren mit digitalen Anwendungen unterstützen"

Dies gelingt uns, in dem wir unser Geschäftsmodell „hybrid“ umgestalten und ausbauen. Wir bieten unseren Kunden z. B. eine Online-Filiale an, in der die Hauptprozesse unserer Kunden volldigital abgebildet sind. Kein langes Fahren und Warten, damit Zeit gewinnen - einfach und bequem vom Sofa aus. 

Bezogen auf die Versorgung arbeiten wir an digitalen Versorgungsangeboten, die dem Kunden ein Stück mehr Lebensqualität verschaffen, indem wir auch hier die Abläufe digitalisieren und teilweise auch diagnostische Verfahren mit digitalen Anwendungen unterstützen. Ein sehr schönes Beispiel hierfür ist das Modell der chronischen Wundversorgung zusammen mit dem UKE Hamburg. Hochspezialisierte Fachleute des UKE unterstützen dabei die ambulante Versorgung, indem sie digitale Fotos der Wunden und des Heilungsverlaufs bewerten und ihre niedergelassen Kollegen beraten.

Bleiben wir bei Ihrer IT: Sie haben Ihre EDV in die Tochter "Bitmarck" von DAK, BKKn und IKKn ausgelagert. Ab September 2018 werden gut 9.000 Mitarbeiter an bundesweit 350 Standorten über das neue DAK-System "Bitmarck 21c/ng" Leistungen im Wert von jährlich mehr als 20 Mrd. € managen. Wie digital und automatisiert ist die 1776 gegründete Krankenkasse bereits?

Mit der Umstellung der Kernanwendung auf 21c/ng setzen wir ab September 2018 auf ein integriertes Vollsystem modernster Art, dass im Bitmarck-Verbund mit ca 100 anderen Krankenkassen genutzt wird. Workflowgestaltung, Dunkelverarbeitung und Datenaustausch sind dann der Standard.


DAK-Sprachdialogsystem mit semantischer Erkennungslogik

Wir haben bereits vor einigen Jahren den kompletten Posteingang im Unternehmen in drei Digitalisierungszentren konzentriert und überführen die gewonnenen Daten in Dunkelverarbeitungsverfahren. Selbst ein so kompliziertes Verfahren wie ein Antrag auf Zahnersatz wird heutzutage von uns eingelesen und in der Dunkelverarbeitung „autogenehmigt“ - und dies mit einer Quote von fast 80 Prozent der Anträge. Zudem setzen wir an der Schnittstelle Scan-Fachverfahren schon Anwendungen der künstlichen Intelligenz ein.

Wichtig ist aber auch die Digitalisierung der Kundenschnittstelle. Bundesweit setzt die DAK-Gesundheit als erste und einzige Krankenkasse seit April 2017 ein Sprachdialogsystem ein und steuert mit semantischer Erkennungslogik das Telefonrouting, das ebenfalls dem „all-over-ip-Konzept“ folgt. Dies bauen wir aktuell auf ein Omnikanalmanagement aus, damit der Kunde zukünftig auch zwischen den Kanälen wechseln kann - ohne Informationsverlust. 


Ihr großer Hamburger Wettbewerber, die Techniker Krankenkasse, ist mit der "TK-App" auf dem Weg, eine persönliche Patientenakte auf dem Smartphone zu platzieren. Die DAK bietet mobil eine Scan-App und einen viel beachteten Pflegeguide an. Möchten Sie Ihren Söhnen und anderen jüngeren Mitgliedern nicht auch die rd. 75 Services Ihres Online-Portals mobil anbieten?

Wir entwickeln aktuell für unsere Kunden noch viel mehr: Die Kunden der DAK werden zukünftig Ihre DAK-Gesundheit in der Hosentasche als Service-App haben. Hier vernetzen wir dann die verschiedenen Services. Unser Kunde kann selber die Inhalte konfigurieren und für die Life-Style-Ecke gibt es dann auch den persönlichen Gesundheitsscore. Über diese App können sie dann auch die Funktionen unserer Online-Geschäftsstelle inklusive der automatisierten Prozesse nutzen.

Neue DAK-Service-App mit selbst konfigurierbaren Inhalten

Ziel ist es, unseren Kunden in allen Lebenslagen zur Seite stehen zu können. Letztlich bestimmt der Kunde, wie digital seine Beziehung zu uns ist und ober er die lieber mobil oder über den Desktop oder doch lieber persönlich gestaltet.

Ihre Digital-Strategie sieht - wie bei anderen Unternehmen - die drei Schritte 1. Digitalisierung der Geschäftsprozesse, 2. Digitalisierung des persönlichen Kontakts und 3. Digitalisierung von Produkten vor. Schauen wir in die Zukunft: Was können wir von der "Digitalen Angestellten Krankenkasse" in Zukunft bei Prävention und Behandlung erwarten?

Ich stelle die These auf, dass sich das Krankenkassengeschäft sehr stark auf den Bereich der Prävention und der Gesunderhaltung ausdehnen wird. "Dr. Google" kennen wir schon, aber die Datenanalytik wird noch ganz andere Möglichkeiten bieten. Prominentestes Beispiel für Behandlung aufgrund einer Datenanalyse ist dabei wohl Angelina Jolie.


"Für Familien sehen Angebote anders aus, als für Singles."

Wir müssen also auf die Erwartungen einer zunehmend auf Prävention und Gesundheit orientierten Gesellschaft reagieren. Zukünftig werden unsere Kunden gerade im Bereich der Gesunderhaltung neben unseren bisherigen digitalen Coaching-Angeboten zu den Themen Ernährung, Stress und gesunder Schlaf auch weitere lebensphasenbezogene Digitalangebote mit Schnittstelle zu einer Vielzahl von Sensoren nutzen können. Dabei werden die Angebote auf individuelle Lebenssituationen zugeschnitten. Für Familien mit Kindern sehen sie anders aus, als für Singles.

Auch die aktuellen digitalen betrieblichen Gesundheitsmanagement-Angebote für die Beschäftigten bauen wir Zug um Zug aus. Wir koppeln das physische Angebot z. B. von Rückenschul-Trainings demnächst mit digitalen Angeboten. Letztlich entscheidet auch hier der Kunde dann, ob er einen Rückenkurs besucht, das digitale Angebot oder beides nutzt.

Sie haben für Ihre Mitglieder eine digitale Akte, Arztpraxen haben künftig digitale Patientenakten, Versorgungsnetzwerke haben digitale Informationen und Kommunikation, im UKE und immer mehr Kliniken gibt es eine digitale Fallakte. Wenn immer mehr Angebote digital verfügbar ist, wie wird daraus eine digitale Versorgungskette im Interesse des Mitgliedes?

Das Zauberwort heißt „ Interoperabilität“. Das Thema der Vernetzung ist auch in der neuen Regierung bzw. im Koalitionsvertrag hoch priorisiert. Es darf nicht sein, dass jeder für sich eine proprietäre Lösung bastelt und der Datenfluss dann nicht mehr funktioniert.

"eGesundheitsakte, mit der der Kunde Gesundheitsmanager sein kann."

Wir setzen bezüglich der Datentransfers klar auf die Entwicklungen der elektronischen Gesundheitskarte der Gematik. Diese muss den Austausch der Arztdaten zunächst einmal sicherstellen. Zudem soll die eGK auch eine Patientenakte und ein Patientenfach beinhalten. Allerdings fehlt dieser übergeordneten Infrastrukturlösung die Möglichkeit der Personalisierung bzw. der Individualisierung z. B. der Versorgungsangebote.

Wir wiederum erarbeiten zurzeit für unsere Kunden eine elektronische Gesundheitsakte (eGA), mit der der Kunde sein eigener Gesundheitsmanager sein kann: Seine Gesundheits- u und Vitaldaten kann er dort ebenso ablegen, wie seine Medikamenteneinnahme dokumentieren. Diese sehr individuelle eGA wird gegen die Schnittstelle der eGK der Gematik entwickelt, sodass eine Interoperabilität und der Datentransfer untereinander gewährleistet wird.

Ich komme zurück zur privaten Debeka-Beteiligung "Ottonova" und "Oscar" von Google: Ihnen ist mein Nokia-Fitnesstracker am Handgelenk aufgefallen. Sie planen Präventationsangebote in ihre 2. Service-App zu bringen. Wenn Vitaldaten und Risikomanagement, Konsultationen und Kundendialog, Genehmigungen und Abrechnungen digital möglich sind: wie sieht die digitale Krankenkasse der Zukunft aus?

Das Geschäftsmodell der Krankenkassen wird sich schleichend vom hybriden zum volldigitalen Modell entwickeln. Sie werden also in nicht ganz so weiter Ferne alle Anliegen volldigital realisieren können. Dazu zählt übrigens auch die Orchestrierung von Versorgungsprozessen, die unseren Kunden heute noch viel Aufwand und Mühe kosten. Warum soll ein Patient mit einer chronischen Wunde mehrfach in die Praxis fahren, wenn es möglich ist, per Smartphone täglich ein Bild in die Praxis zu schicken. Das ergibt sogar den Vorteil, dass der behandelnde Arzt einen täglichen Verlauf der Wunde verfolgen und den richtigen Interventionszeitpunkt bestimmen kann.

"Der Patient wird bestimmen, welche Daten nutzbar gemacht werden."

Zudem sehe ich eine klare politische Stärkung der Patientensouveränität – der Kunde und Patient wird bestimmen, welche Daten für ihn nutzbar gemacht werden sollen, mit welchem Arzt er seine Daten teilen will oder auch nicht. Zunehmend können aus einfachen Vitaldaten sehr gute Empfehlungen für das Verhalten und somit als Beitrag zur Gesunderhaltung gegeben werden. Das ist auch eine Bereicherung für die Versorgung durch den niedergelassen Mediziner. Wir haben dazu gerade eine Untersuchung vorgelegt, die zeigt, dass hier bei den Medizinern eine große Offenheit besteht, derartige Innovationen zu nutzen.

Allerdings muss hier der Missbrauch ausgeschlossen werden: Ich gehe davon aus, dass es klare Regelwerke geben wird, wenn z.B. Vitaldaten als Rückschluss für Risikomanagement und Tarifierungen genutzt werden sollen. Die DAK-Gesundheit darf dies wie alle gesetzlichen Krankenkassen heute schon nicht, da dies ein klarer Verstoß gegen das Solidarprinzip der Krankenkassen wäre. Und das ist auch gut so. 


Unsere traditionelle Hamburg-Frage:

Sie haben in Hammerbrook rd. 1.400 Mitarbeiter, in Landesvertretung, Leistungsabteilungen und in der Kundenbetreuung rd. 600 Mitarbeiter. Hinzu kommen rd. 500 Mitarbeiter in Ihrer Hamburger IT-Tochter "Bitmarck". Hand aufs Herz: Was wünschen Sie sich als großer Anbieter an der Alster vom Senat, damit die Digitalisierung im Gesundheitssektor erfolgreich wird?

Als großer regionaler Player in der Metropolregion Hamburg sind wir natürlich an einer guten Vernetzung zwischen Politik, Wirtschaft und Bildung sehr interessiert. Die Stadt Hamburg setzt mit der Initiative „Digital First“ und der Ernennung des ersten CDO - Herrn Christian Pfromm - die richtigen Weichen. Auch die Stadt schaut zunehmend aus der Kundenperspektive auf die Prozesse und Strukturen und ich glaube, dass sich hier noch viele gemeinsame Wege gehen lassen. 

Einfach Adressänderung mit der Freien und Hansestadt

Ob im Bereich der Innovationsentwicklung als auch in der Serviceentwicklung: Oftmals haben wir ein- und denselben Kunden. So ist aus der Kundensicht eine einfache Adressänderung nur einmal zu melden - und dann müsste er entscheiden können, ob dann auch gleich diese Information bei der Krankenkasse ankommen soll. Auch gemeinsame Gesundheits- oder Bildungsinitiativen könnte ich mir gut vorstellen. 

Mein Wunsch wäre, daran zum Wohle der Bürger und Kunden zu arbeiten und das Leben für alle etwas angenehmer und gesünder zu gestalten. Dabei sollten wir die gesellschaftspolitische Verantwortung der Digitalisierung nicht aus den Augen verlieren.


*  *  *

Vielen Dank für die offenen Antworten!

Das Interview führte Thomas Keup.


 Hamburg Digital Background: 


Chief Digital Officer und DAK IT-Stratege Helmut Gerhards:
www.xing.com/profile/Helmut_Gerhards3

DAK-Digitalisierungsreport 2018:
www.dak.de/dak/bundes-themen/aerzte-befuerworten-e-health-loesungen-1963670.html

Mobiler Angehörigenbegleiter "DAK-Pflegeguide":
www.dak.de/dak/leistungen/app-dak-pflegeguide-1863678.html

Digitales Pilotprojekt "Netzwerk Leben Plus" in Hamburg:
www.die-freien-hh.de/pressemitteilung/details/hamburger-pilotprojekt-netzwerk-lebenplus-startet-laenger-selbststaendig-und-selbstbestimmt-leben/ 

--

Datenmigration für 5,8 Mio. Versicherte durch Bitmarck:
www.cio.de/a/dak-migriert-daten-bei-it-grossprojekt,3260844

Nationaler IT-Dienstleister "Bitmarck" (für BKKn, DAK und IKKn):
 https://www.bitmarck.de/

--

Private Krankenversicherung "Ottonova" (Holtzbrinck-Venture):
www.ottonova.de/

Private Krankenversicherung "Oscar" (Google-Konzern Alphabet):
www.hioscar.com/

Ankündigung "Amazon Health Care" mit Berkshire & J. P. Morgan
www.finanzen.net/nachricht/aktien/gesundheitsbranche-healthcare-aktien-unter-druck-berkshire-hathaway-amazon-und-jpmorgan-formen-giganten-5942005

Freitag, 9. Februar 2018

HANSESTATEMENT: Steuerverschwendung "Beyourpilot" - 10 Millionen Euro für was?


HAMBURG DIGITAL STATEMENT

Das zieht einem fast die Schuhe aus: Das nur auf dem Papier existierende, dafür aber umso hoch gelobtere Startup-Portal "Beyourpilot" entwickelt sich zu einem noch größeren Fass ohne Boden, als ursprünglich sichtbar: Sage und schreibe 10 Mio. Euro soll das Projekt der - laut Landesrechnungshof öffentlich kritisierten -"Steuerverschwender" von Hamburg Innovation GmbH, der TuTech Innovation GmbH und "Startup Dock" kosten. Das sieht die Beschlussvorlage der Wirtschaftsbehörde BWVI für die Hamburger Bürgerschaft vor. Ein Hamburg Digital Statement:

Ein Portal mit "Ideenfinder" mittels altbekanntem Business Model Canvas, einer nicht existenten Datenbank mit "Expertenshop" und "Ressourcenfinder" zu Know how- und Technologie-Experten und Einrichtungen sowie ein "Finanzierungskompass", den die Hamburger Konzeptagentur Evers & Jung ähnlich schon einmal an die KfW und den Bund verkauft hat. Das Ganze für 500.000,- € über 5 Jahre. So sah es zum Zeitpunkt der Hamburg Digital Recherche zu Jahresbeginn aus. Mit der Veröffentlichung der Beschlussvorlage zur Finanzierung des Startup-Projekts wird klar: 


Ist "Beyourpilot" ein Fass ohne Boden?
Grafik: Hamburg Innovation

Das unausgereift konzeptionierte Startup-Portal kostet laut Planungen der Wirtschafts- und Innovationsbehörde in den kommenden 5 Jahren insgesamt rd. 10 Mio. € - in Worten: zehn Millionen, wie die Hamburg Digital Nachrichten am Mittwoch berichtet haben. Dabei werden von 2018 bis 2022 jedes Jahr linear fast 2 Mio. € mit vollen Händen aus dem Fenster geworfen - direkt in den Rachen der für die eigene "Luxusversorgung" bekannten TuTech Innovation GmbH, ihrer Schwestergesellschaft Hamburg Innovation GmbH und dem nach Beendigung des "EXIST"-Programm de facto überflüssigen "Startup Dock": 


„Finanzbedarf und Zeitplan werfen einige Fragen auf. Diese werden wir im Wirtschaftsausschuss detailliert besprechen. So jedenfalls wird Hamburg nicht zur Gründermetropole.“ 
Carsten Ovens, Sprecher für digitale Wirtschaft und Hochschulpolitik
der CDU-Fraktion in der Bürgerschaft

Blind auf dem Auge TuTech oder gemeinsame Leichen?

Allein für die Ausschreibung des simplen Portals, die Stellenausschreibung und das Lobbying kassierte Hamburg Innovation im vergangenen Jahr schlappe 500.000,- € - überwiesen von der Wirtschaftsbehörde BWVI nach Harburg - ohne Nachfrage, ohne Ausschreibung, ohne kritische Prüfung. Offensichtlich ist die Innovationsbehörde auf dem Auge TU Harburg und TuTech Innovation blind - oder der Harburger Geschäftsführer Martin Mahn und Vertreter der Behörde haben gemeinsame Leichen im Keller. Wer weiß ...


„Die Drucksache des rot-grünen Senats zur Start-up-Plattform wirft einige Fragen auf. Insbesondere die Höhe des Finanzbedarfs überrascht. Die FDP-Fraktion wird dazu im Wirtschaftsausschuss detaillierte Auskünfte verlangen.“
Michael Kruse, Vorsitzender der FDP-Fraktion in der Bürgerschaft

Diese Fragen stellen sich aus unserer Sicht nach der intensiven Recherche der Steuerverschwendung und der fortlaufenden Machenschaften im Harburger "TuTech-Haus":
  • Wie kann der Hamburger Senat - vertreten durch die Wirtschaftsbehörde BWVI - sicherstellen, dass es sich bei dem 10 Millionen Euro-Projekt "Beyoupilot" definitiv nicht um Subventionsbetrug und Schattenwirtschaft zu Lasten des Hamburger Steuerzahlers geht?

    "Der Senat braucht weniger als 1.000 Worte um knapp 10 Millionen Euro auf fünf Jahre für eine neue Startup-Plattform zu beantragen. Es ist abenteuerlich mit welch nebulösen Projektspezifizierungen hier eine Art Globalvollmacht zur Geldvernichtung vorgelegt wird."
    Stephan Jersch, wirtschaftspolitischer Sprecher der Linksfraktion in der Bürgerschaft

    Chefredakteur Thomas Keup
    Foto: HANSEVALLEY
    Jetzt liegt es bei der Hamburgischen Bürgerschaft, den 10 Mio. € Brocken blind durchzuwinken, oder kritische Fragen zu stellen und die Steuerverschwendung an der Süder-Elbe zu stoppen - im Interesse der nicht üppig gesähten Startup-Gründungen in Harburg, im Interesse der Hamburger Wirtschaft und - vor allem - im Interesse jedes einzelnen Hamburger Steuerzahlers. 

    Das Thema ist bei der Opposition bekannt. Es nicht gewusst zu haben, wird spätestens nach der Fragestunde im Wirtschaftsausschuss keine Antwort mehr sein. Wir bleiben dran.


    Vielen Dank für Ihr Interesse, Ihre Steuern nicht blind in der Elbe zu versenken.

    Mit  herzlichen Grüßen

    Ihr


    Thomas Keup
    Chefredakteur



     Hamburg Digital Recherche: 

    Beyourpilot - Startup Port Hamburg:
    Beschlussvorlage des Hamburger Senats

    HANSEINVESTIGATION: Der Fuchs im Hühnerstall. 
    Die millionenschwere Steuerverschwendung an der Süder-Elbe - Teil 1

    HANSEINVESTIGATION: Ein Startup Port für Hamburg. 
    Die millionenschwere Steuerverschwendung an der Süder-Elbe - Teil 2

    HANSEINVESTIGATION: Die Startup-Abzocke von Harburg.
    Die millionenschwere Steuerverschwendung an der Süder-Elbe - Teil 3


    HANSESTATEMENT: Von Harburger Subventionsrittern zur hanseatischer Metropole.











    Mittwoch, 7. Februar 2018

    HANSESTARTUPS: Von Foodporn zu sexy Daten für Food.



    HAMBURG DIGITAL REPORT

    Kein Food, kein Food, kein Food ... und keine Fahrradanhänger. Das ist einer der wirklich wenigen Grundsätze von HANSEVALLEY. Das Geheimnis des Online-Wirtschaftsmagazins ist allerdings, auch mal eine Ausnahme zu machen. Fahrradanhänger mit Hilfsmotor finden wir immer noch nicht wirklich "sexy". Aber ein "Tinder für Food" hat uns aufhorchen zu lassen. Zumal, wenn es am Schulterblatt zwischen vielen leckeren Lokalen entsteht.



    Ein junger Student der Macromedia Hochschule aus der Neustadt fasziniert das Thema "Hospitality". Während seiner Ausbildung in Medienmanagement arbeitet er für Red Bull - und lernt Hotels, Brauereien und Restaurants kennen. Das über 4 Jahre aufgebaute Netzwerk ist Grundlage für das erste Food-Startup, bei dem wir schwach werden, weil es ein echtes HANSESTARTUP ist. Ein Swipe in die Welt des "Foodguide" aus der Schanze:


    Berlin, Hamburg, Köln und München - überall gibt es tolle Restaurants. Und überall suchen Gäste zu Lunch und Dinner die richtige Location. Was in Deutschland täglich stresst, ist in den angesagtesten Metropolen Europas nicht viel leichter: ob Amsterdam, London, Paris oder Barcelona - Essen ist ein Stück Kultur: "Ich fand es genial, was für ein zentraler Angelpunkt Essen für die Tailänder ist", bringt der 24-jährige Gründer Malte Steiert auf den Punkt, was er während seines Auslandssemesters 2013/2014 erleben durfte. 

    Szenenwechsel: In der Diskussion mit Hamburgs CDU-Digitalexperte Carsten Owens begeistert der gebürtige Marburger beim Jungen Wirtschaftstag Anfang November '17 bei "EY" am Rothenbaum Jungunternehmer aus ganz Deutschland. Offen und ehrlich berichtet er von seiner Begeisterung, von seinen Anlaufschwierigkeiten und seinem nicht immer ganz leichten Weg. Gut, dass der seit August 2015 mit "Foodguide" engagierte Jungunternhmer keine Fahrradanhänger baut ...

    Ein echter "Foodie" oder  doch "schnell, billig, viel"?

    "Ich konnte nie stillsitzen, und ich habe kein ADS. Das wurde auch geprüft", bringt Malte in seinem portugiesischen Stammlokal "Transmontana" beim Interview kurz vor Weihnachten schmunzelnd rüber. Ein Instagram-Blog mit Essensfotos von Freunden ist der Anfang. Und wir sind gedanklich noch einmal in Thailand: Gastfreundschaft, Geselligkeit und Verbundenheit - all' diese Werte verbindet der Sohn einer Lehrerin und eines Pädagogen mit Essen in Thailand. "Jeder Thailänder ist ein Foodie", skiziert Malte den Unterschied zum deutschen 'Schnell, Billig, Viel'. 

    Mit 50 anderen Studenten war er unterwegs in dem ostasiatischen Land, viele von ihnen von der Macromedia Hochschule an der Getrudenstraße. Und immer wieder die gleiche Frage: "Wo können wir hingehen?". Nach 3-4 Ausflügen viel kaum jemandem mehr etwas ein. Google, Yelp und Tripavisor? Für 20-22 Jährige nicht unbedingt das Non plus ultra: kaum Bilder, schlechte Texte, keine Preise. Alles, was einen Studenten nicht vom Hocker reißt. Gute Bilder gibt es bei Instagram. Food ist weltweit nach Mode und Reisen das Top-Thema Nr. 3. Also: "Foodporn" könnte die Lösung sein.

    1.000 Follower nach 2 Monaten: "Foodporn" zieht.


    "Foodporn" geht immer - gerade auf Instagram.
    Screenshot: HANSEVALLEY
    Malte Steinert macht sich ans Werk, fragt Freunde nach ihren Essensfotos: 'Was ist das? Woher hast Du das? und: Was kostet das'? Die Idee ist geboren: Schweinebauch, Bacon & Baked Beans, Bullerei in der Schanze, 13,50 €, gut! Veganer dürfen jetzt wegklicken ... Anfang 2014 startet der junge Medienexperte eine eigene WhatsApp-Gruppe mit Instagram-Fotos. Noch privat posten seine Buddies die angesagtesten Geheimtipps. Spezielle Empfehlung: Asiate "O-ren Ishii" am Speersort, mittlerweile als "Top 10"-Tipp in allen Stadtführern gelistet. Im Mai d. J. startet Malte mit den WhatsApp-Fotos einen Instagram-Channel - und reserviert sich eines Nachts den Titel "Foodguide".


    Der nimmermüde Nachwuchs-Medienmacher lädt die besten Essensbilder hoch: Hashtags und Kommentare inklusive. Nach nur 2 Monaten hat er die ersten 1.000 Follower an Board - "Foodporn" zieht immer. Freunde schicken ihm Bilder, sein Bekanntenkreis ist voll dabei, eine Community entsteht. "Schickt mir Eure Bilder", ruft Malte im August '14 im Instagram-Blog als Motto aus. Täglich treffen zwischen 10 und 20 Fotos ein, Hyperuser schicken ihm ganze Ordner inkl. internationaler Tipps. Im Herbst ist eine systematische Content-Produktion entstanden: 4 Städte, 4 "Community-Manager", 20.000 Follower.

    "Foodguide" ist kein Umsatz-, aber ein Netzwerkthema.


    Jedem Foodie sein "Foodporn" ...
    Foto: Foodguide App
    Der seit gut 5 Jahren in Hamburg lebende Malte ahnt, das sein "eskaliertes Hobby" (Sorry, bei 12min.me geliehen) mehr werden kann. An der Macromedia Hochschule belegt er einen Lehrgang für Entrepreneurship. Sein Wunsch: "Wie kann ich einen Businessplan für Foodguide bauen?" Anfang 2015 fährt er während des Praxissemesters seinen Channel hoch. Erste Gastronomen wollen sich listen lassen, doch der Instagram-Kanal soll neutral sein. Foodora-Gutscheine? O.k. Einzelne Restaurant-Empfehlungen? Eher nicht. Im August '15 baut der Wahl-Hamburger mit seinem Entwickler Nico den Prototypen für "Food-Tinder".

    Malte Steinert gründet im Spätersommer sein erstes eigenes Unternehmen. Im Herbst d. J. dann der Concept-Proof: "Foodguide" lädt die Community ein, mitzumachen. Das Team gewinnt jede Menge neuer Ideen - und die Sicherheit, dass es einen "Need" gibt. 80.000 Fans hat der "Foodguide" bereits bei Instagram. Am 1. Tag der neuen App kommen 3.000 User dazu. Bis Ende des Jahres werden es bereits 20.000 App-Nutzer sein. Bereits jetzt führt Malte erste Gespräche mit Business Angeln. Schnell wird klar: "Foodguide" ist kein Umsatz- sondern ein Netzwerkthema.

    Die "Höhle der Löwen": Auf zur nächsten Stufe.

    Anfang 2016 macht der Jungunternehmer seinen Bachelor in Digital Media Management und stellt im Februar seinen ersten Praktikanten für Marketing und Sales ein. Im Sommer gehts für 3 Monate in den "Plug & Play-Accelerator von Axel Springer - ein bewußter Schritt: "Deutschlandweit sind die am weitesten, deshalb haben wir uns für sie entschieden", so Malte auf die Frage, warum kein Hamburger Programm erste Wahl war. Alle 10 Tage pendelt er zwischen Metropole und Hansestadt. Das Team wächst auf einen Mitgründer, 2 Junior-Sales-Manager und 2-3 Praktikanten.

    "Foodguide" verdient sein erstes Geld, 2.000,- € jeden Monat. Im Juli lernt Malte seinen heutigen Mitgründer Finn Fahrenburg kennen. Der Techi wird zum Treiber für die technische Entwicklung. Ende 2016 bekommen Malte und Finn einen Kontakt zum deutschen Frühphasen-Fonds "Seed & Speed". Mit dem 2 Jahre älteren Partner zieht es "Foodguide" 2017 in die "Höhle der Löwen". Der Lohn für die Vorbereitung: 450.000,- € Investment. Hannovers Starinvestor hilft dem jungem Startup auf die nächste Stufe der Entwicklung. 

    Carsten Maschmeyer ahnt, dass mehr dahinter stecken kann.
    Foto: Foodguide App
    Von Instagram-Channeln zum Datenlieferanten.

    Im Sommer vergangenen Jahres professionalisiert sich "Foodguide": Praktikanten raus - Angestellte
    rein. Das Team wächst von 8 auf 20 Mitarbeiter, der Fokus schwenkt auf internationale Märkte, Country Manager kümmern sich um Nutzerwachstum und Vermarktung in Amsterdam, Barcelona, London, Madrid oder Paris. Mittlerweile erzielt das Startup im Marketing jeden Monat zwischen 20.000 und 30.000,- € Umsatz, sind Gastronomen wichtige Vertragspartner. Nach wie vor ist Instagram der Motor, mit Traffic für die Apps und Gutscheinen für Lokale. 


    Sie machen in der Schanze das "Tinder für Food".
    Foto: Foodguide App
    "Foodguide" ist heute in fast allen größeren Städten Deutschlands zu Hause. Die Nutzer sind im Schnitt rd. 27 Jahre jung, meist in Städten zu finden und zu sage und schreibe 75% weiblich. Über 650.000 Fans zählt "Foodguide" heute auf seinen gut 20 Instagram-Channeln in aller Welt. Sie alle werden aus dem jungen Büro im Schanzenviertel betreut. Was wie ein nettes Medien-Marketing-Modell aussieht, entwickelt sich zunehmend zu einem handfesten Daten-Lieferanten für die Industrie:

    Alle Vorgänge rund ums Essen in einer App.


    "Was soll 2019 auf die Pizza gelegt werden?", fragt Malte bei seinem Lieblings-Portugiesen mit einem Schmunzeln. Und ergänzt: "Wird Quinoa (eine Art Hirse) in 2 Jahren in den Supermarkttegalen liegen?". Mikrotrends in der "Foodguide"-Tinder-App über Likes und Dislikes können zu Makrotrends hochgerechnet werden. Nur ein Schritt auf dem Weg zur disruptiven Tech-Company. Im Nachrichtenmagazin "Stern" ist Malte Steiert denn auch überzeugt, mit "Foodguide" noch viel mehr zu erreichen:


    "Unsere Vision ist es, alle Vorgänge rund um das Thema Essen in unserer App zusammenlaufen zu lassen und dem User ein Service-Hopping zu ersparen. In fünf Jahren wollen wir ganz klar nicht nur den Food Market disrupted haben, sondern in weitere Verticals - wie Hotellerie, Travelling und Nightlife - vorgedrungen sein. Aktuell fokussieren wir uns aber erst einmal auf das Vertical Gastronomie.

    Das Erfolgsteam der Foodguide App: Malte + Finn
    Foto: Foodguide App
    Womit die Frage beantwortet werden kann, warum ein weitsichtiger Carsten Maschmeyer in den beiden Jungs aus der Schanze mehr sieht, denn Frank Thelen; warum eine Tinder-App für Gastronomen und Lebensmittler äußerst spannend sein kann und warum "Foodguide" ein HANSESTARTUP ist. Denn nur die besten Startups sind HANSESTARTUPS, auch wenn sie Food machen (und natürlich Tech).

    Wir wünschen "Foodguide" auf Ihrem Weg alles Gute und jeden erdenklichen Erfolg! 






     Hamburg Digital Background: 

    Malte Steiert im Business-Netzwerk "Xing":
    www.xing.com/profile/Malte_Steiert/

    "The Foodguide App" bei Instagram:
    www.instagram.com/foodguideapp/

    "The Foodguide App" Blog:
    www.thefoodguide.de/de/blog/

    "Foodguide"-Beitrag im Magazin "Stern":
    www.stern.de/wirtschaft/hoehle-der-loewen---foodguide----soziales-netzwerk-fuer-alles-rund-ums-essen-7679928.html

    Sonntag, 4. Februar 2018

    HANSEPERSONALITY Ehrenfried Conta Gromberg: Zeit für smarte Experten.

    HAMBURG DIGITAL INTERVIEW

    Brigitte und Ehrenfried Conta Gromberg sind Vordenker. Statt nachzuplappern, was andere vorkauen, haben die beiden Hamburger Solopreneure eine Botschaft: "Think smart". Damit adressieren Sie eine Gruppe von Existenzgründern, die erfolgreich sein wollen - aber nicht um jeden Preis. Zwischen Maikäfer-Konzepten und Weltmarktführerschaft gibt es etwas, das in Zeiten der Disruption traditioneller Branchen und Betriebe immer interessanter werden kann.



    Hamburger Solopreneure Brigitte und Ehrenfried Conta Gromberg
    Foto: Smart Business Concepts
    Am 18. Januar d. J. stellte Ehrenfried Conta Gromberg auf der Freiheits Business Konferenz im Mindspace die Chancen und Herausforderungen für ein smartes Business mit persönlicher Freiheit und unternehmerischem Erfolg vor. HANSEVALLEY ergriff die Chance und freut sich auf HANSEPERSONALITY Ehrenfried Conta Gromberg:

    Im Startup-Business wird gern von "Entrepreneurship", "Think Big" und "Scale Fast" gesprochen. Sie plädieren für "Solorpeneurship" und "Think Smart". Ist das nicht "zu klein" gedacht? Warum sprechen Sie sich eher nicht für den Traum von Größe und Reichtum im Geschäft aus?

    Entrepreneurship ist für uns nicht an Größe gebunden, sondern daran, unternehmerisch zu handeln. "Think Smart" ist dabei eine andere Haltung als das Accelerator-Denken der Start-up-Schmieden. Dort gilt die Logik, dass man erst ab einer "gewissen Größe" mitspielen kann. "Groß, Geld, Team und schnell" ist aber nicht die einzige Möglichkeit.

    Das Wort "Solo" steht bei uns bewusst vor "Entrepreneurship", weil wir irgendwann genervt waren, dass alle so tun, als wenn es nur im Team geht. Die Team-Fetischisten übersehen, dass die digitale Revolution auch eine ganze Welle neuer, smarter Selbstständigkeiten hervorbringt. Lynda Gratton hat in ihrem Buch „The Shift“ früh darauf verwiesen, dass in Zukunft vor allem zwei Unternehmenstypen zunehmen: 

    Sehr große und kleinere als bisher. Diese kleineren Einheiten sind flexibler. Sascha Lobo hat das einmal so formuliert: Man kann sich ab jetzt sein Unternehmen um sein Leben herum bauen. Diesen Bereich nennen wir "smart". Der Traum von Größe ist nicht der passende Traum für alle. Weder persönlich noch für unseren Planeten.

    Ein entscheidender Unterschied zwischen "Think Big" und "Think Smart" sind persönliche Werte, die Sie in den Mittelpunkt stellen - z. B. Gewinnmaximierung versus Balance zwischen wirtschaftlichen und sozialen Interessen. Welche weiteren Beispiele für Werteorientierung sehen Sie?

    Smarte Geschäftsfrauen oder Geschäftsmänner fragen sich, was die richtige Größe für die eigene Person ist. Es geht um Eigenverantwortung. Was hilft mir ein Business, wenn ich hinterher mit Herzinfarkt umkippe? Was passt in mein Leben und wirkt sich dort gut aus? Es geht auch um die Wirkung auf andere und unsere Umwelt.

    Nicht alles, was online geht, hat eine gute Auswirkung. Viele Geschäfte im Netz basieren rein auf "Gier-Marketing". Wir setzen dagegen auf Vertrauensmarketing und arbeiten stark am Mindset, damit man nicht automatisch auf Glaubenssätze wie "Think Big" hereinfällt und auch nicht meint, jede manipulative Technik im Online-Marketing übernehmen zu müssen.

    Viele gute Ideen von engagierten Gründer*innen enden als Hobby, nicht selten im Bereich sozial äußerst lobenswerter Engagements. Wodurch unterscheiden sich die von Ihnen als "Harmlos-Konzepte" gelabelten Wege von Erfolg versprechenden "Smart Business Concepts"?


    In Deutschland haben wir eine komische Stimmung. Die "Verantwortungsbewussten“ sind oft geschäftsfeindlich eingestellt. Geschäftsideen aus einer solchen Ecke haben oft keinen Boden unter den Füßen. Unternehmerisch zu handeln braucht eine Schlagzahl. Wenn wir Facebook nicht als Richtschnur nehmen, bedeutet das nicht, naiv zu sein. Auch uns geht es darum, etwas zügig aufzubauen. Auch wir nutzen digitale Technik und automatisieren.  

    Wer eine Idee zu sozial denkt, also alle gesellschaftlichen Systemprobleme auf einen Schlag lösen möchte, landet oft in einer Kiste, in der es keinen Umsatz gibt. Das passiert auch, wenn ich nur auf meinen Bauch höre und versuche mein Hobby zum Geschäft zu machen. Für ein Business brauche ich den Willen, Geld zu verdienen und konkrete Angebote und Produkte. Deswegen pochen wir stark darauf, ein echtes Geschäftskonzept zu erstellen.

    In Ihrem Bestseller "Smart Business Conecpts" stellen Sie 5 Typen von "Solopreneuren" über die Wertschöpfungskette von Kreativität und Planung über Produktion und Dienstleistung bis zum Handel vor. Welche Bereiche sind bei smarten Gründern besonders beliebt - und warum?

    Unser Buch war die erste deutsche Systematik der smarten Geschäftswelt. Von den 5 Solopreneur-Typen haben sich seitdem drei besonders stark entwickelt:


    Die 5 Solopreneur-Typen in Smart Business Concepts
    Grafik: Smart Business Concepts

    • Zum Einen sind es die Händler. Nach wie vor gelingt es smarten Pure-Play-Internet-Händlern, sich in Nischen zu etablieren. Ob über Amazon oder andere Kanäle. Wer ein gutes Sortiment und Ausdauer hat, kann punkten.
    • Zum Zweiten sind es die Productized Services. Wer es schafft, eine skalierbare Dienstleistung in einen digitalen Prozess zu bringen, wird an diesem Business lange Zeit Spaß haben.
    • Zum Dritten sind es die Expertenmodelle. Das ist unser Lieblings-Sektor. Bis heute werden Content-Geschäftsmodelle irgendwie nicht als „Unternehmen“ gewertet. Dabei wächst dieser Sektor besonders stark.
    • Die Produzenten und Kreativen sind natürlich ebenfalls im Rennen. In Deutschland steckt aber hier noch viel ungehobenes Potenzial.

    Sie arbeiten an einem neuen Buch, einem "Expertenbuch“ mit dessen Hilfe jeder herausfinden kann, ob in ihm ein smartes Experten-Geschäftsmodell steckt. Verraten Sie uns, was den Leser im neuen "Expertenbuch" von Brigitte und Ehrenfried Conta Gromberg erwartet?

    Wir arbeiten seit über einem Jahr an unserem neuen Buch "Die Zeit der smarten Experten". In ihm unser Lieblings-Thema: Experten-Geschäftsmodelle. Wissens-Konzepte sind ein großer, wachsender Bereich. Bisher gab es dafür keine Systematik. Jeder redet zwar über Vlogger, Blogger und Podcaster, kratzt damit aber nur die Oberfläche. 

    Denn was ist mit Autoren, Public Speakern und und und? Oft ist nicht ersichtlich, was eigentlich das Geschäftskonzept hinter diesen Modellen ist. Was ist zum Beispiel HANSEVALLEY für ein Unternehmen? Solche Fragen haben wir aufgebohrt und in eine Systematik gebracht. In Kürze ist das Buch fertig. Wer das mitbekommen möchte, kann sich bei uns in eine Vormerkliste eintragen. Wir informieren dann, wenn das Buch draußen ist:



    Im "Big Business" ist der "Raketenstart" eine gern genommene Assoziation. 7 von 10 Tech-Startups überleben das 2. Jahr nicht, 2 weitere erreichen eher im "Long Tail" den Break Even. Warum ist es aus Ihrer Sicht smarter, als Solopreneur in stürmischer Zeit unternehmerisch unterwegs zu sein.

    Die Rakete symbolisiert Kraft, Abenteuer, Technik und das perfekte Zusammenspiel einer Crew. Gründungsphantasien bestehen oft daraus, eine verwegene Idee zu haben, dann kommt ein Investor und finanziert den Raketenstart. Es gibt nur einen Haken an der Sache: Hat eine Rakete keinen Treibstoff mehr, ist sie ein toter Haufen Blech. Wenn einem fremdkapitalfinanzierten Start-up ein Jahr vor Break Even das Geld ausgeht, sind die Fixkosten meist zu hoch, um das Unternehmen rüberzuretten.

    Smart kann dagegen wie ein Korken im Wasser rauf- und runterskalieren. Es geht um eine andere Form der Stärke, um Resilienz. Wir raten zu hoher Eigenliquidität, schlanker Infrastruktur, möglichst sofort Geld zu verdienen und den Laden zunächst klein zu halten. Habe ich genug Wasser unterm Kiel, kann ich einen Umsatzeinbruch abwettern. Das erhöht die Überlebensrate ungemein. Für smart steht eher ein Segelboot, bei dem kann ich auch einmal das Segel einholen und Pausen einlegen.

    Sprechen wir über die Vermarktung von smarten Geschäftsmodellen mit Hilfe der "Produktreppe". Mir selbst ist bei Ihrem Vortrag bei der Freiheits Business Konferenz der "Groschen gefallen". Wie funktioniert der Aufbau von Resonanz, Relevanz und Reputation für smarte Unternehmer?

    Marketing wird meist alleine von der Reichweite her gedacht. Wie kann ich mit Anzeigen oder anderen Instrumenten bekannt werden? Das hilft nur nichts, wenn die eigenen Produkte nicht klar sind.

    Die Produkt-Treppe ist ein sehr einfaches Business-Modelling-Tool, um Produkte zu ordnen. Viele haben den Wunsch, sich etwas aufzubauen und auch eine Idee. Sie bekommen aber die eigenen Angebote „nicht auf die Reihe“. Ich muss als Entrepreneur meine Produkt-Logik kennen, bevor ich Marketing anfange. 

    Was steht für welche Aufgabe? Wird das vom Kunden verstanden, die Produkte gekauft und diese halten, was sie versprechen, entsteht Reputation. Auf Reputation kann smartes Marketing aufbauen. Vertrauen ist die höchste Währung für smarte Unternehmer, die in der Regel über kleine Etats verfügen.

    Sie leben und arbeiten mit Ihrer Frau Brigitte in der Region. Sie haben hier eigene Unternehmen gestartet und sind in der Digital- und Business-Community verankert. Was läuft in Hamburg im Kontext neuen Business schon richtig "smart" - und wo würden Sie etwas anders machen?


    Vorbild für smarte Unternehmer: Brigitte und Ehrenfried Conta Gromberg
    Foto: Smart Business Concepts
    Brigitte ist geborene Hamburgerin und ich Wahl-Hamburger. Uns gefällt besonders, dass man sich hier auf Menschen verlassen kann und eine Offenheit herrscht, Altes und Neues zu verbinden. Es gibt eine Kultur des Austauschs und wir hatten in den letzten Jahren nicht eine blöde Begegnung.

    Schwächen sehe ich im unternehmerischen Leitbild. Im Kopf einiger Hanseaten ist Infrastruktur immer noch alleine für die großen Einheiten reserviert: Hafen, Flugzeugbau, Hafen-City mit Bürogebäuden für große Firmen. Smart bedeutet für uns aber, auch die neuen Bewegungen abzubilden. Und dazu gehört eindeutig das Home-Office. 

    Wir sind aus Hamburg rausgezogen, weil betriebswirtschaftlich die Home-Office Flächen in Hamburg zu teuer sind. Kreativität braucht Luft. Wir haben dafür eine ganze Etage in unserem Haus. Wer – wie wir – als Solopreneur-Paar ein Home-Office-Haus baut, kann das in Hamburg finanziell eigentlich nicht mehr verantworten. Dafür muss man in die Randgebiete. Wir haben uns für den Süden Hamburgs entschieden und das nie bereut. Hamburg hat aber die Randgebiete nicht wirklich vor Augen. Das ist in meinen Augen nicht smart.

    *  *  *

     Hamburg Digital Background: 

    Smart Business Concepts:

    www.smartbusinessconcepts.de/

    Die Produkt-Treppe:
    www.smartbusinessconcepts.de/produkt-treppe/

    Vormerkliste Expertenbuch:
    www.smartbusinessconcepts.de/die-zeit-der-smarten-experten/

    Freiheits Business Konferenz:

    www.freiheitsbusiness.de/